Ulmer: Pathophysiologische Grundlagen obsteuktiver Atemwegserkrankungen

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Dtsch. med. Wschr. 100 (1975), 1575-1580 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Pathophysiologische Grundlagen obstruktiver Atemwegserkrankungen Die Ursachen der chronischen Atemnot wie der Atemnotanfälle, die in allen Graduierungen bis zum tödlichen Erstickungsanfall bei den obstruktiven Atemwegserkrankungen vorkommen, wurden in den letzten Jahren immer besser erforscht.

Unter obstruktiven Atemwegserkrankungen werden alle Erkrankungen zusammengefaßt, welche mit erhöhDiese Forschung wurde mit der finanziellen Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Hohe Behörde, Luxemburg, durchgeführt.

W. T. Ulmer Institut für Lungenfunktionsforschung Bochum irs Verbindung mit der Universität Münster (Chefarzt: Prof. Dr. W. T. Ulmer)

ten Strömungswiderständen in den Atemwegen einhergehen (30). Ähnliche häufig, aber nicht einheitlich gebrauchte Bezeichnungen sind chronisch unspezifisch obstruktive Lungenerkrankung, oft weniger umfassend Asthma bronchiale, oft mehr umfassend asthmatoide Bronchitis, Bronchitis, Emphysembronchitis. Im folgenden sollen aus für derartige Versuche meist nur möglichen Tierexperimenten verschiedene Ursachen der Atemwegsobstruktion dargestellt werden. Aus diesen pathophysiologischen Grundlagen lassen sich unter-

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Nr. 30, 25. Juli 1975, 100. Jg.

Ulmer: Pathophysiologische Grundlagen obstrukriver Atemwegserkrankungen

schiedliche klinische Bilder ableiten, welche unter dem Terminus »Atemwegsobstruktion« stehen. Mit Histamin und Serotonin, wie sie zum Beispiel bei Antigen-Antikörper-Reaktionen freigesetzt werden, mit den »siow reacting substances«, mit Prostaglandinen, zum Beispiel dem F2, oder mit Acetyicholin lassen sich experimentell Atemwegsobstruktionen auslösen. Vorwiegend durch Kontraktion der Bronchialmuskulatur

werden derartige Atemwegsobstruktionen verursacht. Schleimhautschwellung und Überproduktion eines in seiner Zusammensetzung veränderten Bronchialschleimes (Dyskrinie) spielen insbesondere bei bestimmten klinischen Fällen ebenfalls eine bedeutsame Rolle. Hier soll vorwiegend die auf den meist überragenden Einfluß des veränderten Bronchialmuskeltonus zu.rückzuführende Atemwegsobstruktion besprochen werden. Weitgehend bestand die Vorstellung, daß die genannten Substanzen direkt an der Bronchialmuskulatur angreifen.

Deutsche Medizinische Wochcnschriír

Wenn die Bronchokonstriktion durch die bei AntigenAntikörper-Mechanismen freiwerdenden Substanzen als wahrscheinlich über den Reflexbogen im Nervus vagus ablaufend nachgewiesen werden konnte, so stand noch der Nachweis aus, daß bei der durch Antigenzufuhr ausgelösten Atemwegsobstruktion der gleiche Mechanismus abläuft. Gold und Mitarbeiter (7) konnten dies in entsprechenden Versuchen an allergischen Hunden wahrscheinlich machen. Unsere eigenen Versuche (36) bestätigen diese Ergebnisse (Abbildung 2): Viele Hunde zeigen bei Inhalation eines Askaridenextraktes eine schwere Atemwegsobstruktion. Unter Vagusblockade ist sie nicht mehr auslösbar. Aufheben der Vagusbiockade läßt die Atemwegsobstruktion wieder nachweisen. Hiermit konnte auch an dem der klinischen Situation der Atopie vergleichbaren Modell die Reflexnatur der über den Nervus vagus zustande kommenden Atemwegsobstruktion bestätigt werden. Ascaris -

Reflexbronchokonstriktion Durch Inhalation von Serotonin, Histamin, Prostaglandin F20 wie Acetyicholin steigt, wie in zahlreichen früheren Versuchen gezeigt werden konnte, der Strömungswiderstand in den Atemwegen an (1, 6, 11, 12, 35). Vagusblockade durch Procain (Abbildung 1) oder durch Unterkühlung oder Vagotomie verhindert derartige Atemwegsobstruktionen (5, 13, 33). Mit diesen Ergebnissen war wahrscheinlich gemacht, daß diese bronchokonstriktorisch wirkenden Substanzen nicht direkt an der Bronchialmuskulatur anzugreifen brauchen. Am wahrscheinlichsten ist, daß sie an sensorischen Rezeptoren im Bronchialbaum wirksam werden, wobei über einen Reflexweg, welcher über den Nervus vagus verläuft, die Atemwegsobstruktion ausgelöst wird. Sonst käme als Arbeitshypothese in Frage, daß diese Substanzen wohl direkt an der Bronchialmuskulatur angreifen, zu ihrem bronchokonstriktorischen Effekt wäre aber die Vagusaktivität unerläßlich. APnea I lOOiet in

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Abb. 2. Durch Askaridenextrakt-Inhalation ausgelöste allergische Atemwegsobstruktion bei Hunden vor und nach Vagusbiockade soAPoes [mm Hg] wie nach Auswaschen der Vagusbiockade. Maß 1hIU Lili I V des Strömungswiderstandes in den Atemwegen (36).

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Die Versuche von DeKock und Mitarbeitern (4) machten wahrscheinlich, daß es einen vaguskontrollierten und einen sehr peripher, etwa ab den Bronchioli respiratorii gelegenen Abschnitt in den Atemwegen gibt, der nicht vaguskontrolliert ist. Bei direkter Einwirkung der bronchokonstriktorischen Substanzen auf den nichtvaguskontrollierten Abschnitt des Bronchialbaumes sollten unter Vagusblockade diese Substanzen wirksam bleiben. In der Tat konnte gezeigt werden, daß die vorwiegend in den peripheren Atemwegen einsetzenden Bronchospasmen Blutgasveränderungen bewirken, welche trotz Vagusblockade unverändert nachweisbar sind (Abbildung 3). Da diese peripheren Abschnitte des Bronchialbaumes kaum Rückwirkungen auf die Gesamtströmungswider-

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Ulmer Parhophysiologische Grundlagen obstruktiver Atemwegserkrankungen

stände in den Atemwegen haben können (22,23), kommt es nicht zu einem wesentlichen Anstieg der Strömungswiderstände. Die Strömungswiderstände in den Atemwegen werden vorwiegend durch den vaguskontrollierten Teil des Bronchialbaumes bestimmt (14, 19, 34). Bronchokonstriktion in den größeren Atemwegen bestimmt vorwiegend die Strömungswiderstände in den Atemwegen, bleibt aber nur von geringerer Wirkung auf den Gasaustausch (31). Somit wird verständlich, daß unter den Patienten mit Atemwegsobstruktion eine Gruppe mit relativ geringgradiger Erhöhung der Strömungswiderstände in den Atemwegen, aber mit schweren Blutgasveränderungen, und eine andere Gruppe mit zum Teil erheblich erhöhten Strömungswiderständen in den Atemwegen, aber fast normalen Blutgaswerten, beobachtet werden. In der Literatur hat man diese verschiedenen Gruppen, ohne die entsprechenden pathophysiologischen Zusammenhänge zu übersehen, in »blue bloaters« und »pink puffers«, »fighters« und »non fighters« bzw. in emphysematöse Typen und Bronchitistypen versucht einzuteilen (20, 21, 29). Serotonin und Vag usbiockade

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Abb. 3. Änderung der arteriellen Sauerstoffdrücke (paO,) und Kohlensäuredrücke (paCO2) unter Acetyicholin (ACH)- bzw. Serotonin (S-HT) -Inhalationen vor und während Procain-Blockade beider Vagi. Obwohl unter Procain-Blockade der Strömungswiderstand in den Atemwegen nicht ansteigt (s. Abb. 1), setzen die Blutgasveränderungen unter Acetylcholin- bzw. Serotonin-Inhalation in gleicher Stärke ein wie ohne Vagusblockade.

Wir können somit Patienten, bei welchen vorwiegend die zentralen vaguskontrollierten Atemwege betroffen sind, von denen unterscheiden, bei welchen vorwiegend die kleineren Atemwege direkt beeinflußt werden. Daneben finden sich bei der überwiegenden Zahl von Patienten Mischbilder. Bei den Mischbildern ist entscheidend, daß sich die vaguskontrollierten Atemwegsobstruktionen meist relativ gut durch Bronchodilatatoren der Katecholaminoder Atropin-Reihe beeinflussen lassen. Die peripheren, die Blutgase verändernden Obstruktionen werden durch diese Substanzen kaum beeinflußt. So ist es zu erklären, daß unter der Bronchodilatation die Strömungswider-

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stände meist gut abgebaut werden, die arteriellen Blutgase aber kaum eine Veränderung zeigen (27, 28). Die Besserung der arteriellen Blutgase gelingt erst mit antientziindlicher Therapie durch Antibiotika und Nebennierenrindenhormone und benötigt für diesen Effekt längere Zeit als die meist sofort einsetzende Abnahme der Strömungswiderstände in den Atemwegen nach Katecholaminen oder Atropin (2, 3).

Überempfindliches Bronchialsystem Ein Charakteristikum dieser Patienten mit obstruktiver Atemwegserkrankung ist, daß das Bronchialsystem gegen alle mögliche Reize überempfindlich wird. Auf verschiedene Reize hin, auf welche ein Gesunder kaum Reaktionen zeigt, kommt es bei diesen Patienten zu einem erheblichen Anstieg der Strömungswiderstände in den Atemwegen mit entsprechender Atemnot. Da in der anfallsfreien Zeit häufig normale Lungenfunktionswerte gemessen werden, die Atemwegsobstruktion aber nur durch entsprechende Reizung auslösbar ist, wurde auch von »Patienten mit überempfindlichem Bronchialsystem« gesprochen. Bei einem größeren Teil dieser Patienten ist dieses Stadium wahrscheinlich das Vorstadium einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung (35). inzwischen ist es gelungen, das überempfindliche Bronchialsystem tierexperimentell auf dreierlei Arten, welche alle ihre klinischen Korrelate finden lassen, zu erzeugen: Die schon besprochenen Transmittersubstanzen Histamin, Serotonin und Prostaglandin F2» verursachen in Konzentrationen, welche selbst noch nicht in der Lage sind, eine entsprechende Bronchialobstruktion auszulösen, eine erhebliche Steigerung der Empfindlichkeit der sensorischen Rezeptoren im Bronchialsystem. Auf entsprechende Reizung, zum Beispiel durch Acetylcholin, kommt es dann zu einer überschießenden, starken Bronchokonstriktion. Dieses Phänomen ist auch in den Versuchen erkennbar, welche der Abbildung 1 zugrunde gelegen haben. Auch diese Bronchokonstriktion, die auf eine Oberempfindlichkeit des Bronchialsystems zurückzuführen ist, sollte durch Vagusblockade hemmbar sein, was wir auch zeigen konnten (13, 15). ist hiermit ein Großteil der bei Antigen-Antikörper-

Reaktion wirksamen pathophysiologischen Zusammenhänge bis zum Auftreten der Atemwegsobstruktion der Klärung nähergebracht, so gibt es doch zweifelsohne andere Atemwegsobstruktionen, deren pathophysiologische Mechanismen ebenfalls überschaubar geworden sind. Bei vielen, insbesondere älteren Patienten mit chronischer Atemwegsobstruktion sind keine Zeichen von Antigen-Antikörper-Mechanismen nachweisbar. Alles, was über derartige Zusammenhänge bisher gesagt wurde, sind reine Hypothesen. Dieses häufig auch als »Infektasthma« bezeichnete Krankheitsbild zeichnet sich durch eine chronische Bronchitis aus, mit der es zur Atemwegsobstruktion und vorausgehend oder gleichzeitig zum überempfindlichen Bronchialsystem gekommen

ist.

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Proteolytische Enzyme, wie Trypsin, Chymotrypsin, Ficin und Pronase, sind ebenfalls in der Lage, die Empfindlichkeit sensorischer Rezeptoren im Bronchialsystem erheblich zu steigern (Abbildung 4) (32). Poe;/l00ml

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nicht genügender Inhibition zu schwerer Emphysembildung (8, 17) (Abbildung 5*). Im Bereich der Bronchien kommt es durch proteolytische Enzyme zur Uberempfindlichkeit des Bronchialsystems bis zur chronischen Atemwegsobstruktion. Die Abbildung 6 zeigt schematisch die Sensibilisierungsmechanismen, wie sie bei H-Substanzen-induzierter oder protease-induzierter Atemwegsobstruktion wirksam werden.

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Abb. 4. Empfindlichkeitssteigerung der Bronchialmuskulatur durch inhalierte tryptische Fermente. Die Hunde inhalierten jeweils dreimal 1 Stunde die tryptischen Fermentlösungen als Aerosol. Anschließend wurde jeweils die bronchokonstriktorische Reaktion auf Acetylcholin geprüft. Im Vergleich zum Ausgangswert wie zum Kontrollversuch unter Pufferlösung stieg die Acetylcholinempuindlichkeit unter tryptischen Fermenten bis zum l3fachen der Normalreaktion an.

Solche proteolytischen Enzyme lassen sich im Sputum von Patienten mit Infektasthma nachweisen (10, 24). Das gefriergetrocknete und wieder in Lösung gebrachte Sputum entsprechender Patienten ruft nach Inhalation bei Hunden eine Sensibilisierung des Bronchialsystems hervor (10). Im Sputum dieser Patienten sind neben verschiedenen proteolytischen Enzymen auch Protease-Inhibitoren, wie a2-Makroglobulin oder a1-Antitrypsin, nachweisbar (25). Diese Inhibitoren sind aber oft nicht in genügender Menge in freier Form vorhanden, mitunter auch nicht genügend spezifisch (9, 26). Es sei nur erwähnt, daß das Ubermaß an proteolytischen Fermenten auf verschiedenen Ebenen des Bronchialsystems unterschiedliche Wirkungen hervorruft. Im Alveolarbereich kommt es bei

Abb. 6. Schematische Darstellung der Sensibilisierung der sensorischen Rezeptoren des Bronchialsystems durch freigesetzte H-Substanzen bei Antigen-Antikörper-Mechanismus bzw. durch proteolytische Enzyme aus zerfallenden Leukozyten und Bakterien.

3. Eine Entspannung der Lunge, entweder durch schwere Emphysembildung, durch Pneumothorax (Abbildung 7) oder durch Kompression des Thoraxraumes von außen, führt ebenfalls zu einer erheblichen Sensibilisierung des Bronchialsystems gegen bronchokonstriktorische Reize (16). Diese unsere Versuche, die auch an Menschen bestätigt wurden, zeigen, daß sich bei Patienten mit Einengung des Thoraxraumes, zum Beispiel bei starker Adipositas, ebenfalls eine Atemwegsobstruktion mit überempfindlichem Bronchialsystem entwickelt, welche auch, wie wir beweisen konnten, reflektorisch über den Nervus vagus gesteuert wird. Worauf die entspannungsinduzierte Cberempfindlichkeit des Bronchialsystems letztlich zurückzuführen ist, muß noch offenbleiben. Als Erklärung bieten sich vor allem zwei Möglichkeiten an: a) Durch die Entspannung werden die Bronchien engergestelit, aber doch nur in einem Umfang, der noch zu keiner wesentlichen Strömungswiderstandserhöhung führt. Bei der exponentiellen Beziehung zwischen Radius und Strömungswiderstand in den Bronchien genügt dann aber eine kleine weitere Radiusein*

Abbildung 5 siehe Tafel Seite 1572

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Abb. 7. Bronchokonstriktorische Reaktion des Bronchialsystems gegenüber Acetylcholin (ACH) vor, während und nach Pneumothorax. Ap05 mm Hg/lOO ml AZV = Maí des Strömungswiderstandes in den Atemwegen (16).

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engung, um die Strömungswiderstände scharf in die Höhe zu treiben. Dies wäre keine Empfindlichkeitssteigerung der sensorischen Rezeptoren oder des Erfolgsorganes, sondern lediglich eine Empfindlichkeitssteigerung des physiologischerweise auf Bronchokonstriktion hin eintretenden Effektes. b) Die durch die Lungenentspannung hervorgerufene Einengung der Bronchien bewirkt tatsächlich eine Steigerung der Empfindlichkeit der sensorischen Rezeptoren oder der Bronchialmuskulatur. Entsprechende Reizung löst dann die Atemnotanfälle aus. Auch an ein Zusammenwirken beider diskutierter Mechanismen ist bei entsprechenden klinischen Bildern zu denken.

Diese Ergebnisse machen auch die klinische Beobachtung verständlich, wonach sowohl dié durch H-Substanzen induzierte als auch die durch Lungenentspannung ausgelöste Atemwegsobstruktion leicht in die infektiöse protease-induzierte Form übergehen kann. Jede Atemwegsobstruktion verschlechtert den Reinigung.smechanismus des Bronchialsystems. Im Bronchialschleim mit gestörtem Reinigungsmechanismus gehen leicht Infek-

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tionen an, welche mit den einwandernden und zerfallenden Leukozyten und Bakterien Proteasen freisetzen. Hiermit ist ein wesentlicher Weg zum Angehen der protease-induzierten Atemwegsobstruktion eröffnet.

Störfelder im Bronchialbaum Diese experimentell gut belegten verschiedenen Formen der obstruktiven Atemnot lassen, wenn das Konzept der über den Nervus vagus ablaufenden Reflexbronchokonstriktion stimmt, vermuten, daß Atemwegsobstruktionen von einzelnen Störfeldern in der Trachea oder in weiter peripher gelegenen Bereichen des Bronchialbaumes auslösbar sind (Abbildung 8). Tatsächlich läßt sich durch Sensibilisierung nur der Trachea oder durch Sensibilisierung eines kleineren Abschnittes, zum Beispiel eines Segmentbronchus, mit Histamin eine erhebliche »Uberempfindlichkeit des Gesamtbronchialsystetns auslösen (1 8). Wenn somit reflektorische Atemwegsobstruktionen durch Reizung sensorischer Rezeptoren und schwere Gasaustauschstörungen durch direkte Einwirkung entsprechender Substanzen auf alveolärer Ebene erkennbar und klinisch schop recht gut voneinander trennbar sind, so ist zu hoffen, ilaß sich aus diesen weiter auszubauenden Grundlagen auch verbesserte therapeutische Maßnahmen werden ableiten lassen.

[Pathophysiological basis of obstructive respiratory tract diseases].

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