Originalien Schmerz 2014 DOI 10.1007/s00482-014-1503-6 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg - all rights reserved 2014

S. Tafelski · T. Beutlhauser · E. Gouliou-Mayerhauser · T. Fritzsche · C. Denke · M. Schäfer Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum, Berlin

Praxis der regionalanästhesiologischen Behandlung chronischer Schmerzpatienten in der stationären und ambulanten Versorgung Eine deutschlandweite Umfrage

Hintergrund und Fragestellung Das Auftreten von Schmerzen gehört zu den zentralen Gründen für Patienten zur Inanspruchnahme diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen [13]. Gleichzeitig wurde für spezifische Operationen, wie inguinale Herniotomien, Amputationen oder mammachirurgische Eingriffe, ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung postoperativer chronischer Schmerzen beschrieben [26]. In einer multizentrischen Untersuchung von Patienten, die spezielle Schmerzambulanzen in England konsultierten, wurde in etwa 20% der Fälle eine Operation oder ein Trauma identifiziert, welches zum aktuellen Schmerzerleben beitrug [10]. In Europa konnte in einer Erhebung aus dem Jahr 2006 eine Prävalenz chronischer Schmerzen von insgesamt 19% aller Einwohner ermittelt werden [6]. Diese Zahlen wurden für Deutschland in einer jüngst publizierten, bevölkerungsbasierten Querschnittsstudie bestätigt. Hier konnten Häuser et al. [14] zeigen, dass 19,4% der Befragten die Kriterien für das Vorliegen eines chronischen Schmerzes erfüllten. Jedoch zeigten die Autoren, dass bei der weiteren Differenzierung nur bei 7,4% der Befragten Kriterien für einen invalidisierenden Schmerz vorlagen. Für spezifisch neuropathische Schmerzen beschrieb

van Hecke et al. [30] in einer systematischen Übersicht eine populationsbasierte Prävalenz von etwa 7–10% und eine Inzidenz von 8,2 pro 1000 Personenjahre. Andere Autoren gingen für Deutschland von einer Zahl von mehr als 900.000 Patienten mit problematischen chronischen Schmerzen aus [17]. Für die Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen stehen verschiedene Strukturen der ambulanten und auch stationären Versorgung zur Verfügung [16, 20]. In der Literatur wird dabei insbesondere die Wirksamkeit der multimodalen Therapie hervorgehoben [8]. Allerdings ist davon auszugehen, dass so spezialisierte und hinsichtlich des Versorgungsangebotes umfassend ausgestattete Einrichtungen in Deutschland nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen [13]. Eine Untersuchung der Barmer GEK zu mehr als 107.000 Versicherten mit der Diagnose Rückenschmerz in mindestens 2 Quartalen zeigte, dass im Jahr 2008 am häufigsten interventionelle Verfahren angewendet wurden [29]. Gleichzeitig ist jedoch die Evidenzlage für interventionelle Therapien aktuell äußerst eingeschränkt. Ebenso sind Daten zur Versorgungssituation bezüglich regionalanästhesiologischer Interventionen bis vor kurzem national und international nicht publiziert worden. Eine jüngst erschie-

nene Veröffentlichung von Kortüm et al. [18] beschreibt in diesem Kontext ein breites Indikationsspektrum für regionalanästhesiologische Interventionen. Gleichzeitig zeigen die Autoren, dass es insbesondere Schmerzen mit einer neuropathischen Komponente sind, bei denen eine interventionelle Therapie durchgeführt wird, und diskutieren ebenso die begrenzte Evidenzlage in diesem Umfeld. Dabei sind Daten zur Durchführung von Interventionsserien oder Kriterien für repetitive Interventionen nicht mit abgebildet.

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Die Evidenzlage für interventionelle Therapien ist eingeschränkt Vor diesem Hintergrund erfolgte eine aktuelle Umfrage mit dem Ziel, die Anwendung und die Durchführung regionalanästhesiologischer Verfahren im Rahmen der schmerztherapeutischen Versorgung von chronischen Schmerzpatienten für Deutschland zu beschreiben. Gegenstand sollte dabei insbesondere auch sein, die Häufigkeit der Anwendung regionalanästhesiologischer Verfahren und die Praxis der Durchführung von InterventionsS. Tafelski und T. Beutlhauser sind gleichberechtigte Erstautoren. Der Schmerz 2014 

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Originalien Tab. 1  Häufigkeit der Anwendung regionalanästhesiologischer Verfahren Regionalverfahren Wie viele Ihrer Patienten erhalten eine Spinal- oder Periduralanästhesie? Keine 1–25% 26–50% >50% Keine Antwort Wie viele Ihrer Patienten erhalten eine periphere Regionalanästhesie? Keine 1–25% 26–50% >50% Keine Antwort Wie viele periphere Blockaden pro Monat führen Sie im Durchschnitt durch? Keine 1–25 26–50 51–75 76–150 >150 Keine Antwort

serien in Hinblick auf Kriterien für Abbruch oder Fortführung repetitiver Interventionen zu erheben.

Studiendesign und Methoden Für die vorliegende Studie wurde eine Online-Umfrage erstellt und deutschlandweit Schmerzzentren und Schmerztherapeuten zur Teilnahme durch eine E-Mail eingeladen. Die Identifikation von möglichen Teilnehmern erfolgte mit Unterstützung der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. basierend auf einer InternetRecherche zu schmerztherapeutischen Einrichtungen in Deutschland. Zur Erhöhung des Rücklaufs erhielten die Adressaten zwei erneute Einladungen mittels E-Mail. Insgesamt bestand die Stichprobe aus einer Anzahl von 508 Adressaten, welche zur Teilnahme an der Umfrage eingeladen wurden. Die Umfrage erfolgte auf einem abgesicherten, klinikeigenen Serverplatz unter Wahrung der Anonymität der Teilnehmer. Zur Sicherung des Datenschutzes wurden in der Umfrage keinerlei Hinweise auf die Identität gesichert. Das Beantworten von Fragen war freiwillig. Auf-

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Der Schmerz 2014

Häufigkeit [% (n)]   5 (14) 65 (178) 6 (16) 1 (3) 23 (62)   2 (6) 64 (174) 8 (23) 3 (9) 23 (61)   1 (3) 40 (109) 18 (50) 7 (18) 7 (20) 4 (10) 23 (63)

grund der Fragestruktur bestand für die Teilnehmer die Möglichkeit, Fragen zu überspringen oder auch Freitextkommentare zu verfassen. Insbesondere bei den Fragen zum persönlichen Umfeld der Teilnehmer am Ende der Umfrage ist deshalb die Antwortmöglichkeit „keine Angabe“ eingefügt worden. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Auswertung der Befragung auf der Basis aller vorliegenden Antworten. Die Auswertung erfolgte deskriptiv mittels SPSS 21. Kategoriale Größen werden als Häufigkeiten und Prozente angegeben, für stetige Variablen wurden der Median und die zugehörigen Quartilen oder der Mittelwert mit Standardabweichungen angegeben. Diese Studie wurde vom behördlichen Datenschutz sowie von der Ethikkommission der Charité genehmigt.

Ergebnisse Mit insgesamt 273 antwortenden Schmerztherapeuten erreichte die Umfrage eine Rücklaufquote von 54%. Bei 76% der Teilnehmenden (n=208/273) lagen vollständige Antwortsätze zu allen Fragen vor. Die Umfrage wurde in der

Mehrzahl von Anästhesisten beantwortet (59%, n=161), wobei Anästhesisten die weitaus größte Gruppe schmerztherapeutisch tätiger Ärzte repräsentieren. Weitere genannte Fachdisziplinen waren die Psychologie bzw. Psychosomatik (3%, n=8), Chirurgie und Orthopädie (2%, n=6) sowie Fachärzte der Neurologie, Innere Medizin und Physiotherapie. Insgesamt 60% (n=165) der Teilnehmer beschrieben ihr Tätigkeitsumfeld, 40% (n=108) machten hierzu keine Angabe. Demnach waren mit 34% (n=93) am häufigsten Teilnehmer aus städtischen Kliniken vertreten, 16% (n=44) befanden sich in Niederlassung und 10% (n=28) waren an einem universitären Klinikum tätig. Im Median behandelten die Befragten pro Jahr 600 ambulante Schmerzpatienten.

Anwendung und Verbreitung Von den befragten Schmerztherapeuten wandten 79% regionalanästhesiologische Verfahren an. Aus den in . Tab. 1 dargestellten Antworten wird jedoch deutlich, dass bei 1–25% der chronischen Schmerzpatienten ein rückenmarknahes bzw. peripheres regionalanästhesiologisches Verfahren durchgeführt wurde. Ein Drittel der Schmerztherapeuten führte pro Monat zwischen 25 und 150 periphere Nervenblockaden durch, etwa 4% mehr als 150 Blockaden. Als häufigste Lokalisation peripherer Nervenblockaden bestand dabei die Infiltration eines Nervenplexus der oberen oder unteren Extremität (63%, n=171), gefolgt von Ganglionstellatum-Blockaden (55%, n=151, Verteilungsspektrum peripherer Nervenblockaden; . Abb. 1). Als häufigste Indikation zu einer Regionalanästhesie gaben die Schmerztherapeuten die Konsultation von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen an. Die Verteilung des Indikationsspektrums ist in . Abb. 2 dargestellt. Demzufolge stellen neuropathische Schmerzen mit im Mittel 24% der Patienten die zweithäufigste Indikation dar.

Durchführung Als häufigste Substanzgruppe finden Lokalanästhetika (70%, n=192) und Opioide (45%, n=123) Anwendung im Rahmen

Zusammenfassung · Abstract Schmerz 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00482-014-1503-6 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg - all rights reserved 2014 S. Tafelski · T. Beutlhauser · E. Gouliou-Mayerhauser · T. Fritzsche · C. Denke · M. Schäfer

Praxis der regionalanästhesiologischen Behandlung chronischer Schmerzpatienten in der stationären und ambulanten Versorgung. Eine deutschlandweite Umfrage Zusammenfassung Hintergrund.  Die Prävalenz chronischer Schmerzen wird in Europa auf etwa 19% geschätzt und liegt für invalidisierende chronische Schmerzen bei etwa 7% der Bevölkerung in Deutschland. Die Versorgung dieser Patienten erfolgt in verschiedenen ambulanten und stationären Einrichtungen. Dabei werden interventionelle Verfahren zur Diagnostik bzw. Therapie spezifischer Krankheitsbilder angewendet. Über die momentane Versorgungssituation bezüglich regionalanästhesiologischer Interventionen sind keine aktuellen Daten für Deutschland verfügbar. Ziel der Arbeit.  Diese Erhebung soll die Anwendung und Durchführung regionalanästhesiologischer Verfahren im Rahmen der Schmerztherapie und die aktuelle Praxis von repetitiven Interventionsserien erfassen. Material und Methode.  Umfrage in einer deutschlandweiten Stichprobe von Schmerzzentren und Schmerztherapeuten. Die Rücklaufquote betrug 54%.

Ergebnisse.  Von 273 antwortenden Schmerztherapeuten wandten 79% regionalanästhesiologische Verfahren bei bis zu 25% ihrer chronischen Schmerzpatienten an. Neben Rückenschmerzen zählten neuropathische Schmerzen zu den häufigsten Indikationen. Zwei Drittel der Therapeuten führte Blockadeserien durch. Eine Schmerzreduktion von 30–50% wurde oft als hinreichendes Erfolgskriterium von Regionalanästhesien angegeben. Es profitierten etwa 40% der Patienten von einer Blockadeserie am ehesten für einen Zeitraum von 12 Wochen bis 6 Monaten. Diskussion.  Die vorliegende Umfrage bildet die aktuelle schmerztherapeutische Versorgungssituation mit regionalanästhesiologischen Verfahren in Deutschland ab. Dabei erschienen niedergelassene Therapeuten geringer und Anästhesiologen stärker repräsentiert. Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Evidenzsituation lassen sich keine klaren

Empfehlungen für die Versorgung von chronischen Schmerzpatienten ableiten. Insbesondere die Anwendung und Frequenz von Blockadeserien sowie die Kriterien, an denen die Indikation zu weiteren Punktionen gestellt werden sollte, sind nicht ausreichend untersucht. Aus der dargestellten Versorgungssituation lässt sich eine Überprüfung der aktuellen Praxis im Kontext multimodaler Therapie und existierender Leitlinien in weiteren notwendigen Studien ableiten. Schlüsselwörter Regionalanästhesie · Chronische Schmerzen · Interventionelle Schmerztherapie · Epidurale Injektionen · Schmerzambulanz

Practice of regional anesthesia for chronic pain patients in specialized pain services. A nationwide survey in Germany Abstract Background.  The prevalence of chronic pain has been estimated to be 19% in the European population and criteria for disabling chronic pain were found in approximately 7% of the German population. Clinical care for these patients is provided in ambulant and hospital-associated facilities. In this context, invasive interventions are part of the diagnosis and treatment of several specific diseases. Current data on the structure of clinical care based regional anesthesia for chronic pain patients in Germany are not available. Objective.  This study focused on the application and practice of interventional procedures in the context of pain management. Material and methods.  An internet-based survey addressing pain facilities and pain specialists in Germany was carried out. The response rate achieved 54%.

von rückenmarknahen Verfahren. Weiterhin nutzen 42% der Therapeuten Kortisonpräparate (n=116) und 16% Clonidin (n=44). Bei den peripheren Regionalanästhesien nutzen 72% (n=196) der Teilnehmer Lokalanästhetika, seltener Opiate (19%,

Results.  Overall 79% of the pain therapists who responded included regional anesthesia techniques in the therapeutic spectrum in up to 25% of patients. The leading indications for invasive procedures were back pain and neuropathic pain. Two thirds of the therapists reported performing a series of blocks. A reduction of pain intensity of 30–50% was often reported as a sufficient criterion for the success of regional anesthesia interventions. Typically, approximately 40% of the chronic pain patients undergoing a series of blocks achieved sufficient pain relief which lasted most commonly for 12 weeks up to 6 months. Conclusion.  This survey describes the current structures of specialized pain facilities for regional anesthesia in Germany including responses from predominantly anesthesiologists in a hospital-associated setting. In light

n=51), Kortisonpräparate (17%, n=47) oder Clonidin (11%, n=31). Die Wirkstoffe Ropivacain und Bupivacain werden unter den Lokalanästhetika sowohl für die rückenmarknahen Verfahren als auch für periphere Regionalverfahren am häufigsten genutzt. Im Rahmen der Anwendung

of the limited evidence in the literature there is no consensus on the interventional therapeutic management of chronic pain. Especially the application of a series of blocks and the frequency as well as criteria to support continuing or terminating a series of regional anesthesia interventions are not sufficiently evaluated. This survey also gives an incentive for a possible revision of the existing practice in regional anesthesia in the context of multimodal therapy and currently existing guidelines in future clinical studies. Keywords Regional anesthesia · Chronic pain · Interventional pain therapy · Epidural injection · Acute pain service

der Verfahren wird bei zwei Drittel der Patienten die Schmerzintensität gemessen. Zusätzlich erfolgt meist eine Dokumentation des Blutdrucks (65%) und ein pulsoxymetrisches (62%) sowie ggf. elektrokardiographisches (42%) Monitoring. Zur Anschlagszeit von Blockaden gaben Der Schmerz 2014 

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Originalien 0%

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

Ganglion stellatum Einzelnervblockade GLOA (Ganglionäre lokale Opioidanalgesie) TPI (Triggerpunktinfiltrationen) Paravertebralblockade Ganglion cervicale superius Ganglion pterygopalatinum weitere*

34% (n=94) der Therapeuten an, dass sie innerhalb einer postinterventionellen Beobachtungszeit von 15–30 min eine Wirksamkeit erwarteten. Eine etwas längere Latenz gaben 64% (n=175) der Befragten an und nannten hierfür ein Intervall von einer Stunde. Die Nutzung von Ultraschall zu Punktionen gaben insgesamt 47% der Befragten an (n=129).

von einer Blockadeserie. Kumulativ schätzen 55% der Befragten, dass das Schmerzerleben der Patienten i. d. R. um mehr als 30% der Schmerzskala nachlassen würde. Eine Schmerzlinderung bei den Patienten wird dabei aus der Erfahrung der Schmerztherapeuten heraus am ehesten für 12 Wochen bis 6 Monate erreicht (. Tab. 2).

Erfolg und Bewertungskriterien

Wiederholung regionalanästhesiologischer Verfahren

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Der Schmerz 2014

70 %

Abb. 1 9 Spektrum der regionalanästhesiologischen Verfahren. Die folgenden peripheren Nervenblockaden wurden von den Schmerztherapeuten durchgeführt (prozentualer Anteil aus 273 antwortenden Therapeuten, Mehrfachauswahl möglich). Weitere genannte Verfahren waren Infiltrationen der Nn. occipitales, Blockaden des thorakalen oder lumbalen Grenzstranges sowie Plexus coeliacus, von Interkostalnerven, der PsoasKompartment-Block oder 3-in-1-Blockaden, ferner Narbenunterspritzungen und CT-gestützte Verfahren einschließlich Neurolysen

Plexusblockaden

Zur Einschätzung des Behandlungserfolges durch regionalanästhesiologische Therapiemaßnahmen nutzten 53% (n=144) der befragten Schmerztherapeuten die numerische Analogskala, weitere 32% (n=86) die visuelle Analogskala. Insgesamt 46% (n=125) der Teilnehmer gaben an, die subjektive Einschätzung des Patienten zu nutzen und 38% (n=104) zogen Ergebnisse einer neurologischen Untersuchung hinzu. Eine Regionalanästhesie würden 34% (n=92) der Teilnehmer als erfolgreich bezeichnen, wenn eine Reduktion des Schmerzes von >50% erreicht worden ist. Eine Schmerzreduktion von 30–50% erachteten 27% (n=74) als hinreichendes Erfolgskriterium (. Abb. 3). Ausgehend von diesen Kriterien beantworteten die Teilnehmer dann, wie sich aus ihrer Einschätzung das Schmerzerleben der Patienten nach vollständiger Durchführung einer Blockadeserie verändert hat (. Tab. 2). Im Median 40% der Patienten profitierten demnach anhaltend

60 %

Insgesamt 66% (n=180) gaben an, dass sie zentrale oder periphere interventionelle Verfahren wiederholen würden. Am häufigsten wurden demnach GLOA, Ganglion-stellatum-Blockaden und Periduralanästhesien wiederholt; eine Aufschlüsselung nach Verfahren gibt . Tab. 3. Bei der Wiederholungsfrequenz ergibt sich hierbei ein heterogenes Bild. Nahezu 28% gaben an, dass sie 1–3 Wiederholungen durchführen, 15% präferierten dagegen 4–5 Blockaden. Zehn oder mehr Blockaden führten demnach 11% der Befragten durch. Im Freitextfeld wurden zudem patientenindividuelle Serien ohne festes Schema angegeben oder auch die Anwendung von Testblockaden zum Ausschluss von Placeboeffekten angesprochen. Auch der zeitliche Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Blockaden variierte erheblich. In der Mehrzahl wurden demnach die Patienten nach 3 bis 7 Tagen er-

neut punktiert. Gleichzeitig beschreiben die Freitextkommentare ebenfalls lokalisationsspezifische oder auch wirkungsadaptierte Verfahrensweisen mit bis zu 12 Wochen Latenz insbesondere bei zentralen Regionalverfahren. Die Berücksichtigung des patientenindividuellen Erfolges eines Regionalverfahrens in der Indikationsstellung zu einer Folgepunktion wurde dann in den folgenden Fragen thematisiert. Insgesamt 42% (n=115) der Therapeuten gaben an, dass sie sich auch bei einem Ausbleiben des Erfolges einer Blockade zu einer Fortsetzung der Regionalanästhesieserie entscheiden würden. Es würden 19% (n=53) noch eine weitere, 27% (n=74) zwei weitere und 13% (n=35) drei weitere Blockaden durchführen. Allerdings halten es nur 17% (n=47) der Befragten für erforderlich, in jedem Fall eine Serie von Blockaden durchzuführen. Dabei lassen die Befragten die subjektive Einschätzung des Patienten zum Erfolg von Blockadeserien teilweise mit einfließen. Eine differenzierte Beschreibung von klinischen Angaben von Patienten beantworteten 12% (n=32) der Therapeuten damit, eine Serie auch dann fortzusetzen, wenn der Patient aktuell eine anhaltend suffiziente Schmerzlinderung erfahren würde (. Tab. 4). Demgegenüber haben mehr als 30% der Teilnehmer die Erfahrung gemacht, dass sie eine Blockadeserie vorzeitig beenden konnten, da der Patient bereits zufrieden war.

somatoforme Schmerzen Kopfschmerz 4% 7% Gesichtsschmerz

Rückenschmerz 36 %

12 %

muskuloskelletale 17 % Schmerzen

24 %

19 % Tumorschmerz

neuropathischer Schmerz

Abb. 2 9 Spektrum der Indikationen zur Regionalanästhesie. Die Angaben repräsentieren den jeweiligen Anteil von Patienten als mittlere Verteilung über alle Befragten in der jeweiligen Kategorie (aufgrund von Mehrfachnennung und Rundung ergeben sich kumulativ mehr als 100%)

40 %

des Schmerzgedächtnisses chronischer Schmerzpatienten anzubieten.

Nebenwirkungen und Risiken

D Eine Wiederholung der Regional-

Bezüglich möglicher Komplikationen berichten 32% (n=87) der Befragten, dass es bei allen zurückliegenden Behandlungen zusammengenommen zu möglichen therapieassoziierten Nebenwirkungen gekommen ist. So gaben 10% (n=26) der Schmerztherapeuten an, dass es im Rahmen eines regionalanästhesiologischen Verfahrens jemals zu einer Intoxikation durch Lokalanästhetika gekommen war. Zu den häufigsten Komplikationen

Nach ihrer Einschätzung profitieren 40% der Patienten anhaltend von einer Serie von Blockaden für einen Zeitraum von am ehesten 12 Wochen bis 6 Monaten. Es ist wichtig hervorzuheben, dass diese Interventionen nicht isoliert stattfanden, sondern durch zusätzliche medikamentöse, psychotherapeutische und/oder physiotherapeutische Therapieverfahren

30 % 25 % 20 % 34 % 27 %

10 % 5% 0%

8% 1% 15 %ige Schmerzreduktion

30 %ige Schmerzreduktion

30-50 %ige Schmerzreduktion

>50 %ige Schmerzreduktion

Abb. 3 8 Kriterien zur Einschätzung des Erfolges von regionalanästhesiologischen Verfahren bei 273 Schmerztherapeuten: „In welchem Fall würden Sie die zentrale/periphere Regionalanästhesie als erfolgreich bezeichnen?“ Prozentualer Anteil aus 273 antwortenden Therapeuten (n=75 keine Antwort, n=8 mit Freitextkommentar, 30%)

Im Kontext wiederholter Interventionen maßen 46% (n=125) der Therapeuten dem Schmerzgedächtnis einen zumindest mittleren bis großen Stellenwert zu. Dabei gaben lediglich 4% (n=12) an, dass hierbei das Schmerzgedächtnis keinerlei Stellenwert hat. Neben der Anwendung von Regionalverfahren kamen Medikamente (34%, n=93), Psychotherapie (12%, n=32) und Physiotherapie (5%, n=14) sowie deren Kombinationen und ein mehrfach genannter multimodaler Therapieansatz zur Anwendung. Lediglich 2% (n=6) der befragten Therapeuten gaben an, nur eine der Therapiesäulen zur Beeinflussung

Diskussion Die vorliegende Umfrage gibt eine Momentaufnahme der aktuellen schmerztherapeutischen Versorgungssituation bezüglich regionalanästhesiologischer Verfahren in Deutschland wieder. Zum größten Teil beinhaltet das vorgehaltene Behandlungsangebot der befragten Ärzte regionalanästhesiologische Techniken mit peripheren und rückenmarknahen Verfahren. Hierfür kommen typischerweise Lokalanästhetika und seltener Opioide oder Kortisonpräparate zur Anwendung. Bei der Durchführung nutzen die meisten Befragten ein umfangreiches Monitoring, und ein nicht unerheblicher Anteil nutzte Ultraschall zur Punktion. Interessanterweise würde ein Drittel der Therapeuten eine relative Schmerzreduktion von mehr als 50% und ein Drittel der Therapeuten von zumindest 30–50% als hinreichenden Erfolg für eine Regionalanästhesie bezeichnen. Dieser Wert wird der subjektiven Einschätzung von 55% der Therapeuten folgend in der Regel auch bei den Patienten erreicht.

35 %

15 %

zählten demnach der postspinale Kopfschmerz, Blutungen sowie Infektionen (. Tab. 5). Seltene Antworten im Freitext der Frage bezogen sich auf das Auftreten von verlängerten oder ausgeprägten Blockbildern, u. a. im Kontext einer Sturzgefahr, 5 Fälle mit hoher Spinalanästhesie sowie vasovagale Reaktionen und Blutdruckreaktionen. Nervenverletzungen sind von 12 Schmerztherapeuten berichtet worden (4,4%). Hierbei handelte es sich um 9 passagere bis maximal 6 Monate anhaltende Störungen und in 3 Fällen um persistierende Neuropathien.

anästhesie würden 66% der Therapeuten in Betracht ziehen.

Der Schmerz 2014 

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Originalien Tab. 2  Erfahrung der Schmerztherapeuten zum Erfolg von regionalanästhetischen Verfah-

ren   Um wie viel Prozent vom Ausgangswert verändern sich die Schmerzen des Patienten, in etwa auf der VAS/NRS-Skala, nach der von Ihnen für notwendig erachteten Anzahl an Blockaden? Veränderung um 0–10% Veränderung um 11–20% Veränderung um 21–30% Veränderung um 31–40% Veränderung um 41–50% Veränderung um >50% Keine Antwort Wie lange hält Ihrer Erfahrung nach der schmerzlindernde Effekt einer Blockade-Serie nach der letzten Anwendung in etwa an? 1 Woche Bis 2 Wochen Bis 4 Wochen Bis 8 Wochen Bis 12 Wochen Bis 6 Monate Bis 12 Monate >12 Monate Keine Angabe

bzw. einem multimodalen Ansatz begleitet waren. Die Mehrheit der antwortenden Schmerztherapeuten (etwa 80%) wandten regionalanästhesiologische Verfahren an, jedoch bei weniger als 25% ihrer Patienten. Dies ist immer noch erstaunlich hoch in Anbetracht der Tatsache, dass aktuelle Leitlinien keine eindeutige Empfehlung für diese Verfahren aussprechen [4, 5, 7, 21]. Interessanterweise liegen vergleichbare Zahlen für die Befragung von Anästhesisten in Irland [1] und Kanada [24] im Rahmen der Behandlung chronischer Schmerzpatienten vor. Bis auf die retrospektive Analyse einer kleinen Stichprobe von Patienten [22] sind Daten zur Anwendung von regionalanästhesiologischen Verfahren bis vor kurzem in Deutschland nicht publiziert worden. Ganz neu erschienen ist eine onlinebasierte Umfrage zur interventionellen Schmerztherapie unter in Deutschland tätigen Ärzten mit der Zusatzbezeichnung „spezielle Schmerztherapie“, die eine Rücklaufquote von 23,5% erreichte. In dieser Arbeit evaluierten die Autoren detailliert die einzelnen Verfahrenstechniken, ihre Häufigkeit pro Quartal sowie ihre unterschiedliche Indikationsstellung [18]. In Überein-

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Häufigkeit [% (n)]  

0 (0) 1 (2) 10 (28) 19 (51) 14 (39) 22 (61) 34 (92)   1 (3) 7 (19) 7 (20) 9 (25) 17 (46) 15 (42) 6 (17) 1 (4) 36 (97)

stimmung mit unseren Ergebnissen wurden verschiedene interventionelle Verfahren von etwa 70–80% der befragten Ärzte durchgeführt. In der Mehrzahl der Fälle wurde als mögliche Indikation eine neuropathische Schmerzdiagnose genannt. Aus dieser Befragung lässt sich demgegenüber nicht ableiten, wie viel Prozent der Patienten keine interventionelle Therapie erhalten hatten und welche Kriterien für mögliche repetitive Interventionen herangezogen wurden. Während in den 1960er Jahren invasive Therapiemethoden eindeutig im Vordergrund standen, wird seit mehr als 10 Jahren große Zurückhaltung und eine äußerst kritische Indikationsstellung bezüglich ihrer Anwendung angeraten [12]. In der aktuellen Literatur zur Behandlung chronischer Rückenschmerzpatienten wird insbesondere die multimodale Therapie hervorgehoben, die den biopsychosozialen Faktoren ihrer Genese sehr viel mehr gerecht wird [8]. Es stehen lediglich für einige ausgewählte Indikationen Studienergebnisse zur Verfügung, um eine eingeschränkte Empfehlung zur Anwendung von regionalanästhesiologischen Verfahren aussprechen zu können. So empfiehlt die Leitlinie der American Society of Regional Anesthesia and

Pain Medicine 2010 insbesondere im Kontext multimodaler Therapiekonzepte Blockaden in einigen spezifischen Fällen und diskutiert ausführlich die eingeschränkte Datenlage. Beispielsweise werden Plexuscoeliacus-Blockaden bei Patienten mit chronischer Pankreatitis, Ganglion-stellatum-Blockaden bei Patienten mit M. Sudeck oder lokalanästhetische Blockaden auch bei Patienten mit spezifischem sakroiliakalem Schmerz genannt, die über einen begrenzten Zeitraum von Interventionen profitieren könnten [2]. Auf der anderen Seite steht für Deutschland die Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz zur Verfügung, in der ebenfalls mit Verweis auf widersprüchliche Daten und dem heterogenen Patientenkollektiv in den eingeschlossenen Studien keine Empfehlung zu interventionellen Therapien ausgesprochen wird [7]. Ein interessantes Ergebnis dieser Umfrage ist auch, dass 66% der befragten Schmerztherapeuten regionalanästhesiologische Verfahren wiederholen würden. In der Befragung zeigt sich hier jedoch eine ausgesprochene Diversität in der Frequenz und Applikationsdichte. So führt ein Teil der Therapeuten eher feste Applikationsfolgen, wie 3, 6 oder auch 10 Blockaden als Serie durch, während ein anderer Teil eher ein kontextsensitives Vorgehen präferiert. Hierzu wird der Blockadeerfolg jeweils nach einer Applikation evaluiert, und dann das weitere Blockadeschema individuell an den Patienten adaptiert. Immerhin 42% der Befragten gaben an, eine nicht erfolgreiche Blockade zu wiederholen. Auf der anderen Seite führte eine erfolgreiche Serie an Blockaden nicht selten dazu, dass eine geplante Serie vorzeitig beendet wurde. Die Studienlage ist in diesem Zusammenhang ausgesprochen uneinheitlich. Bereits in den 1970er Jahren wurde die Frage nach Wiederholungen von periduralen Injektionen thematisiert [11]. Bei einer nicht oder nur teilweise erfolgreichen periduralen Applikation wurde eine zweite Wiederholung empfohlen, jedoch von weiteren abgeraten. In den 1990er Jahren enthielten eine Reihe von Studienprotokollen mit dem Verweis auf die jeweilige klinische Versorgungspraxis 2 bis 3 repetitive Injektionen im Intervall von 1 bis 2 Wochen [9]. Zur Anzahl und Frequenz von

Tab. 3  Wiederholung und Frequenz von Regionalverfahren   Bei welchen der folgenden Verfahren werden Wiederholungen durchgeführt? (Mehrfachantworten möglich) GLOA (ganglionäre lokale Opioidanalgesie) Ganglion-stellatum-Blockade Periduralanästhesie Plexusblockaden TPI (Triggerpunktinfiltrationen) Paravertebralblockade Ganglion-cervicale-superius-Blockade Ganglion-pterygopalatinum-Blockade Spinalanästhesie Keine Angabe Bei wiederholter Durchführung – wie viele werden hintereinander durchgeführt? 1–3 4–5 6–9 10 >10 Andere Keine Angabe In welchem Zeitabstand in Tagen werden die Wiederholungen in etwa durchgeführt? 1 2 3 7 Andere Keine Angabe Nach wie vielen „erfolgreichen“ Blockaden führen Sie keine weiteren Wiederholungen durch? 1 2 3 4 5 >6 Keine Angabe

Häufigkeit [% (n)]   48 (131) 47 (127) 46 (126) 39 (107) 36 (98) 33 (91) 31 (85) 22 (59) 9 (24) 34 (93)   28 (76) 15 (40) 8 (21) 8 (22) 3 (8) 4 (11) 34 (95)   1 (4) 9 (25) 22 (60) 19 (53) 12 (34) 36 (97)   3 (9) 6 (16) 19 (53) 4 (10) 14 (39) 20(54) 34 (92)

Tab. 4  Kriterien für die Wiederholung einer Regionalanästhesie   Bitte geben Sie an, in welchen Situationen Sie eine Wiederholung einer Regionalanästhesie durchführen? (Mehrfachauswahl möglich) Der Patient berichtet, dass er bei der letzten Blockade eine Schmerzlinderung erfahren hat, diese jedoch mittlerweile nicht mehr vorhanden ist Der Patient berichtet, dass er bei der letzten Blockade eine Schmerzlinderung erfahren hat, diese jedoch mittlerweile in der Intensität nachgelassen hat Der Patient berichtet, dass er bei der letzten Blockade eine Schmerzlinderung erfahren hat, welche bis zum jetzigen Zeitpunkt andauert Der Patient berichtet, dass er seit der letzten Blockade bisher keine Schmerzlinderung erfahren hat Keine Antwort

Häufigkeit [% (n)]   52 (141) 57 (155) 12 (32) 18 (48) 37 (93)

periduralen Injektionen konnte dabei jedoch nicht auf eine Studiengrundlage verwiesen werden, vielmehr orientierten sich Studienprotokolle an der klinischen Praxis [23]. Daten aus einigen Studien lassen jedoch auf die Wirksamkeit einer repetitiven Injektion schließen. So zeigten Studien zur Herpes-zoster-assoziierten Neuralgie, dass bereits die einmalige peridurale Injektion eine mäßige Schmerzreduktion erreicht [31], jedoch eine wiederholte Injektion zu einer ausgeprägteren Schmerzreduktion zu führen scheint [15]. In einer weiteren prospektiven Studie zu Patienten mit chronischem Rückenschmerz untersuchten Lierz et al. [19] das Ausmaß der Schmerzreduktion nach periduraler Gabe von Bupivacain 0,125% bzw. Ropivacain 0,2% in einer Serie aus 8 Blockaden im Abstand von je 2 bis 3 Tagen. Zudem erhielten die Patienten TENS und intensive Physiotherapie. Beide Medikamente zeigten einen deutlichen analgetischen Effekt mit einer mittleren Reduktion der VAS-Werte von knapp 4,5 von 10 Punkten nach der ersten Blockade. Bei jeder weiteren Blockade nahm diese Schmerzreduktion sukzessive ab, die 6. und 7. Punktion erreichte nur noch eine Schmerzreduktion von im Mittel knapp 2 VAS-Punkten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zur Anzahl und Frequenz von regionalanästhesiologischen Blockaden bei definierten Krankheitsbildern zum aktuellen Zeitpunkt keine aus der Literatur abzuleitenden Empfehlungen gegeben werden kann [28]. Basierend auf 18 randomisierten, kontrollierten Studien kommen die Cochrane-Autoren in einer systematischen Literaturübersicht zu dem Schluss, dass es trotz bisher ungenügender Evidenz nicht ausgeschlossen werden kann, dass bestimmte Patientengruppen von einer Injektionstherapie profitieren könnten [28]. Berücksichtigt werden sollte auch, dass insbesondere bei Patienten mit einer lang zurückreichenden Schmerzchronifizierung Injektionstechniken und v. a. Blockadeserien keinen Benefit zeigen, sondern im Gegenteil notwendige nichtinvasive Maßnahmen verzögern und dadurch eine signifikante Zunahme zusätzlicher Schmerzmittel sowie negativer psychosozialer Entwicklungen bewirken können [22]. Der Schmerz 2014 

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Originalien Tab. 5  Komplikationen im Rahmen von Regionalanästhesien   Welche Komplikationen sind bisher nach einer Blockade aufgetreten? Nervenverletzung Blutung Allergische Reaktion Pneumothorax Verletzung von Organen Infektion Postspinaler Kopfschmerz Gastrointestinale Beschwerden

In der aktuellen Umfrage wurde auch deutlich, dass für die Therapie der Patienten für fast die Hälfte der Therapeuten dem Schmerzgedächtnis eine zumindest mittlere bis große Rolle zugeschrieben wird. Im Verständnis der Mechanismen der Schmerzchronifizierung sind inzwischen eine Reihe von pathophysiologischen Konzepten erarbeitet, die den Unterschied zwischen akutem und chronischem Schmerz dokumentieren [25]. Im Mittelpunkt von Forschungsbemühungen steht dabei insbesondere, mit welchen therapeutischen Angriffspunkten die neuronale Plastizität des nozizeptiven Systems beeinflusst werden kann, um perspektivisch die Konsolidierung von chronischem Schmerz zu verhindern. In der Analyse von Erfahrungen zur Sicherheit von Interventionen zeigen die Angaben zu Erfahrungen mit spezifischen Komplikationen über den gesamten überblickten Tätigkeitszeitraum die in der Literatur klassischerweise beschriebenen Risiken. Gleichzeitig sind persistente Gesundheitsschäden insgesamt sehr selten.

Limitationen Die vorliegende Umfrage erreichte eine zufriedenstellende Rücklaufquote von 54%. In der Literatur wurden für OnlineUmfragen Rücklaufquoten von 25–47% angegeben [27], insbesondere in einem systematischen Review zu Umfragen in medizinischen Fachzeitschriften konnten Asch et al. [3] einen mittleren Rücklauf von ebenfalls 54% aufzeigen. Demgegenüber lässt sich im Rahmen dieser Umfrage nicht bestimmen, inwiefern die Charakteristika der erhobenen Stichprobe von der Zielpopulation differieren, da eine

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Häufigkeit [% (n)]   4 (12) 10 (28) 7 (20) 5 (15) 0 (0) 8 (21) 13 (35) 2 (5)

Analyse von Non-Respondern aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich ist. Insgesamt erscheint der Rücklauf von niedergelassenen Schmerztherapeuten geringer zu sein als von Schmerzambulanzen an städtischen oder universitären Kliniken. Vor diesem Hintergrund ist die Repräsentativität eingeschränkt. In der Auswertung wurden insbesondere die Antworten von Schmerztherapeuten mit anästhesiologischem Hintergrund erfasst. Hier könnte auch die Struktur der Umfrage mit spezifisch regionalanästhesiologischer Ausrichtung eine Rolle spielen, welche insbesondere Anästhesisten anspricht. Des Weiteren sind in dieser Umfrage keine patientenindividuellen Informationen zum Kontext, der Indikation und dem Umfeld von Interventionen erhoben worden. Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Evidenzlage bezüglich der Anwendung interventioneller Verfahren zur Therapie von spezifischen Krankheitsbildern ist die Erstellung von Leitlinien zu diesen Krankheitsbildern schwierig. Hierzu führt beispielsweise die Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz mit Verweis auf die Übersichtsarbeit von Staal et al. [28] aus: „Die Heterogenität des Patientengutes, die geringe Fallzahl einzelner Studien, die häufig fehlende Unterscheidung in spezifische und nichtspezifische Ursachen und die uneinheitliche Anwendung von Kointerventionen verschleiern die Möglichkeiten, spezielle Untergruppen zu erkennen, die evtl. von einem perkutanen Verfahren profitieren könnten“ [7].

Fazit für die Praxis F Die Anwendung regionalanästhesiologischer Methoden ist unter deutschen Schmerztherapeuten eine etablierte therapeutische Option. F Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Evidenzsituation bestehen keine klaren Indikationen bezüglich spezifischer Krankheitsbilder. F Auch besteht Unsicherheit bezüglich der zu favorisierenden Auswahl verwendeter Substanzen, der Anwendung von Serien und deren Umfang sowie der Kriterien, an denen die Indikation zu weiteren Punktionen gestellt werden kann. F Dies wird in der unterschiedlich gelebten Praxis der regionalanästhesiologischen Versorgung deutlich. F Insgesamt sollte die Indikation für eine regionalanästhesiologische Intervention äußerst kritisch gestellt werden und sich als zeitlich begrenzte Maßnahme in das multimodale Therapiekonzept von chronischen Schmerzpatienten einfügen, um dem biopsychosozialen Prozess einer Chronifizierung von Schmerzen gerecht zu werden.

Korrespondenzadresse Dr. S. Tafelski Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin [email protected]

Danksagung.  Für die technische Unterstützung bei dieser Erhebung möchten die Autoren Dr. Felix Balzer herzlich danken. Interessenkonflikt.  S. Tafelski, T. Beutlhauser, E. Gouliou-Mayerhauser, T. Fritzsche, C. Denke und M. Schäfer geben an, dass zum spezifischen Gegenstand der hier vorliegenden Untersuchung kein Interessenskonflikt besteht. Unabhängig von diesem Projekt erhielt S. Tafelski Honorare von Pfizer GmbH und Roche GmbH und M. Schäfer von Grünenthal, Develco und Teva.

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[Practice of regional anesthesia for chronic pain patients in specialized pain services : A nationwide survey in Germany].

The prevalence of chronic pain has been estimated to be 19% in the European population and criteria for disabling chronic pain were found in approxima...
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