40 Originalarbeit

Strukturen und Praxis der psychologischen Abteilungen in der onkologischen und diabetologischen Rehabilitation: Ergebnisse einer bundesweiten Befragung1 Autoren

C. Reese1, P. Hübner2, F. Petrak3, D. Schmucker4, J. Weis5, O. Mittag1

Institute

Die Institutsangaben sind am Ende des Beitrags gelistet

Schlüsselwörter ▶ Strukturqualität ● ▶ psychologische ● ­Interventionen ▶ Rehabilitation ● ▶ Onkologie ● ▶ Typ-2-Diabetes ● Key words ▶ structural quality ● ▶ psychological interventions ● ▶ rehabilitation ● ▶ oncology ● ▶ type 2 diabetes ●

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0042-100225 Rehabilitation 2016; 55: 40–47 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0034-3536 Korrespondenzadresse Dr. Christina Reese Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin Universitätsklinikum Freiburg Engelbergerstraße 21 79106 Freiburg christina.reese@uniklinik-­ freiburg.de

Zusammenfassung

Abstract

Ziel der Studie:  Es sollten die strukturellen Voraussetzungen und die zentralen Inhalte der psychologischen Tätigkeit in onkologischen Re­ habilitationseinrichtungen sowie in Rehabilita­ tionseinrichtungen, in denen Rehabilitanden mit der Hauptdiagnose Typ-2-Diabetes behandelt werden, erfasst und dargestellt werden. Methodik:  Wir befragten bundesweit die psy­ chologischen Abteilungen in Rehabilitationsein­ richtungen, die über die Hauptindikationen On­ kologie und Typ-2-Diabetes verfügen. Ergebnisse:  71 (von insgesamt 145) Einrich­ tungen mit onkologischen Rehabilitanden und 21 (von insgesamt 63) Einrichtungen mit Reha­ bilitanden mit Typ-2-Diabetes beteiligten sich an der Befragung. Das Stellenverhältnis in den Ein­ richtungen liegt in beiden Indikationsbereichen durchschnittlich bei rund 1,1 Psychologen pro 100 Rehabilitanden. Allerdings existieren hier teilweise beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Einrichtungen (in onkologischen Einrichtungen: Standardabweichung (SD) = 0,52; in diabetologischen Einrichtungen: SD  =  0,35). Außerdem zeigt sich innerhalb der Indikations­ bereiche eine große Heterogenität bezüglich der prozentualen Anteile von Rehabilitanden, die an bestimmten psychologischen Interventionen teilnehmen, sowie im Hinblick darauf, wie die psychologischen Abteilungen ihre Arbeitszeit aufteilen. Schlussfolgerung:  Die strukturellen Rahmen­ bedingungen der psychologischen Abteilungen in der Rehabilitation bei onkologischen Erkran­ kungen und bei Typ-2-Diabetes (insbesondere das oft niedrige Stellenverhältnis) können teil­ weise als unzureichend angesehen werden. Die Heterogenität bezüglich der strukturellen Rah­

Objective:  To study the structural frame condi­ tions and the contents of psychological activity in oncological rehabilitation as well as in rehabi­ litation of patients with type 2 diabetes. Methods:  We conducted a nationwide survey of psychological services in rehabilitation faci­ lities treating oncological patients and patients with type 2 diabetes. Results:  71 (of 145) oncological and 21 (of 63) diabetological rehabilitation facilities partici­ pated in the survey. In both indication areas an average of 1.1 psychologists is in charge of 100 patients. Between some rehabilitation facilities, however, there are considerable differences con­ cerning the psychologist/patient ratio (in oncolo­ gical rehabilitation facilities: standard deviation (SD) = 0.52; in diabetological rehabilitation facili­ ties: SD = 0.35). Moreover, there is large hetero­ geneity among rehabilitation facilities as to the percentages of patients obtaining psychological interventions and the way in which psychologi­ cal services allocate their working time. Conclusion:  The general set-up of psychologi­ cal services in oncological and diabetological re­ habilitation facilities (especially the low psycho­ logist/patient ratio in many facilities) can partly be considered insufficient. The heterogeneity with respect to the structural frame conditions and practice of psychological services reveals the low degree of standardization of psychological activity in both indication areas.



1

 Teile der Arbeit wurden im Rahmen von 2 Vorträgen auf dem 24. Rehabilitationswissenschaftlichen Kollo­ quium der Deutschen Rentenversicherung vom 16. bis 18.3.2015 in Augsburg vorgestellt.

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Structures and Practice of Psychological Services in Oncological and Diabetological Rehabilitation: Results of a Nationwide Survey

menbedingungen und der Praxis der psychologischen Abteilun­ gen weist darauf hin, dass die psychologische Tätigkeit in den beiden Indikationsbereichen bisher nur wenig standardisiert ist.

Einleitung



Psychologische Interventionen sind ein wesentlicher Bestandteil der Rehabilitation bei somatischen Erkrankungen. Trotzdem sind Aufgaben wie psychologische Diagnostik, Indikationsstel­ lung für psychologische Interventionen sowie ihre Durchfüh­ rung dort bislang nur wenig standardisiert. Dies liegt nicht zu­ letzt daran, dass die vorliegenden Leitlinien [1–3] unter den ge­ gebenen strukturellen Rahmenbedingungen der Rehabilitation oft nicht oder nur teilweise umsetzbar sind. Und die Reha-The­ rapiestandards der Deutschen Rentenversicherung [4, 5] sind nicht dafür konzipiert, psychologisches Handeln im Einzelfall zu leiten. Dieses waren die Ausgangspunkte für ein Projekt, in dem Praxis­ empfehlungen für psychologische Interventionen in der Rehabi­ litation für die Indikationsbereiche Onkologie (mit Fokus auf den 3 Erkrankungen Mamma-, Prostata- und Kolonkarzinom) und Typ-2-Diabetes entwickelt werden sollen (Förderung: Deut­ sche Rentenversicherung Bund).2 Die Indikationsbereiche wur­ den für das Projekt ausgewählt, weil es sich dabei um wichtige Indikationen in der medizinischen Rehabilitation handelt [6], bei denen von einem hohen Bedarf an psychologischen Inter­ ventionen auszugehen ist. Bedeutsame Zielsetzungen psycholo­ gischer Interventionen in der Behandlung von Rehabilitanden mit Typ-2-Diabetes bestehen darin, Veränderungen bezüglich des Bewegungs- und Ernährungsverhaltens zu unterstützen, die Akzeptanz der Erkrankung und ihrer Auswirkungen zu fördern sowie die Kompetenz der Rehabilitanden im Umgang mit der Er­ krankung zu steigern (Selbstmanagement) [1, 2]. Bei onkologi­ schen Erkrankungen geht es im Rahmen psychologischer Inter­ ventionen darum, die Rehabilitanden bei der Bewältigung der Erkrankung und ihrer Folgen sowie der Bewältigung von sub­ syndromaler Belastung, Angst und Depression zu unterstützen [3]. Da etwa jeder fünfte Rehabilitand in der somatischen Reha­ bilitation die Kriterien für mindestens eine psychische Störung erfüllt (4-Wochen-Prävalenz) [7], ist es darüber hinaus in allen Indikationsbereichen der somatischen Rehabilitation wichtig, dass psychische Komorbidität fachgerecht diagnostiziert wird, damit eine evidenzbasierte Behandlung eingeleitet werden kann. Ziel des Projektes „Praxisempfehlungen“ ist es, möglichst kon­ krete Empfehlungen für psychologisches Handeln in der Rehabi­ litation zur Verfügung zu stellen. Die Empfehlungen sollen auf der besten verfügbaren Evidenz beruhen, möglichst breit kon­ sentiert sein (durch Wissenschaftler, Kliniker und Rehabilitan­ den) und unter den gegebenen strukturellen Rahmenbedingun­ gen in der Rehabilitation umsetzbar sein. Um Empfehlungen formulieren zu können, die innerhalb des ge­ gebenen Reha-Settings umsetzbar sind, ist ein differenzierter Überblick über die derzeitigen strukturellen Rahmenbedingun­ gen und die Praxis der psychologischen Abteilungen in rehabili­ tativen Einrichtungen erforderlich. Allerdings lagen für die Indi­ kationsbereiche Onkologie und Typ-2-Diabetes bislang keine 2

 Parallel werden außerdem Praxisempfehlungen für den Indikationsbereich Schlaganfall entwickelt (Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund); dieser Teil des Projekts ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beitrags.

detaillierten Daten hierzu vor. Daher führten wir eine Befragung der psychologischen Abteilungen durch mit dem Ziel, die Struk­ turen und die Praxis der psychologischen Tätigkeit in der Reha­ bilitation bei onkologischen Erkrankungen (Mamma-, Prostataund Kolonkarzinom) sowie bei Typ-2-Diabetes ausführlich zu beschreiben. Besonders relevant für das Projekt sind Informatio­ nen über das Stellenverhältnis in den psychologischen Abteilun­ gen, die Indikationsstellung bzw. die Zugangswege zu psycholo­ gischen Interventionen, die Aufteilung der Arbeitszeit in den psychologischen Abteilungen, das Angebot psychologischer Ein­ zel- und Gruppeninterventionen sowie die Verteilung der Reha­ bilitanden auf diese Angebote. Eine vergleichbare Befragung wurde bereits im Rahmen eines Vorgängerprojekts für die Indikationsbereiche chronischer Rü­ ckenschmerz und koronare Herzerkrankung durchgeführt [8, 9]; außerdem erfolgte parallel zu der hier beschriebenen Erhebung eine Befragung der psychologischen Abteilungen in der neurolo­ gischen Rehabilitation [10].

Methoden



Zur Erhebung von Struktur- und Prozessdaten der psychologi­ schen Abteilungen in der onkologischen und diabetologischen Rehabilitation erstellten die Autoren des vorliegenden Beitrags in Anlehnung an die in einem Vorgängerprojekt eingesetzten In­ strumente [8, 9] jeweils einen Fragebogen für den Indikationsbe­ reich Onkologie und einen Fragebogen für den Indikationsbe­ reich Typ-2-Diabetes.3 Die klinische Expertise der Autoren sowie eine systematische Literaturrecherche nach indikationsspezifi­ schen Reviews und Leitlinien ermöglichten die Berücksichti­ gung von Besonderheiten der onkologischen und diabetologi­ schen Rehabilitation in den Fragebögen. Die Instrumente um­ fassten 45 Fragen (Onkologie) bzw. 43 Fragen (Typ-2-Diabetes), die sich auf die strukturellen Rahmenbedingungen und die Pra­ xis der psychologischen Tätigkeit beziehen. Im Frühjahr 2014 wurden auf der Basis der nachfolgend genann­ ten Verzeichnisse die psychologischen Abteilungen aller statio­ nären und ambulanten Rehabilitationseinrichtungen befragt, in denen onkologische Rehabilitanden mit bzw. nach Mamma-, Prostata- oder Kolonkarzinom oder Rehabilitanden mit der Hauptdiagnose Typ-2-Diabetes behandelt werden. Die Adressen der Einrichtungen wurden dem „Verzeichnis der Krankenhäuser und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen in Deutsch­ land“ [11], dem Online-Rehastätten-Verzeichnis der Bundesar­ beitsgemeinschaft für Rehabilitation [12] und (für die Indikation Typ-2-Diabetes) dem Online-Verzeichnis der von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zertifizierten Kliniken [13] ent­ nommen. Nach einem Monat wurde ein Erinnerungsschreiben an alle psychologischen Abteilungen versendet, die sich bis da­ hin noch nicht beteiligt hatten. Die deskriptive Auswertung wurde mit der Statistik-Software „IBM SPSS Statistics 22®“ durchgeführt, die grafische Darstellung der Ergebnisse erfolgte sowohl mit „IBM SPSS Statistics 22®“ als auch mit dem Tabellenkalkulationsprogramm „Microsoft® Excel 2010“.

3

  Die Fragebögen sind bei der Erstautorin erhältlich oder können auf der Website des Instituts für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin der Uniklinik Freiburg abgerufen werden (www.aqms.de). Reese C et al. Strukturen und Praxis der …  Rehabilitation 2016; 55: 40–47

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Originalarbeit 41

42 Originalarbeit

Onkologie

M

SD

Range

n

Anzahl stationäre Betten + ambulante Plätze für alle in der Einrichtung behandelten Indikationen Anzahl stationäre Betten + ambulante Plätze für onkologische Rehabilitanden Prozentsatz der onkologischen Rehabilitanden…   mit erstmaliger onkologischer Erkrankung   zur AHB   mit bzw. nach Mammakarzinom   mit bzw. nach Prostatakarzinom   mit bzw. nach Kolonkarzinom Prozentsatz der Psychologen mit…  Approbation   M.Sc. in Psychologie/Diplom in Psychologie   B.Sc. in Psychologie   sonstigem Abschluss (z. B. M.Sc. oder Diplom in Reha-Psychologie)

226,7 106,8

97,7 67,7

46–545 1–320

69 62

72,1 61,5 32,3 15,4 15,3

18,2 23,9 24,9 18,1 17,3

15–100 0–95 0–96 0–80 0–80

56 63 64 66 68

31,0 62,7 1,5 4,8

28,9 30,7 6,4 12,9

0–100 0–100 0–33 0–50

70 70 70 70

Typ-2-Diabetes

M

SD

Range

n

Anzahl stationäre Betten + ambulante Plätze für alle in der Einrichtung behandelten Indikationen Anzahl stationäre Betten + ambulante Plätze für Rehabilitanden mit der Hauptindikation Typ-2-Diabetes Prozentsatz der Rehabilitanden mit Typ-2-Diabetes und…  Insulintherapie   Folgeerkrankungen des Diabetes Prozentsatz der Psychologen mit…  Approbation   M.Sc. in Psychologie/Diplom in Psychologie   B.Sc. in Psychologie   sonstigem Abschluss (z. B. M.Sc. oder Diplom in Reha-Psychologie)

207,4 44,6

50,1 43,5

112–327 2–190

21 17

40,5 46,8

24,6 28,7

5–90 0–90

17 17

26,6 73,4 – –

26,3 26,3 – –

0–80 20–100 – –

19 19 19 19

Ergebnisse Grundgesamtheit

Es wurden insgesamt 248 Fragebögen an die psychologischen Abteilungen der Reha-Einrichtungen versandt (168 onkologi­ sche Einrichtungen und 80 Einrichtungen mit dem Indikations­ bereich Diabetes). Die Grundgesamtheit der Einrichtungen hat sich im Laufe der Erhebung auf 208 Einrichtungen reduziert (aus verschiedenen Gründen wie Schließung der Einrichtung oder keine Behandlung von Rehabilitanden in den abgefragten Haupt­ indikationen). Es verblieben 145 Einrichtungen mit den Haupt­ indikationen Mamma-, Prostata- oder Kolonkarzinom und 63 Einrichtungen mit der Hauptindikation Typ-2-Diabetes. Im Be­ reich Onkologie beteiligten sich 71 psychologische Abteilungen (entspricht 49 %) an der Befragung, und im Diabetes-Bereich nahmen 21 psychologische Abteilungen (entspricht 33 %) teil.

Beschreibung der Einrichtungen und Spezifika der Rehabilitanden

Um einen Überblick über die Größe der befragten Einrichtungen zu erhalten, wurde nach der Gesamtzahl der stationären Betten bzw. der ambulanten Therapieplätze gefragt. Diese Gesamtzahl bezog sich auf alle Indikationen, die in der Einrichtung behandelt werden. Darüber hinaus wurde spezifisch nach der Anzahl der Betten bzw. Therapieplätze für onkologische Rehabilitanden oder für Rehabilitanden mit der Hauptdiagnose Typ-2-Diabetes gefragt. Während sich die Gesamtgröße der Einrichtungen, die für den Indikationsbereich Onkologie befragt wurden, nur unwesentlich von der Größe der Einrichtungen aus dem Indikationsbereich Typ-2-Diabetes unterscheidet, ist der prozentuale Anteil der on­ kologischen Rehabilitanden in den Einrichtungen mit knapp 50 % wesentlich höher als der Anteil der Rehabilitanden mit der ▶  Tab. 1; Hauptdiagnose Typ-2-Diabetes (durchschnittlich 22 %) ( ● für den Diabetes-Bereich s. außerdem ●  ▶  Abb. 1). Es fällt auf, dass Reese C et al. Strukturen und Praxis der …  Rehabilitation 2016; 55: 40–47

350 Anzahl der stationären Betten und ambulanten Plätze



300 250

M = 207,4

200 150 100 50 0

M = 44,6

diabetologische Einrichtungen Stationäre Betten und ambulante Plätze insgesamt Stationäre Betten und ambulante Plätze für Rehabilitanden mit Typ-2-Diabetes

Abb. 1  Größe der diabetologischen Einrichtung insgesamt und Anteil der Betten/ambulanten Plätze für Rehabilitanden mit der Hauptdiagnose Typ-2-Diabetes (n = 17; keine Angaben: n = 4).

beim Großteil der Einrichtungen mit einem Diabetes-Bereich nur wenige Betten bzw. Therapieplätze für Rehabilitanden mit ▶  Abb. 1). der Hauptdiagnose Typ-2-Diabetes vorgesehen sind ( ● Verschiedene Spezifika der onkologischen und diabetologischen Rehabilitanden in den Einrichtungen sind im Überblick in ●  ▶  Tab. 1 dargestellt. Bei fast drei Viertel der Rehabilitanden in der onko­ logischen Rehabilitation liegt eine Ersterkrankung vor, und bei rund 60 % der onkologischen Rehabilitanden wird eine An­ schlussrehabilitation (AHB) durchgeführt. Bei rund einem Drit­ tel der onkologischen Rehabilitanden handelt es sich um Patient­ innen mit bzw. nach Mamma-Karzinom, und bei jeweils 15 % der onkologischen Rehabilitanden liegen ein Prostatakarzinom oder ein Kolonkarzinom vor.

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Tab. 1  Größe der Einrichtungen, Spezifika der Rehabilitanden und Qualifikation der Psychologen in den Einrichtungen.

Originalarbeit 43

Onkologie

Typ-2-Diabetes

Stationäre und ambulante Versorgung

n

(%)

n

gültige Grundgesamtheit

(n = 70; n = 1: k. A.)

ausschließlich stationäre Rehabilitation stationäre und ambulante Rehabilitation ausschließlich ambulante Rehabilitation

42 25 3

(60,0 %) (35,7 %) (4,3 %)

Träger der Einrichtung

n

(%)

gültige Grundgesamtheit

(n = 68; n = 3: k. A.)

Deutsche Rentenversicherung Bund Deutsche Rentenversicherung regional gesetzliche Krankenkasse kommunaler Klinikträger privater Klinikträger Sonstige (z. B. gemeinnützige Träger oder sonstige Rentenversicherungsträger)

8 6 0 3 47 4

(%)

(n = 21) 14 7 0

Tab. 2  Stationäre und ambulante Versorgung, Träger der Einrichtungen.

(66,7 %) (33,3 %) (0,0 %)

n

(%)

(11,8 %) (8,8 %) (0,0 %) (4,4 %) (69,1 %) (5,9 %)

3 8 1 1 8 0

(14,3 %) (38,1 %) (4,8 %) (4,8 %) (38,1 %) (0,0 %)

Rund 40 % der Rehabilitanden mit der Hauptdiagnose Typ-2-Dia­ betes führen eine Insulintherapie durch, und knapp die Hälfte der Rehabilitanden leidet unter Folgeerkrankungen des Diabetes. Rund zwei Drittel der Einrichtungen führen ausschließlich sta­ tionäre Rehabilitationsbehandlungen durch, in einem weiteren Drittel der Einrichtungen wird zusätzlich zur stationären Reha­ ▶  Tab. 2). bilitation auch ambulante Rehabilitation angeboten ( ● Lediglich 3 der onkologischen Einrichtungen gaben an, dass sie ausschließlich ambulante Rehabilitation durchführen. 69 % der onkologischen und 38 % der diabetologischen Einrichtungen be­ finden sich in privater Trägerschaft, und 21 % der onkologischen sowie 52 % der diabetologischen Einrichtungen sind in Träger­ schaft der Deutschen Rentenversicherung (Bund oder regional).

Psychologenstellen auf 100 Rehabilitanden (indikationsübergreifend)

k. A. = keine Angaben

3 2,5 n = 64 Keine Angaben: 7 M: 1,14 SD: 0,52 Median: 1,07 Range: 0,23 – 2,62

2 1,5

M = 1,14

1 0,5 0

onkologische Einrichtungen

Abb. 2  Stellenverhältnis der Psychologen in onkologischen Einrichtungen.

Das durchschnittliche Stellenverhältnis in den onkologischen Einrichtungen beträgt 1,14 Psychologen pro 100 Rehabilitanden bezogen auf die gesamte Einrichtung, wobei in vielen Einrich­ tungen neben der Onkologie noch weitere Indikationsbereiche existieren. Allerdings gibt es bezüglich des Stellenverhältnisses teilweise große Unterschiede zwischen den Einrichtungen ▶  Abb. 2). In den diabetologischen Einrichtungen liegt das ( ● durchschnittliche Stellenverhältnis bei 1,08 Psychologen pro 100 Rehabilitanden in Bezug auf die gesamte Einrichtung, wobei es auch hier in aller Regel neben dem Diabetes-Bereich noch ▶  Abb. 3). weitere Indikationsbereiche gibt ( ● Darüber hinaus wurde auch das indikationsspezifische Stellen­ verhältnis erhoben, d. h. die Anzahl der Psychologen pro 100 on­ kologische Rehabilitanden sowie pro 100 Rehabilitanden mit der Hauptdiagnose Typ-2-Diabetes. Hier fiel es vielen psychologi­ schen Abteilungen schwer konkrete Angaben zu machen, da es in der Mehrzahl der Einrichtungen keine klare Zuordnung der Psychologen-Stellen zu den einzelnen Indikationsbereichen gibt. Lediglich knapp zwei Drittel der onkologischen Einrichtungen (n = 44; n = 27: keine Angaben) und ein Drittel der diabetologi­ schen Einrichtungen (n = 7; n = 14: keine Angaben) trafen Aussa­ gen zum indikationsspezifischen Stellenverhältnis. Für die On­ kologie wurde ein durchschnittliches Stellenverhältnis von 1,54 Psychologen pro 100 onkologische Rehabilitanden (SD: 0,99) angegeben, und im Diabetes-Bereich sind durchschnittlich 1,33 Psychologen für 100 Rehabilitanden mit der Hauptdiagnose Typ-2-Diabetes zuständig (SD: 0,40). Es wurde nicht nur nach der Zahl der Stellen, sondern auch nach der Anzahl der beschäftigten Psychologen gefragt. Lediglich in 6

Psychologenstellen auf 100 Rehabilitanden (indikationsübergreifend)

Stellenverhältnis und Qualifikation der Psychologen

3 2,5 2 1,5

M = 1,08

1

n = 19 Keine Angaben: 2 M: 1,08 SD: 0,35 Median: 1,03 Range: 0,57 – 2,20

0,5 0

diabetologische Einrichtungen

Abb. 3  Stellenverhältnis der Psychologen in diabetologischen ­Einrichtungen.

der onkologischen Einrichtungen arbeitet nur 1 Psychologe. In allen anderen der befragten onkologischen und diabetologi­ schen Einrichtungen arbeiten mindestens 2 Psychologen. Sowohl in den onkologischen als auch den diabetologischen Ein­ richtungen verfügt durchschnittlich weniger als ein Drittel der Psychologen über eine Approbation als Psychologischer Psycho­ ▶  Tab. 1). In 69 % der onkologischen (48 von 70 therapeut (PPT) ( ● Einrichtungen) und 55 % der diabetologischen Einrichtungen (11 von 20 Einrichtungen) arbeitet mindestens ein PPT. In nur vier Einrichtungen wird ein Bachelor-Absolvent in Psychologie be­ schäftigt. In rund 68 % der onkologischen Einrichtungen (48 von 71 Ein­ richtungen) arbeitet mindestens ein Psychologe mit curricularer Reese C et al. Strukturen und Praxis der …  Rehabilitation 2016; 55: 40–47

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(n = 21)

44 Originalarbeit

Vergleich zwischen öffentlichen und privaten Trägern

Es wurde untersucht, ob bestimmte Struktur- und Prozessmerk­ male systematisch mit der Trägerschaft der Einrichtungen zu­ sammenhängen. Hierfür wurden die Träger in 2 Gruppen aufge­ teilt: (a) öffentliche Klinikträger (Deutsche Rentenversicherung Bund oder regional, gesetzliche Krankenkasse, kommunale Kli­ nikträger); (b) private Klinikträger. Die Gruppen wurden bezüg­ lich der folgenden Aspekte verglichen: Stellenverhältnis der psy­ chologischen Abteilungen, Anteil approbierter Psychotherapeu­ ten, Aufteilung der Arbeitszeit, Zugangswege zu psychologischen Interventionen. Unterschiede zwischen den verschiedenen Trägern finden sich hinsichtlich des Stellenverhältnisses, das in öffentlichen Einrich­ tungen mit der Indikation Typ-2-Diabetes durchschnittlich et­ ▶  Tab. 3). Außerdem ist der prozentuale Anteil was günstiger ist ( ● der approbierten psychologischen Psychotherapeuten in den öffentlichen Einrichtungen etwas höher als in den privaten Ein­

94 %

64 %

Gesprächspsychotherapie

47 %

43 %

Systemische Therapie

24 %

40 % 60 % 80 % 20 % Prozent der Einrichtungen

100 %

Onkologie (n = 67; n = 4: keine Angaben) Typ-2-Diabetes (n = 17; n = 4: keine Angaben)

Abb. 4  Ausrichtung, nach der die psychotherapeutische Behandlung der Rehabilitanden erfolgt (Mehrfachnennungen möglich).

Onkologie Träger Durchschnittliches Stellenverhältnis der psychologischen Abteilungen (in Bezug auf die gesamte Einrichtung) Prozentualer Anteil der ­approbierten Psychologen

öffentlich privat gesamt k. A. öffentlich privat gesamt k. A.

Aufteilung der Arbeitszeit

In den Einrichtungen gibt es verschiedene psychologische Ein­ zel- und Gruppenangebote. Alle onkologischen (n = 71) und dia­ betologischen (n = 21) Einrichtungen bieten psychologische Ein­ zelgespräche an. Außerdem wird in allen Einrichtungen ein Ent­ spannungstraining in Gruppen (Progressive Muskelrelaxation oder Autogenes Training) durchgeführt. Zusätzlich werden in 38 % der onkologischen und diabetologischen Einrichtungen wei­ tere Entspannungsverfahren eingesetzt (z. B. Qi Gong und medi­ tative bzw. achtsamkeitsbasierte Verfahren). Auch allgemeine Gruppeninterventionen (z. B. Gesundheitsbildung in Form von

12 % 0%

Über zwei Drittel der onkologischen Einrichtungen (48 von 71 Einrichtungen) und knapp die Hälfte der diabetologischen Ein­ richtungen (10 von 21 Einrichtungen) führen ein routinemäßi­ ges psychologisches Screening anhand von Fragebögen oder standardisierten Fragen durch. In der Onkologie werden am häu­ figsten die „Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS)“, der „Fragebogen zur Belastung von Krebskranken (FBK)“ und das „Dis­ tress-Thermometer“ genutzt. Im Diabetes-Bereich werden nur vereinzelt psychologische Screening-Instrumente angewendet. In beiden Indikationsbereichen gelangen die Rehabilitanden am häufigsten über eine Anordnung im ärztlichen Aufnahmege­ spräch zu psychologischen Interventionen. Der zweithäufigste Zugangsweg ist die ärztliche Visite, der dritthäufigste die Selbst­ ▶  Abb. 5). zuweisung ( ● In der Onkologie gibt es vereinzelt Einrichtungen (5 von 71 Ein­ richtungen, entspricht 7 %), in denen auch der Psychologe zu Be­ ginn des Reha-Aufenthalts mit jedem Rehabilitanden ein (kur­ zes) Einzelgespräch führt, in dem eine Indikationsstellung für psychologische Interventionen erfolgen kann.

Psychologische Einzel- und Gruppenangebote

22 %

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Indikationsstellung und Zugang zu psychologischen Interventionen

Wenn zwischen den Indikationsbereichen verglichen wird, wie die psychologischen Abteilungen im Durchschnitt ihre Arbeits­ zeit aufteilen, fällt auf, dass in der Onkologie ein größerer Zeitanteil für psychologische Einzelinterventionen verwendet wird, wohingegen im Diabetes-Bereich größere Zeitanteile für allgemeine Gruppeninterventionen (z. B. Gesundheitsbildung) ▶  Tab. 4). In­ und Entspannungstraining aufgewendet werden ( ● nerhalb der Indikationsbereiche gibt es teilweise eine große Va­ rianz hinsichtlich der Aufteilung der Arbeitszeit.

90 %

Kognitive Verhaltenstherapie

▶  Tab. 3). Ansonsten wurden keine bedeutsamen richtungen (  ● Unterschiede zwischen den Einrichtungen mit öffentlichem vs. privatem Träger gefunden.

n = 15 n = 44 n = 59 n = 12 n = 16 n = 47 n = 63 n = 8

Typ-2-Diabetes M

SD

1,11 1,16 1,15 – 37,2 25,9 28,8 –

0,26 0,60 0,53 – 29,1 28,3 28,7 –

k. A. = keine Angaben

Reese C et al. Strukturen und Praxis der …  Rehabilitation 2016; 55: 40–47

M n = 13 n = 6 n = 19 n = 2 n = 12 n = 7 n = 19 n = 2

1,19 0,85 1,08 – 30,3 20,2 26,6 –

SD 0,35 0,20 0,35 – 29,5 20,3 26,3 –

Tab. 3  Vergleich zwischen öffentlichen und privaten Trägern.

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psychoonkologischer Fort- und Weiterbildung, und in knapp der Hälfte der diabetologischen Einrichtungen (10 von 21 Einrich­ tungen) ist mindestens ein Fachpsychologe Diabetes (DDG) be­ schäftigt. In den Einrichtungen werden verschiedene Psychotherapiefor­ men eingesetzt, wobei das am häufigsten praktizierte Therapie­ verfahren in beiden Indikationsbereichen die kognitive Verhal­ ▶  Abb. 4). tenstherapie ist ( ●

Originalarbeit 45

Verteilung der Rehabilitanden auf die Angebote

Im Rahmen von Diagnostik und Indikationsstellung sehen die psychologischen Abteilungen durchschnittlich rund ein Viertel

aufnehmende Ärzte ärztliche Visite Selbstzuweisungen interdisziplinäre Teambesprechung Screening-Fragebogen Psychologen (z. B. im Rahmen eines kurzen Aufnahmegesprächs) sonstige Berufsgruppen 1 2 sehr selten oder nie

3

Onkologie (n = 71)

4

5

6 sehr häufig

Typ-2-Diabetes (n = 21)

Abb. 5  Häufigkeit der Zugangswege zu psychologischen Interventionen: Mittelwerte und Standardabweichungen.

Onkologie %-Angaben Diagnostik/Indikationsstellung Einzelinterventionen Allgemeine Gruppeninterventionen Entspannungstraining Problemorientierte Gruppeninterventionen/ Schulungsprogramme Besprechungen Verwaltungstätigkeiten Nachsorge Supervision/Intervision Sonstiges

der onkologischen Rehabilitanden und ein Sechstel der Rehabili­ tanden mit Typ-2-Diabetes. Durchschnittlich über ein Drittel der onkologischen Rehabilitanden und ein knappes Viertel der Re­ habilitanden mit Typ-2-Diabetes erhält mindestens eine psy­ chologische Einzelintervention, und in beiden Indikationsberei­ chen nehmen jeweils zwischen rund 50 und 60 % der Rehabili­ tanden an allgemeinen Gruppeninterventionen, problemorien­ tierten Gruppeninterventionen und am Entspannungstraining teil (s. ●  ▶  Abb. 6). Bemerkenswert sind die großen Standardabwei­ chungen bei allen Angeboten.

Diskussion



Zur Erfassung der strukturellen Rahmenbedingungen und der Praxis der psychologischen Abteilungen in der onkologischen und diabetologischen Rehabilitation wurde eine detaillierte bundesweite Befragung durchgeführt. Der Rücklauf der Befra­ gung ist mit knapp 50 % in der Onkologie und 33 % im Diabe­ tes-Bereich eher gering, die Ergebnisse der Befragung müssen daher mit entsprechender Vorsicht interpretiert werden. Der Vergleich mit den Rücklaufquoten von Befragungen psychologi­ scher Abteilungen aus anderen Indikationsbereichen der Reha­ bilitation zeigt jedoch, dass auch dort meist eher geringe Rück­ laufquoten erzielt wurden (neurologische Einrichtungen: 41 % [10]; stationäre orthopädische und kardiologische Einrichtun­ gen: 57 % [8]; rein ambulante orthopädische und kardiologische Einrichtungen: 44 % [9]). Als ein Grund für die Nicht-Beantwortung wurde Zeitmangel rückgemeldet. Ein weiterer möglicher Grund für die besonders niedrige Rücklaufquote im Diabetes-Bereich könnte darin liegen, dass in vielen Einrichtungen nur wenige Rehabilitanden mit der Hauptdiagnose Typ-2-Diabetes behandelt werden [14] und sich so teilweise nur schwer spezifische Angaben für den Diabe­ tes-Bereich machen lassen. Eventuell hat diese Schwierigkeit dazu geführt, dass sich insbesondere Psychologen aus Einrich­ tungen, in denen nur vereinzelt Rehabilitanden mit der Hauptdi­ agnose Typ-2-Diabetes behandelt werden, nicht an der Befra­ gung beteiligt haben. Über andere Gründe für die Nicht-Beant­ wortung können wir lediglich Vermutungen anstellen. Obwohl den teilnehmenden Einrichtungen Anonymität zugesichert wur­ de, wäre es denkbar, dass sich einige Einrichtungen gegen eine Teilnahme entschieden haben, da nach sensiblen Daten wie dem Stellenverhältnis gefragt wurde. Da uns keine Informationen über die nicht-teilnehmenden Einrichtungen vorliegen, kann nicht ermittelt werden, wie repräsentativ die vorliegenden Er­ gebnisse tatsächlich sind.

Typ-2-Diabetes %-Angaben

M

SD

Range

M

SD

Range

9,1 41,5 6,9 10,1 9,3

14,2 19,0 6,7 7,7 7,5

0–100 0–100 0–30,4 0–29,6 0–40,0

8,0 26,9 11,9 22,9 9,8

7,6 21,8 8,5 17,0 7,4

0–22,7 0–66,7 0–26,1 0–50,0 0–25,0

6,1 12,2 1,2 3,0 1,5

5,3 8,0 2,8 5,0 3,5

0–30,0 0–35,7 0–16,3 0–37,5 0–20,0

6,3 10,3 0,8 4,1 0,0

3,8 6,7 1,7 4,3 0,0

0–12,5 0–29,9 0–5,15 0–13,0 –

Tab. 4  Aufteilung der Arbeitszeit: Prozent der Arbeitszeit für bestimmte Aufgabenbereiche. Onkologie (n = 65; n = 6: keine Angaben) und Typ-2-Diabetes (n = 19; n = 2: keine Angaben).

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Vorträgen) sind weit verbreitet und werden in rund 90 % der Ein­ richtungen aus beiden Indikationsbereichen angeboten. Die am häufigsten angebotenen problemorientierten Gruppen­ interventionen in der Onkologie (n = 70; n = 1: keine Angaben) (jeweils in Klammern: Prozentsatz der Einrichtungen) sind Gruppen zur Krankheitsbewältigung (84 %), Stressbewältigung (80 %), künstlerische Therapieverfahren (60 %) und psychologi­ sche Gruppenangebote im Rahmen eines strukturierten, indika­ tionsspezifischen Schulungsprogramms (46 %). Seltener werden psychotherapeutische Gruppeninterventionen (31 %) und psy­ chologische Gruppenangebote im Rahmen einer Medizi­ nisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) (26 %) durch­ geführt. Im Diabetes-Bereich (n = 20; n = 1: keine Angaben) stellen problem­ orientierte Gruppeninterventionen zur Tabakentwöhnung (85 %), Raucherinformation (75 %), Stressbewältigung (70 %), Adipositas­ gruppen (60 %) und Gruppen zur Krankheitsbewältigung (50 %) die häufigsten Angebote dar. In einigen Einrichtungen gibt es außerdem psychologische Gruppenangebote im Rahmen eines strukturierten, indikationsspezifischen Schulungsprogramms (45 %) sowie psy­ chologische Gruppenangebote im Rahmen einer MBOR (35 %).

27 %

Diagnostik / Indikationsstellung

17 % 37 %

Einzelinterventionen

23 % 62 %

Allgemeine Gruppeninterventionen (z. B. Gesundheitsbildung)

56 % 47 %

Problemorientierte Gruppeinterventionen/ strukturierte Schulungsprogramme

53 % 61 %

Entspannungstraining

47 %

20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Prozent der Rehabilitanden bei psychologischen Angeboten

0%

Onkologie (n = 66; n = 5: keine Angaben) Typ-2-Diabetes (n = 18; n = 3: keine Angaben)

Abb. 6  Prozentuale Anteile der Rehabilitanden, die an bestimmten psychologischen Angeboten teilnehmen: Mittelwerte und Standardabweichungen.

Hinsichtlich der strukturellen Rahmenbedingungen in den Ein­ richtungen fällt positiv auf, dass in den meisten Kliniken min­ destens 2 Psychologen pro Einrichtung arbeiten. Dadurch ist ein kollegialer Austausch möglich, und die psychologische Betreu­ ung der Rehabilitanden ist auch dann gewährleistet, wenn einer der Psychologen abwesend ist. Bei der Betrachtung des durchschnittlichen Stellenverhältnisses in den Einrichtungen (in beiden Indikationsbereichen rund 1,1 ▶  Abb. 2,  3) wird deutlich, Psychologen pro 100 Rehabilitanden) ( ● dass die aktuellen Anforderungen der Deutschen Rentenversi­ cherung (DRV) für die Strukturqualität von Reha-Einrichtungen (1,25 Psychologen pro 100 Rehabilitanden) [15] vom Großteil der Einrichtungen nicht erfüllt werden. Hier erscheint eine ad­ äquate psychologische Betreuung der Rehabilitanden kaum möglich. Darüber hinaus stellt sich (z. B. angesichts der hohen Prävalenz psychischer Störungen in der somatischen Rehabilita­ tion [7]) aber auch die Frage, ob das von der DRV vorgeschlagene Stellenverhältnis überhaupt ausreichend ist. Dass es in rund 30 % der onkologischen und 40 % der diabetologi­ schen Einrichtungen keinen approbierten psychologischen Psy­ chotherapeuten gibt, ist ebenfalls als problematisch zu bewer­ ten, da für die medizinische Rehabilitation der Anspruch besteht, dass psychische Komorbidität diagnostiziert wird und psycho­ therapeutische Interventionen durchgeführt werden [16]. Weiteres Optimierungspotenzial zeigt sich hinsichtlich der fach­ spezifischen Fort- und Weiterbildungen: In lediglich 70 % der onkologischen Einrichtungen arbeitet mindestens ein Psycholo­ ge mit psychoonkologischer Fort- oder Weiterbildung, und in nur 50 % der diabetologischen Einrichtungen arbeitet mindes­ tens ein Fachpsychologe Diabetes (DDG). Fachspezifische Fortund Weiterbildungen stellen eine wichtige Maßnahme dar, um die Qualität der psychologischen Behandlung indikationsspezifi­ scher psychischer Problemlagen zu fördern. Für alle Einrichtun­ gen mit entsprechenden Behandlungsschwerpunkten wäre es wünschenswert, dass dort vermehrt Psychologen mit indika­ tionsspezifischer Fort- oder Weiterbildung arbeiten. Bezüglich der Indikationsstellung und Zuweisung zu psychologi­ schen Interventionen zeigt sich, dass den Ärzten in aller Regel die zentrale Steuerungsfunktion zukommt und die Zuweisung zu psychologischen Interventionen überwiegend durch den Reese C et al. Strukturen und Praxis der …  Rehabilitation 2016; 55: 40–47

Arzt, meist im Rahmen der Aufnahme, erfolgt. Eine sinnvolle In­ dikationsstellung für psychologische Interventionen setzt also das zuverlässige Erkennen psychischer Belastung und psychi­ scher Komorbidität durch den Arzt (eventuell unterstützt durch geeignete Screeningverfahren) sowie fundierte Kenntnisse über die durchgeführten psychologischen Interventionen voraus. Hierfür ist eine entsprechende Qualifikation der Ärzte erforder­ lich, die durch entsprechende Fort- und Weiterbildungen sicher­ zustellen ist. Dass auch der Psychologe zu Beginn des Reha-Auf­ enthalts mit jedem Rehabilitanden ein (kurzes) Einzelgespräch führt, in dem eine Indikationsstellung erfolgen kann, ist sicher­ lich ein wünschenswertes Modell, das in einigen onkologischen Einrichtungen erfolgreich praktiziert wird, das (derzeitig) aber aufgrund des Stellenverhältnisses in den psychologischen Abtei­ lungen nicht flächendeckend umsetzbar wäre. Die Ergebnisse der vorliegenden Befragung zeigen, dass es be­ deutsame Unterschiede innerhalb der Indikationsbereiche bezüg­ lich der Strukturen und der Praxis der psychologischen Abteilun­ gen gibt, z. B. hinsichtlich des Stellenverhältnisses, der Aufteilung der Arbeitszeit oder der prozentualen Anteile der Rehabilitanden, die an bestimmten psychologischen Interventionen teilnehmen. Eine solche Heterogenität zeigte sich auch in den vorhergehen­ den Befragungen zu den strukturellen Rahmenbedingungen und der Praxis der psychologischen Abteilungen in den Indikations­ bereichen Orthopädie, Kardiologie und Neurologie [8–10]. Die Praxisempfehlungen für psychologische Interventionen in der Rehabilitation, die im Rahmen des zugrunde liegenden Pro­ jektes für die Indikationsbereiche Onkologie (Mamma-, Prosta­ ta- oder Kolonkarzinom) und Typ-2-Diabetes entwickelt wer­ den, sollen dazu beitragen, dass die derzeitige Heterogenität der psychologischen Tätigkeit reduziert und eine größere Standardi­ sierung auf fachlich hohem Niveau erreicht wird. Vorrangiges Ziel der Praxisempfehlungen wird es sein, eine zuverlässige Fest­ stellung psychologisch relevanter Problemlagen zu unterstützen und Anregungen zu geben, welche spezifischen psychologischen Interventionen bei welchen Problemlagen durchgeführt werden können.

Kernbotschaft Psychologische Interventionen sind ein wichtiger Bestandteil der Rehabilitation bei onkologischen Erkrankungen und bei Typ-2-Diabetes. Die Ergebnisse der vorliegenden Befragung zeigen, dass es innerhalb der beiden Indikationsbereiche teil­ weise erhebliche Unterschiede hinsichtlich der strukturellen Rahmenbedingungen sowie der Praxis der psychologischen Abteilungen gibt. Derzeitig werden Praxisempfehlungen für psychologische Interventionen in der Rehabilitation für die Indikationsbereiche Onkologie und Typ-2-Diabetes entwi­ ckelt, deren Anwendung zu einer größeren Standardisierung der psychologischen Tätigkeit in der Rehabilitation beitragen soll.

Danksagung



Wir danken allen Kollegen aus den psychologischen Abteilun­ gen der Rehabilitationseinrichtungen, die sich an der Befragung beteiligt haben. Außerdem danken wir der Deutschen Renten­ versicherung Bund für die Förderung des zugrunde liegenden Projekts. Den Gutachtern danken wir für die konstruktiven Hin­ weise.

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46 Originalarbeit

Förderung



Das dieser Publikation zugrunde liegende Projekt wurde mit Drittmitteln der Deutschen Rentenversicherung Bund gefördert (FKZ 0423-40-64-50-18). Die Verantwortung für den Inhalt die­ ser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

Interessenkonflikt: 3 der Autoren (CR, PH, OM) erhalten oder erhielten Forschungsmittel von der Deutschen Rentenversiche­ rung. JW war an der Entwicklung der Therapiestandards für die Rehabilitation von Mammakarzinompatientinnen im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung beteiligt und erhält For­ schungsmittel der Deutschen Krebshilfe. Institute 1  Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg 2  Klinik Niederrhein, Bad Neuenahr-Ahrweiler 3  Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, LWL-­Universitätsklinikum Bochum der Ruhr-Universität Bochum 4  Städtische Rehakliniken, Rehazentrum Bad Waldsee 5  Klinik für Tumorbiologie, Universitätsklinikum Freiburg

Literatur

1 Kulzer B, Albus C, Herpertz S et al. Psychosoziales und Diabetes (Teil 1). Diabetol Stoffwechs 2013; 8: 198–242 2 Kulzer B, Albus C, Herpertz S et al. Psychosoziales und Diabetes (Teil 2). Diabetol Stoffwechs 2013; 8: 292–324 3 Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF. Leitlinienpro­ gramm Onkologie. S3-Leitlinie Psychoonkologische Diagnostik, Bera­ tung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten, Langversion 1.1, Januar 2014. Im Internet: http://leitlinienprogramm-onkologie. de/Leitlinien.7.0.html; Stand: 21.04.2015 4 Deutsche Rentenversicherung Bund, Hrsg. Reha-Therapiestandards Dia­ betes mellitus Typ 2. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund; 2015 5 Deutsche Rentenversicherung Bund, Hrsg. Reha-Therapiestandards Brustkrebs. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund; 2015

6 Deutsche Rentenversicherung, Hrsg. Reha-Bericht Update 2014. Die medizinische und berufliche Rehabilitation der Rentenversicherung im Licht der Statistik. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund; 2014 7 Härter M, Baumeister H, Bengel J. Psychische Störungen bei Rehabili­ tanden mit einer somatischen Erkrankung. In: Härter M, Baumeister H, Bengel J, Hrsg. Psychische Störungen bei körperlichen Erkrankungen. Heidelberg: Springer; 2007: 55–69 8 Reese C, Jäckel WH, Mittag O. Die somatische Rehabilitation als Ar­ beitsfeld für Psychologen: Ergebnisse einer bundesweiten Befragung zu Strukturen und Praxis in der stationären orthopädischen und kar­ diologischen Rehabilitation. Rehabil 2012; 51: 142–150 9 Mittag O, Reese C, Gülich M et al. Strukturen und Praxis der Psycho­ logischen Abteilungen in der orthopädischen und kardiologischen Rehabilitation: Vergleich zwischen ambulanten und stationären Ein­ richtungen in Deutschland. Gesundheitswesen 2012; 74: 778–783 10 Kampling H, Reese C, Mittag O. Die (neuro-)psychologische Rehabili­ tation nach Schlaganfall: Eine bundesweite Befragung zu Strukturen und Praxis in der stationären und ambulanten neurologischen Reha­ bilitation. Rehabilitation 2015; 54: 332–338 11 Statistisches Bundesamt. Verzeichnis der Krankenhäuser und Vor­ sorge- oder Rehabilitationseinrichtungen in Deutschland. Stand: 31.12.2011. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt; 2013 12 Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR). BAR-Verzeichnis von stationären Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation. Im Internet: http://www.bar-frankfurt.de/datenbanken-verzeichnisse/re hastaettenverzeichnis/rehastaetten-suche/; Stand: 21.04.2015 13 Deutsche Diabetes Gesellschaft. Zertifizierte Arztpraxen/Kliniken. Im In­ ternet: http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/zertifizierte-arzt praxenkliniken.html; Stand: 21.04.2015 14 Meyer T, Raspe H. Leitlinienreport. Leitlinie für die Rehabilitation bei Diabetes mellitus Typ 2. Lübeck: Institut für Sozialmedizin, Universi­ tätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck; 2007 15 Deutsche Rentenversicherung Bund, Hrsg. Strukturqualität von Reha-Einrichtungen – Anforderungen der Deutschen Rentenversiche­ rung. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund; 2014 16 Baumeister H, Jahed J, Vogel B et al. Diagnostik, Indikation und Behand­ lung von psychischen Störungen in der medizinischen Rehabilitation (DIBpS): Ein Leitfaden zur Implementierung eines psychodiagnosti­ schen Stufenplans in der medizinischen Rehabilitation. Berlin: Deut­ sche Rentenversicherung Bund; 2011

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Originalarbeit 47

[Structures and Practice of Psychological Services in Oncological and Diabetological Rehabilitation: Results of a Nationwide Survey].

To study the structural frame conditions and the contents of psychological activity in oncological rehabilitation as well as in rehabilitation of pati...
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