Schweiz. Ophthal. Ges., 67. Vers., Interlaken 1974 Ophthalmologica, Basel 172: 128 137 (1976)

Abhängigkeit des Rigiditätskoeffizienten vom intraokularen Druck und Blutdruck am lebenden Kaninchenauge1 E. B echrakis und K. E den Klinisches Institut für experimentelle Ophthalmologie, (Direktor: Prof. E. W eigelin ), Bonn

Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung des Einflusses von akuten Ände­ rungen des intraokularen (i. o.) Druckes und des Blutdruckes auf die DruckVolumen-Bcziehung des Bulbus bzw. auf den Friedenwaldschen Rigiditätskocllizienten (K). Mit wenigen Ausnahmen [G rant und T rctter, 1955; P rijot und W eekers, 1959] wird heute akzeptiert, dass der K druck­ abhängig ist. Über die Richtung des Einflusses des i. o. Druckes auf den K widersprechen sich jedoch die Angaben in der Literatur. Mit zunehmendem i.o. Druck finden die meisten Autoren [C raig und M c D onald , 1967; D raeger. I960; E isenlohr et al., 1962; M acri et a i, 1957, 1958; G loster und P erkins , 1959] eine Abnahme, andere Forscher [F rasca und B elmonte, 1965] das Gegenteil, eine Zunahme von K. Die nähere Betrach­ tung dieser Arbeiten erlaubt die Annahme, dass die differierenden Ergeb­ nisse der sonst exakten Versuche auf die Verwendung verschiedener Ver­ suchstiere und die Unterschiede der Arbeitsmethoden zurückzuführen sind. Schliesslich versuchten einige Autoren [M c Bain, 1958; H olland et a!., 1960; P rijot , 1961] einen neuen konstanten Koeffizienten zu formulieren. Bei allen uns bekannten Arbeiten findet ein Bulbusvolumenzuwachs statt; er wird bewirkt entweder durch rapide Einspritzungen in die Vorder­ kammer von Volumina der Grössenordung 5-10 «1 in 1—1,5 sec oder durch kontinuierliche Infusion ins Bulbusinnere mit Infusionsraten von 2,8 bis zirka 10 «l/min. Im ersten Fall misst man den Anfangs-(P„) und

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1 Mit der Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

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Endwert (Pt) des Druckzuwachses, hat aber keine Information über den Ablauf des Druckzuwachses und über eventuell anderweitige Einwirkun­ gen auf ihn. Dynamische Phänomene, die in Bruchteilen von Sekunden ablaufen können, werden maskiert und daher ihre Einflüsse nicht erfasst. Mit anderen Worten: der Faktor Zeit wird zu wenig berücksichtigt, die Volumen-Druck-Beziehung statisch und nicht dynamisch untersucht. Im Fall der kontinuierlichen Infusion werden zwar langsame dynamische Ein­ wirkungen wegen der fortlaufenden Beobachtung erfasst, schnelle Phäno­ mene aber wegen der für sie relativ langsamen Infusionsrate ebenfalls verdeckt. Ferner weist die Infusionsmethode den Nachteil auf, dass der jeweilige Volumenzuwachs nicht direkt gemessen, sondern nur indirekt aus der Infusionsrate berechnet wird und die P„- und P,-Werte des resul­ tierenden Druckzuwachses zeichnerisch aus einer Linie mit deutlichen Druckschwankungen bestimmt werden muss, was naturgemäss stets einem gewissen Grad von Willkür unterworfen ist. Er ist bekannt, dass die Herzrhythmik auf den i. o. Druck übertragen wird. So entstehen die pulsatorischen und Atemschwankungen des i. o. Druckes. Weiter wissen wir, dass die Unterbindung der Karotis gleichzeitig eine akute und beträchtliche Senkung des homolateralen i.o. Druckes hervorruft, der sich im allge­ meinen nach Stunden bzw. Tagen normalisiert. Bei Menschen mit extrasystolischer Arrhythmie haben wir eine be­ trächtliche Senkung des i.o. Druckes von 5-10 mm Hg während der kom­ pensatorischen Pause gemessen. Alles dies bedeutet, dass die momentane absolute i. o. Druckhöhe nicht nur von der Kammerwasserdynamik allein, sondern auch von der i.o. Blutmenge bestimmt wird und dass Änderun­ gen der i.o. Blutmenge zwar transitorische, aber nicht unbeträchtliche Änderungen des i.o. Druckes hervorrufen können. Daraus folgt, dass das momentane Gleichgewicht des i.o. Druckes mit der Kammerwasserdyna­ mik, der i.o. Hämodynamik und den Wechselwirkungen zwischen beiden zusammenhängt. Über die Wechselwirkungen wissen wir nicht viel. Nach allen bekannten Daten ist das Kammerwasserproduktions- und Abfluss­ system verantwortlich für langdauernde i.o. Druckänderungen. Die i.o. Hämodynamik scheint dagegen den schwingungsfähigen Anteil an der i.o. Druckhöhe zu bestimmen und ist daher hauptsächlich verantwort­ lich für schnelle, wenig oder mässig starke Druckänderungen. Aus diesem Grunde führen die üblichen Methoden (Einzeleinspritzungen, kontinuier­ liche Infusion), die nur die statischen oder die langsamen i.o. hämodynamischen Phänomene erfassen, zwangsläufig zu Informationsverlusten und deformierten Ergebnissen.

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Methode und Material

2 Die Maschine wurde mit Hilfe von Herrn R euter, Institut für experimentelle Ophthalmologie, Bonn, konstruiert, dem für seine wertvolle Beratung herzlich ge­ dankt wird.

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Um möglichst genaue Bestimmungen des K unter Berücksichtigung auch schneller hämodynamischer Einflüsse durchzuführen, haben wir folgende Versuchsanordnung benützt: Zum Einspritzen der Flüssigkeit in die Vorderkammer des Auges diente eine geeichte Mikrometerspritze der Firma Burroughs & Wellcome (Abb. 1). Die Mikrometerspritze ist bei einem Vorschub des Kolbens von 0,5 mm für einen 10-,«1Flüssigkeitsausstoss geeicht. Dieser entspricht einer vollen Umdrehung der Mikrometerschraube und 50 Teilstrichen ihrer Skala. Bei Drehung der Mikrometerschraube um 10 Teilstriche werden daher 20°/o von 10 ul, d. h. 2/d ausgestossen. Die Mikro­ meterschraube ist mit einem Malteserkreuz mit fünf symmetrischen Einkerbungen fest verbunden. Unterhalb dieses Kreuzes läuft ein zylindrischer Maltescrkreuzantrieb frei beweglich im Stativ. Parallel zu dieser Achse ist ein rundlicher Stab an der Aussenseite angebracht, der bei einer vollständigen Umdrehung einmal in eine Einkerbung des Malteserkreuzes greift und dieses nach rechts um 10 Teilstriche der mit ihm fest verbundenen Mikrometerschraube bewegt, was einen 2-al-Flüssigkeitsausstoss bewirkt. Die gleichförmige Umdrehung wird durch einen 6-V-Gleichstrommotor gewährleistet. Er ist einstellbar für verschiedene Drehzahlen pro Se­ kunde. Wir benutzten die Frequenzen zwei, acht und zehn Einspritzungen/sec-. Die Einspritzungszeiten betragen für 2 Injektionen/sec 0,08 sec, für 8 Injektionen/scc 0,03 sec und für 10 Injektionen/sec 0,025 sec. Zur Messung des i. o. Druckes und des Blutdruckes wurde das Manometer Z 32-67 der Firma Schwarzer und zur Registrierung der Physioscript der gleichen Firma benutzt. Die einzelnen Vorrich­ tungen waren mit dickwandigen PVC-Schläuchen mit Durchmesser 1 mm und so kurz wie möglich verbunden. Abbildung 2 zeigt die Versuchsanordnung. Da die Einspritzung bei einfacher Punktion das Manometer belastet und einen Druckzuwachs vortäuscht, wie bei den Versuchen von M c Bain [1958], führten wir eine doppelte Punktion der Vorder­ kammer, je eine für die Mikrometerspritze und eine für das Manometer, durch, um diese Fehlerquelle zu eliminieren. Zur Untersuchung des Einflusses des Blut­ druckes wurde die A. carotis communis der Gegenseite punktiert und deren Blut­ druck registriert. Bei den Punktionen des Auges kamen Kanülen Nr. 14, bei der Karotis eine Braunüle Typ 0 zur Anwendung. Als Versuchstiere wurden Kaninchen von 2,2-2,7 kg Körpergewicht benutzt. Die Anästhesierung erfolgte mit Somnifen (0,6 ml/kg Körpergewicht). Diese Versuchsanordnung hat gegenüber den oben ge­ schilderten von anderen Autoren benutzten Methoden unserer Meinung nach fol­ gende Vorteile: Die Injektion sehr kleiner, konstanter Volumina innerhalb sehr kurzer Zeiten und ihre fortlaufende Wiederholung nach ebenfalls sehr kleinen, kon­ stanten Zeitintervallen erlaubt bei exakter Registrierung die Erfassung der für die Berechnung von K erforderlichen Daten sowohl im Ablauf der akuten Drucksteige­ rung im Stadium der Flüssigkeitsinjektion als auch zwischen den Injektionen und

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Abb. 1. Geeichte Mikrometerspritze mit Malteserkreuz und 6-V-Gleichstrommotor.

ebenso die Beobachtung der hämodynamischen Einflüsse. Das Prinzip besteht darin, dass - überspitzt ausgedrückt - experimentelle Diflerentialquoten dadurch gebildet werden, dass sehr kleine Volumina in sehr kleinen konstanten Zeiten (Sekunden­ bruchteilen) und mit sehr kleinen konstanten Intervallen injiziert werden.

Wenn sich der i. o. Druck auf einer konstanten Höhe eingependelt hat und die Blutdruckkurve einen regelmässig wiederkehrenden Verlauf zeigt, beginnt der Versuch. Durch gleichmässiges Einspritzen von 2 x 2 ¿/1/sec

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Ergebnisse

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Flüssigkeit in die Vorderkammer des Auges erzielten wir einen treppen­ artigen Kurvenverlauf des i.o. Druckes (Abb.3). Es wird nun die Druck­ höhe P„ vor dem jeweiligen Einspritzen und die Druckhöhe P, nach dem Einspritzen gemessen. Die Differenz P,-P„ stellt den Druckzuwachs bei Zugabe von 2 //I Flüssigkeit in die Vorderkammer dar. Um die dem Mess­ punkt P„ und P, entsprechenden Blutdruckwerte zu finden, muss eine Pha­ senverschiebung von zirka 0,03 sec berücksichtigt werden, entsprechend einer normalen Pulswellengeschwindigkeit von zirka 6-6,8 m/sec beim Kaninchen für die Strecke zwischen der Messstelle in der A. carotis com­ munis und dem Auge. Im ersten Teil der dargestellten Kurve lässt sich ein deutlicher Einfluss von Änderungen des Blutdruckes auf den i.o. Druck feststellen. Herz­ rhythmik und Atemschwankungen spiegeln sich im Kurvenverlauf des i. o. Druckes wider. Erst bei einer i.o. Druckhöhe, die etwas unterhalb vom systolischen Blutdruck in der Karotis liegt, setzt der Einfluss des Blut­ druckes aus. Die Phase der Kurve, die nach dem jeweiligen Ende des Einspritzens folgt, zeichnet sich nun durch ein Fehlen der Herzrhythmik sowie der Atemschwankungen aus. Der Anstieg des i.o. Druckes nimmt während weiterer Einspritzungen so zu, dass Basis bzw. Spitze der Trep­ pen jeweils ungefähr auf einer Geraden liegen. Bemerkenswert ist, dass die Neigung des Anstieges des i.o. Druckes bei gleicher Injektionsmenge im Bereich zwischen der Höhe des diastolischen Blutdruckes der A. carotis communis und derjenigen des systolischen Blutdruckes kleiner ist als im Anfangs- und Endteil der Kurven, in denen ungefähr gleiche Anstiegs­ winkel zu finden sind (Abb. 4a, 5). ln Abbildung 4 b und 5 wird auch der Einfluss der vorübergehenden Kompression der homolateralen A. carotis communis bei dem gleichen

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Abb.3. Treppenartiger Kurvenverlauf des Augeninnendruckes nach gleichmässigem Einspritzen von 2x2 «1/sec (obere Kurve). Die untere Kurve stellt den gleichzeitig registrierten Blutdruck in der A. carotis communis des Versuchskaninchens dar. Auf beiden Kurven sind deutlich die Atemschwankungen des i. o. Druckes und Blutdruckes zu erkennen.

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Abb.4. Die Kurven zeigen die Beziehung zwischen P (log) und /IV (linear). a Ohne Karotiskompression. b Während der Karotiskompression. Bei der Karotis-

kompression liegt die doppelte Abknickung des i.o. Druckes tiefer.

lmm-1mmHg

¡Atemschwan-t

O -lin ie (i.o. Druck)

[Relation of the rigidity coefficient between intraocular pressure and blood pressure in the living rabbit eye].

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