Lübcke u. a.: klektrostimulation des Herzens beim akuten Herzinfarkt

Deutsche Medizinische Wochenschrjft

Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 526-531

© Geotg Thieme Verlag, Stuttgart

Ergebnisse der E!ektrostimulation des Herzens beim akuten, Herzinfarkt P. Lübcke, B. Lewerenz und C. Lübbert III. Medizinische Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses Altona (Chefarzt: Privatdozent Dr. W. Narhtwey), Hamburg

Von 665 Patienten mit frischem Herzinfarkt ergab sich bei 58 (8,7°/o) die Indikation zur elektrischen Stimulation. In 34 Fällen bestand ein Hinterwandinfarkt, in 20 ein Vorderwandinfarkt, bei zwei Patienten ein kombinierter Vorder- und Hinterwandinfarkt, und in zwei Fällen war die Infarktiokalisation nicht bestimmbar. Von den 58 Patienten starben 16 (27,60/o), davon sechs mit Hinterwand- und neun mit Vorderwandinfarkten. Beim Hinterwandinfarkt dominieren bradykarde Rhythmusstörungen und AV-Blockierungen, beim Vorderwandinfarkt Hemiblocks und bifaszikuläre Blockierungen. 14 Patienten wurden in das permanente Schrittmacherprogramm aufgenommen, davon elf mit Hinterwand- und nur drei mit Vorderwandinfarkten. Die Relation von Hinterwand- zu Vorderwandinfarkt betrug somit für das permanente Schrittmacherprogramm fast 4 : 1 (für die temporäre Schrittmachertherapie 2 : 1), im wesentlichen bedingt durch die hohe Letalität beim Vorderwandinfarkt. Bei neun von elf Patienten, die ständiger Schrittmacherstimulation bedurften, ließen sich gleichzeitig alte Vorderwandschwielen nachweisen. Wegen der Gefahr einer Spätbradykardie oder AV-Blockierung sollten Patienten mit Hinterwandinfarkten in der Spätphase (etwa ab dritter Woche) eingehend nachuntersucht werden, besonders dann,

wenn ältere Vorderwandinfarzierungen bekannt sind. * Privatdozent Dr. W. Nachtwey zum 50. Geburtstag

Results of pacing after acute myocardial infarction Indications for electrical pacing were present in 58 of 665 patients with acute myocardial infarction (8.7°/o). Posterior-wall infarction had occurred in 34, anteriorwall infarction in 20, while two had combined infarction and in a further two precise localisation was not possible. There were 16 deaths (27.6°/o), six of them with posterior-wall and nine with anterior-wall infarction. Bradycardic arrhythmias with A-V block predominated among posterior-wall infarctions, hemiblocks and bifascicular block in anterior-wall infarctions. Permanent pacing was practised in 14 patients, 11 with posterior and three with anterior-wall infarctions, i.e. permanent pacing was four times as common after posterior than anterior-wall infarctions, the proportion being 2 : 1 for temporary pacing, largely due to a higher mortality-rate after anterior-wall infarction. Old anterior-wall scars were present in nine of eleven patients with permanent pacing. Because of the danger of late bradycardia or A-V block patients with posterior-wall infarction should be carefully followed in the late phase (from about the third week onwards), especially if itis known that they have an old anteriorwall infarct.

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Lübcke u. a.: Elektrostimulation des Herzens beim akuten Herzinfarkt

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Die Senkung der Letalitätsquote beim frischen Herzinfarkt ist fast ausschließlich den therapeutischen Fort-

AV-Blockierungen stehen

schritten bei der Bekämpfung der Herzrhythmusstörungen zu verdanken. Diese Entwicklung ist ohne die Einrichtung internmedizinischer Intensivpflegeeinheiten oder der noch stärker spezialisierten »Coronary Care Units« nicht denkbar. In den ersten 24 Stunden nach akutem Herzinfarkt treten die meisten Todesfälle auf (8, 9, 22). In der ersten Stunde nach Einsetzen der Symptomatik ist der Anteil an Todesfällen besonders hoch (19, 29). Hierüber sind nur vereinzelte Zahlenangaben zu erhal-

32), und die Elektrostimulation mit Schrittmachersonden zur Verfügung. Bei Sinusbradykardien mäßigen Grades (Herzfrequenz 4 40/mm) und passageren Vorhof-Kammer-Blockierungen, vor allem bei Hinterwandinfarkten, wird von einigen Autoren wegen der Gefahr des Kammerflimmerns bei Einlegen der Stimulationssonden Atropin der Elektrostimulation vorgezogen (2, 6, 21, 31).

Altona ergab sich von 1954 bis 1970 eine Gesamtletalität von 36%. 1971 wurde eine internmedizinische Intensiv-

32). Diese Feststellung ist deswegen instruktiv, weil beim

Sympathikomimetika oder

Parasympathikolytika, in erster Linie Atropin (5, 29,

Nach Vorstellung der Belfaster Arbeitsgruppe (32) ist bei 60% der Patienten mit frischem Herzinfarkt, die ten, da die erste Stunde nach Eintritt der Initialsym- eine Bradykardie mit nachfolgender AV-Uberleitungsptome meist in der präklinischen Phase liegt. Besied- störung aufweisen, mit einer vagalen tlberaktivität zu lungsdichte, Größe des Einzugsbereiches für das jewei- rechnen. Daher wird von ihr sogar die prophylaktische lige Zentrum und Einlieferungsverfahren, zum Beispiel Injektion von Atropin propagiert. Die Autoren geben mit arztbesetztem Rettungswagen oder Notarztwagen, an, daß in fünf von acht Fällen bei frühzeitiger Atropinkönnen einen erheblichen Einfluß auf die Frühletalität Injektion wieder eine normale Überleitung erfolgte. Die ausüben. Lown und Wolf (19) konnten zeigen, daß nach vagale Überaktivität der Frühphase des frischen HerzEinführung von speziellen Wachstationen die Infarkt- infarktes wird von Meesmann und Mitarbeitern (20) letalität um 30% reduziert wurde. Schröder und Mit- angezweifelt. Sie sind der Ansicht, daß auch beim Hinarbeiter (28-30) kamen zu ähnlichen Ergebnissen: Vor terwandinfarkt ein überhöhter Sympathikotonus vorEinführung der Intensivpflegestation betrug die Gesamt- liegt, der durch direkte hypoxische Störung im Sinusletalität für ihr Zentrum 40%, nach Einführung einer und AV-Knoten mit daraus resultierenden bradykarden speziellen Wachstation konnte sie auf 29%, nach neue- Herzrhythmusstörungen maskiert wird. Ihre Annahme ren Angaben auf 26% reduziert werden. Javier und wird durch den Tatbestand erhärtet, daß es sich bei den Mitarbeiter (7) gaben für ihr Zentrum eine Herzinfarkt- Patienten mit scheinbarer sogenannter vagaler Überaktiletalität von 26% an. Für das Allgemeine Krankenhaus vität hauptsächlich um Hinterwandinfarkte handelt (19,

pflegestation eröffnet. Von Juni 1971 bis März 1975 wurden dort 665 Patienten der drei medizinischen Abteilungen mit frischem Herzinfarkt behandelt. Die Gesamtletalität betrug 28,6% (Tabelle 1). Tab. 1. Letalität bei frischem Myokardinfarkt (Juni 1971März 1975)

Menschen die Hinterwand des linken Ventrikels überwiegend von der rechten Koronararterie versorgt wird (4, 15), die gleichfalls für die Blutzufuhr zum Sinus- und AV-Knoten zuständig ist (Tabelle 2). Tab. 2. Versorgungsareale der drei Hauptäste des Koronarsystems für Arbeitsmuskulatur und Reizleitungssystem nach anatomischen Befunden von James und Burch (15)

gestorben n

Letalität

n

Myokard des linken Ventrikels

Erst-Infarkte

544

149

27,4

Reizleitungssystem

Zweit-Infarkte

121

41

33,9

Gesamt

665

190

28,6

Patienten

VorderwandSeptum

Hinterwand

VorderSeitenwand

Sinus-Knoten AV-Knoten His-Bündel

rechter Tawara-Schenkel

proximal peripher

linker Tawara-Schenkel

Unter den Herzrhythmusstörungen in der Frühphase des frischen Herzinfarktes werden an erster Stelle Kammerflimmern, an zweiter AV-Blockierungen beobachtet (20).

Die Neigung zu Kammerflimmern innerhalb der ersten

dreißig Minuten nach akutem Verschluß einer großen Koronararterie wird nach Beobachtung von Harris (13) auf eine erhöhte sympathikoadrenale Aktivierung und den damit einhergehenden Abfall der Flimmerschwelle f ür das Myokard zurückgeführt. Unter Berücksichtigung tierexperimenteller Befunde wurde außer Xylocain besonders von der Arbeitsgruppe von Meesmann (20), aber

auch von Hjalmarson (14), eine Frühprophylaxe mit (3-Sympathikolytika propagiert, die von einigen Autoren aber nicht uneingeschränkt befürwortet wird (3). Für die Therapie von bradykarden Herzrhythmusstörungen und

median I

posteriorer linker Faszikel Gefäß

posteriorer anteriorer linker Faszikel linker Faszikel Ramus descendens anterior

rechte Koronar-Arterie

Ramus circumflexus

linke Koronar-Arterie

Nach diesen Überlegungen ist es verständlich, daß eine Atropintherapie, die zweifellos häufig positive Ergebnisse hat, gelegentlich auch schwerwiegende Folgen in Form von Kammerflimmern nach sich ziehen kann.

Die in der Frühphase des akuten Herzinfarktes herrschende sympathikotone Ausgangslage, die durch lokale Hypoxie supraventrikulärer Zentren verschleiert wird,

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Nr. 14, 2. April 1976, 101. Jg.

Lùbcke u. a.: Elektrostirnulatjon des Herzens beim akuten Herzinfarkt

erfährt eine weitere Steigerung. Die Inhomogenität der Refraktärperioden in den dem Infarktareal benachbar-

ten Myokardbezirken kann unter Atropin zunehmen und somit eine erhöhte Flimmerbereitschaft bedingen. Unter diesen Gesichtspunkten erschienen uns die Ergeb-

nisse der Elektrostimulation bei Patienten unmittelbar

Deutsche Medizinische Wochenschrjft

Hinterwandinfarkte ohne Hinweise auf früher durchgemachte Herzinfarkte. Tab. 3. Patienten mit frischem Herzinfarkt, bei denen wegen bradykarder Rhythmusstörungen oder AV-Blockierungen eine Schrittmachertherapie eingeleitet werden mußte

nach Auftreten eines frischen Herzinfarktes wichtig.

Herzinfarkt-Lokalisation

Patienten und Methodik Von 665 Patienten mit frischem Herzinfarkt war bei 58 (8,7°/o) die elektrische Stimulation erforderlich. Die Indikation war gegeben bei Reizbildungsstörungen im Sinne eines sinu-atrialen Blocks oder einer Bradykardie mit hämodynamischer Insuffizienz, die durch Atropingabe nicht ausreichend beeinflußt werden konnte, oder wenn nach Atropingabe verstärkt ventrikuläre Extrasystolen auftraten, bei Reizleitungsstörungen im Sinne höhergradiger AV-Blockierungen oder intraventrikulärer Blockierungen in Form eines wechselnden kompletten Links- und Rechtsschenkelblocks oder eines bifaszikulären Blocks. Die Elektrostimulation bot in bestimmten Fällen die Möglichkeit,

ausreichende Dosen von Antiarrhythmika und Herzglykosiden zu verabfolgen, ohne das Auftreten von Bradykardien oder Uberleitungsstörungen befürchten zu müssen.

Der Eingriff wird in einem speziellen Arbeitsraum mit Durchleuchtungseinrichtungen auf der Intensivstation durchgeführt. Als Zugang wird zunehmend die Vena jugularis interna rechts gewählt, die den Vorteil einer leichten, und damit schnellen Elektrodenplazierung bietet. Zudem ist nach unserer Erfahrung die Gefahr

einer Thrombophlebitis, auch bei länger liegenden Elektroden, ge-

ring. Bei dem früher gewählten Zugang über die Vena basilica traten, wenn der Arm des Patienten nicht ständig fixiert wurde, leichter Dislokationen der Sondenspitze auf. Meistens benutzen wir die halbflexiblen Stimulationskatheter der Firma Cordis, die nach unserer Erfahrung eine größere Lagestabilität als die Einschwemmkatheter aufweisen. Die Sondenspitze wird so im Trabekelwerk des rechten Ventrikels verankert, daß die Reizschwelle 1 V beträgt. Als Energiequelle dienen grundsätzlich nur externe Geräte mit Demandschaltung, die wir auf eine Reizstärke von 4 bis S V und eine Frequenz von 70/min einstellen. Eine besondere Gefährdung der Patienten durch die Sondenlegung konnten wir nur

dreimal beobachten. In allen drei Fällen konnte das auftretende Kammerflimmern sofort durch Elektrodefibrillation behoben werden.

Ergebnisse Von den 58 Patienten mit frischem Herzinfarkt, bei denen eine Elektrostimulatjon des Herzens erforderlich war, starben 16 (27,6%). Die Letalität liegt damit etwas niedriger als in der Gesamtgruppe der Herzinfarktpatienten

(28,6%). Es überwogen Hinterwandinfarkte (n = 34) vor Vorderwandinfarkten (n = 20), kombinierten Vorder- und Hinterwandinfarkten (n = 2) und elektrokardiographisch nicht bestimmbaren Infarkten (n = 2). Von den schrittmacherbehandelten Patienten mit Hinterwandinfarkten starben sechs, mit Vorder-

Patienten überlebend

gestorben

n

n

n

Vorderwand Vorderwand (+ Hinterwandnarbe)

19

10

9

1

1

-

Hinterwand Hinterwand (+ Vorderwandnarbe)

23 11

19

4

9

2

kombinierte Herzinfarkte

2

2

-

nicht bestimmbar

2

1

1

Gesamt

58

42 (72,4°/o)

16 (27,6°/o)

Bei elf der 16 Patienten, die gestorben waren, konnte eine Obduktion durchgeführt werden (Tabelle 4). Alle Patienten, bei denen die AV-Blockierungen durch eine bifaszikuläre Blockade eingeleitet wurden, wiesen, auch wenn es sich um frische Hinterwandinfarkte mit Verschlüssen der rechten Koronararterie handelte, zusätzliche Stenosen oder Verschlüsse im Ramus descendens anterior der linken Koronararterie auf. Nur in einem Fall, in dem eine bilaterale Schenkeiblockierung nachgewiesen wurde, fehlte ein Verschluß des Ramus descendens anterior (Fall S). Neben einem Rechtsschenkelblock

muß nach der EKG-Serie ein links-posteriorer Hemiblock angenommen werden. Bei 14 unserer Patienten wurde nach Ablauf von zwei Wochen eine endgültige Schrittmacherversorgung erforderlich. Zwei Patienten starben nach sieben bzw. 16 Monaten. Zwölf Patienten sind weiterhin (bis Juli 1975) in Überwachung unserer Schrittmacherambulanz (Tabelle 5).

Bei der Aufschlüsselung der Patienten, die einer ständigen Schrittmachertherapie als Folge des Herzinfarktes

bedurften, fällt auf, daß Patienten mit Hinterwandinfarkten (n = 11) dominieren. In neun von elf Fällen ließen sich anamnestisch und elektrokardiographisch Vorderwandschwielen nachweisen. Bei diesen Patienten muß mit multiplen Verschlüssen gerechnet werden. Nur drei Patienten mit Vorderwandinfarkten gelangten in die permanente Schrittmacherüberwachung. Damit betrug die Relation von Hinterwand- zu Vorderwandinfarkten

bei der temporären Schrittmachertherapie 2: 1, beim

wandinfarkten neun (Tabelle 3). Bei sieben Patienten beobachteten wir den Übergang von einem bifaszikulären in einen trifaszikulären Block. Davon trat in drei Fällen abrupt eine Asystolie auf; bei

permanenten Schrittmacherprogramm 4: 1.

allen drei bestand ein frischer Vorderwandinfarkt. In den übrigen vier Fällen mit bifaszikulärem Block trat die totale Blockierung erst allmählich über einen Ay-

schem Hinterwandinfarkt häufiger als bei Vorderwandinfarkten bradykarde Rhythmusstörungen, sinu-atriale oder atrio-ventrikuläre Blockierungen auftreten (19, 21,

Block II. Grades ein. In zwei Fällen handelte es sich um Hinterwandinfarkte mit alten Vorderwandnarben. Bei den übrigen zwei Patienten fanden wir lediglich frische

Diskussion Von verschiedenen Autoren wird betont, daß bei fri-

32). Lown und Wolf (19) beobachteten bei 61% aller Patienten mit Hinterwandinfarkt, die sie eine Stunde nach Eintreten klinischer Symptomatik beobachten

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Lübcke u. a.: Elektrostimulation des Herzens beim akuten Herzinfarkt

Nr. 14, 2. April 1976, 101. Jg.

Tab. 4. Elektrokardiographische und autoptische Befunde bei elf gestorbenen Patienten mit frischem Herzinfarkt, bei denen eine SchrittmachertheraDie erforderlich war Autopsie-Befunde Gefäßverschlüsse oder -stenosen

elektrokardographische Befunde Initialen, Geschlecht

Vorderwand Hinterwand

10

K.N. A.Th. A.R. E.B. F.W. L.L. A.D. A.G. A.St. H.F.

11

M.Sch.

1

2 3 4 S

6 7 8

9

(3

(3

+ + +

bilateral*

+

+ + + + +

der linken Koronararterie R. circumR. descenflexus dens anterior

+ +

+ +

(+)

+

+

+

+

+ + + + + +

+

(3

(3

links

+ + (+)

(3

rechts

der rechten Koronararterie

+

J (3

Schenkelblockierung

Herzinfarkt Lokalisation

+ +

(+)

+ + + + + +

* bilaterale Schenkeiblockierung = Rechtsschenkelblock und link s-anteriorer Hemiblock ** Rechtsschenkelblock und links-posteriorer Hemiblock hypoplastisches Gefäß (+) älterer Herzinfarkt (nach elektrokardiographischen und autoptischen Befunden)

Tab. S. Patienten mit akutem Herzinfarkt, bei denen nach temporärer Stimulation eine permanente Schrittmacherversorgung erforderlich war Fall

1

F.LÜ.

sinu-atrialer Block

AV-Block

extreme Bradyarrhythmie

(+)

+

(3

Vorderwand Hinterwand

2

A.v.L.(3

+

+

3

W.Sch.(3

+

4

7

S.J. P.J. H.B. G.R.

(+) (+) (+)

8

W.Sch.

9

A.J. H.R. A.W. G.C. K.N. E.G.

S

6

10 11

12 13

14

(+)

Initialen, Geschlecht

+

(3

+

(3

+

(3 (3

+ +

+ + + + +

(3 (3

(3

+

(+) (+)

+

+ + +

+ + + +

+

7

22

+ + + +

44

54 30

24

+ +

34 42

+ (+) (+) (+)

Oberwachungsperiode (Monate)

13

+

+

(3

lebend

gestorben

4

+ + + +

+

16

+

7

+

24

6

anamnestisch und oder) elektrokardiographisch nachgewiesene Vorderwandschwielen

konnten, bradykarde Herzrhythmusstörungen. Ein Verschluß der rechten Koronararterie, die meist bei Hinterwandinfarkten betroffen ist, führt häufig zur Hypoxie des Sinus- und AV-Knotens. Bei der suprabifurkalen Blockierung des Reizleitungssystems tritt im Gegensatz zur infrabifurkalen Blockierung meistens sehr rasch ein Ersatzzentrum auf (21). Die bilaterale Schenkeiblockierung beim Vorderwandinfarkt wird meistens durch einen links-anterioren Hemiblock eingeleitet. Beck und Hochrein (1) konnten bei

3,7% ihrer Herzinfarktpatienten einen links-anterioren Hemiblock entdecken.

Bei Vorderwandseptuminfarkten mit Verschluß des Ramus descendens anterior der linken Koronararterie tritt sehr häufig gleichfalls eine Unterbrechung der medialen Anteile des rechten Schenkels auf. Die bifaszi-

kuläre Blockierung - entsprechend der Definition von Rosenbaum (24, 25) - muß als elektrokardiographisches Warnzeichen für die totale Leitungsunterbrechung im Sinne eines kompletten (trifaszikulären) infrabifurkalen

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Fall

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Schenkeiblocks gelten. Derartige stufenweise bilaterale Blockierungstendenzen sind von mehreren Autoren im Rahmen des frischen Herzinfarktes beschrieben worden (12, 17, 18, 27). Kley und Mitarbeiter (17) wiesen darauf hin, daß auch die Kombination von links-anteriorem Hemiblock und Rechtsverspätungskurve die Vorstufe zum totalen AV-Block beim frischen Herzinfarkt sein kann. Ohne Übergang in den kompletten Rechtsschenkelblock kann schlagartig der trifaszikuläre Block eintreten. Auf wechselnde alternierende und intermittierende Links- wie Rechtsschenkelblockierungen wird von verschiedenen Autoren hingewiesen (1, 19). Da beim Vorderwandinfarkt häufig der Ramus descendens anterior der linken Koronararterie betroffen ist, der zugleich überwiegend den medialen Anteil des rechten Schenkels und den vorderen Faszikel des linken Tawara-Schenkels versorgt, ist das häufige Auftreten von bifaszikulären Blockierungen bei Vorderwandinfarkten und Vorderwandseptuminfarkten erklärbar (4, 15, 18, 26). Beck und Hochrein (1) sahen bei der Obduktion von sechs Patienten mit trifaszikulärem Block viermal Vorderwandseptuminfarkte, einmal einen Vorderwandseptuminfarkt mit einem Schwielenbefund in

der Hinterwand und einmal ein Hinterwandinfarktrezidiv.

Da die rechte Koronararterie den vorderen Faszikel des linken Tawara-Schenkels nicht versorgt (15), werden beim Hinterwandinfarkt nur selten bleibende bifurkale Blockierungen beobachtet. So konnten Beck und Hoch-

rein (1) feststellen, daß von SS Patienten mit frischem Herzinfarkt, bei denen ein links-anteriorer Hemiblock aufgetreten war, nur elf elektrokardiographisch einen Hinterwandinfarkt aufwiesen. Godman und Mitarbeiter

(11) beobachteten unter Si Fällen von inkompletten bifaszikulären Schenkelblockierungen 47 mit frischen Vorderwandinfarkten, zwei mit Vorder- und Hinterwandinfarkten und nur in zwei Fällen einen Hinterwandinfarkt. Die auch von uns beobachtete hohe Letalität bei Vorderwandinfarkten, bei denen ein totaler AV-Block auftrat, entspricht den Literaturangaben (1, 11, 21). Es ist typisch für diese Verlaufsform des totalen AV-Blocks über den bilateralen Schenkeiblock beim Vorderwandinfarkt, daß die Vorhof-Kammer-Blockade schlagartig aus dem Sinusrhythmus entsteht (21). Eine stabile und hämodynamisch ausreichende Automatie - wie bei suprabifurkalen Leitungsunterbrechungen - tritt selten ein. Im Zusammenhang mit dieser Beobachtung sei auf die neuen Erkenntnisse der His-Bündel-Elektrographie hingewiesen. Eine stabile Automatie läßt sich meistens bei

suprabifurkalen Unterbrechungen des Reizleitungssystems beobachten (10).

Ein weiterer Grund für die höhere Letalität im Vergleich mit dem Hinterwandinfarkt ist der erhöhte Ausfall von Arbeitsmuskulatur (16, 21). Daher ist trotz frühzeitiger Stimulation bei Patienten mit frischem Vorderwandinfarkt, wie auch unsere Ergebnisse zeigen, die Letalität sehr hoch. Merx (21) berichtete über eine Letalität von über 50% bei Auftreten von Vorderwandinfarkten und Schenkeiblockierungen. Nach Godman

Deutsche Medizinische Wochenschrift

und Mitarbeitern (21) soll die Letalität bei frischem Herzinfarkt und Entwicklung eines trifaszikulären Blocks sogar bei 80% liegen (11). Bemerkenswert erscheint uns, daß wir bilaterale Blockierungstendenzen beim frischen Hinterwandinfarkt im wesentlichen in den-

jenigen Fällen feststellen konnten, bei denen anamnestisch oder elektrokardiographisch ein alter Vorderwandinfarkt bekannt war. Offenbar wird bei frischem Hinterwandinfarkt mit Verschluß der rechten Koronararterie, bei dem zusätzlich eine Stenose im Ramus descendens

anterior der linken Koronararterie vorliegt, bei ungünstiger hämodynamischer Situation die Versorgung des

rechten, aber auch des linken Tawara-Schenkels in seinem links-anterioren Anteil kritisch. Die Konstellation »frischer Hinterwandinfarkt und Vorderwandnarbe« be-

stand in elf von insgesamt 34 Fällen mit Hinterwandinfarkt. Zwei Patienten starben. Die übrigen neun Patienten benötigten eine permanente Schrittmachertherapie.

Auffallend klein ist die Zahl der Patienten, die nach frischem Vorderwandinfarkt einer ständigen Schrittmacherstimulation bedurften (n 3). Diese Beobachtung läßt sich nur so erklären, daß ein Großteil der Patienten mit frischen Vorderwandinfarkten, die theoretisch eine ständige Schrittmacherbehandlung benötigt, vor Erreichen dieses klinischen Stadiums nicht mehr am Leben ist.

Schlußfolgerung Nach unseren Beobachtungen sollten Patienten mit frischem Herzinfarkt, bei denen eine bifaszikuläre Blockie-

rung auftritt - auch in Form eines links-anterioren Hemiblocks und eines inkompletten Rechtsschenkelblocks -, umgehend elektrostimuliert werden. Leider verbessert aber die Schrittmachertherapie die Prognose für eine große Anzahl von Patienten mit Vorderwandinfarkten nicht (7, 11, 21). Neben Strukturen des Erregungsleitungssystems wird ein höherer Anteil des Arbeitsmyokards als beim Hinterwandinfarkt nekrotisiert, so daß die Pumpfunktion des Herzens häufig sehr

rasch versagt. Ein Großteil dieser Patienten stirbt im kardiogenen Schock. Für die Hinterwandinfarkte möchten wir folgende Schlußfolgerung ziehen: Im Vergleich zum Vorderwandinfarkt treten häufiger gutartige Verläufe auf, die nur kurzzeitige Elektrostimu-

lation erforderlich machen. Es ist aber nach unserer Auffassung berechtigt, bei bradykarden Herzrhythmusstörungen und AV-Blockierungen I. und II. Grades eine Elektrostimulation durchzuführen, vorausgesetzt, es wird eine Energiequelle mit Demandschaltung benutzt. Diese Patienten sind nach unseren Beobachtungen durch die Elektrostimulation keinem erhöhten Risiko ausgesetzt, wenn die Möglichkeit einer Elektrodefibrillation bei Ein-

legen der Sonde sofort genützt werden kann. Unsere Ergebnisse zeigen, daß Patienten mit frischen Hinterwandinfarkten und alten Vorderwandnarben besonders gefährdet sind, da es sich offenbar um Verschlüsse oder Stenosen von zwei großen Koronararterien handelt, wie auch die Obduktionsergebnisse belegten. Aus diesen Pa-

tienten rekrutiert sich der Hauptanteil von Fällen für'

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Lübcke u. a.: Elektrostimulation des Herzens beim akuten Herzinfarkt

eine permanente Schrittmacherversorgung nach Herzinfarkten. Weiterhin sieht man bei dieser Patientengruppe im Vergleich zu den Fällen mit frischem Hinterwandinfarkt, die nur eine passagere Elektrostimulation benötigten, in der zweiten bis dritten Woche nach dem Infarkt häufiger bleibende Vorhof-Kammer-Blockierungen bei sonst günstiger hämodynamischer Leistung des Herzens. Indirekt könnte diese Beobachtung eine Bestätigung der Angaben von Renggli und Schweizer (23) sein; sie beobachteten überwiegend bei Patienten mit Hinterwandinfarkten, die nur eine vorübergehende AVBlockierung hatten und später lediglich eine Sinusbrady-

kardie aufwiesen, ab der dritten Woche bei Vorhofstimulation eine Störung der Überleitung. Wahrscheinlich kommt es nach Bildung von Ödemen als Begleiterscheinung des benachbarten Herzinfarktes bei vorübergehender Besserung der AV-Uberleitung später wieder zu einer Verschlechterung durch irreversible Narbenbildung im Bereich suprabifurkaler Reizleitungsstrukturen. Ausreichende Nachuntersuchungen von Patienten mit Hinterwandinfarkten und passageren AV-Blockierungen sollten daher durchgeführt werden, um gegebenenfalls rechtzeitig eine Schrittmachertherapie einzuleiten. Literatur Beck, O. A., H. Hochrein: Häufigkeit und Prognose des links-anterioren Hemiblocks als Komplikation des akuten Herzinfarktes. Dtsch: med. Wschr. 99 (1974), 77.

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Dr. P. Lübcke, Dr. B. Lewerenz, Dr. C. Lübbert III. Medizinische Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses Altona 2000 Hamburg S0,,Paul-Ehrlich-Str. 1

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Nr. 14, 2. April 1976, 101. Jg.

[Results of pacing after acute myocardial infarction (author's transl)].

Indications for electrical pacing were present in 58 of 665 patients with acute myocardial infarction (8.7%). Posterior-wall infarction had occurred i...
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