Schwerpunkt: Was ist gesichert in der Therapie Internist 2014 · 55:1383–1390 DOI 10.1007/s00108-014-3557-z Online publiziert: 7. November 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 Schwerpunktherausgeber:

H. Haller, Hannover

F. Reining · J. Aberle Sektion Endokrinologie und Diabetologie, Universitäres Adipositas Zentrum Hamburg, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Chirurgische Therapie der Adipositas Aktueller Wissensstand

Indikationen zur chirurgischen Adipositastherapie In Deutschland lebt derzeit knapp 1 Mio. Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von >40 kg/m2, ungefähr 4 Mio. Menschen haben einen BMI von >35 kg/ m2 (. Abb. 1; [1]). Gemäß nationalen und internationalen Leitlinien ist eine chirurgische Therapie der Adipositas indiziert, wenn der BMI 40 kg/m2 überschreitet oder wenn bei einem BMI von >35 kg/ m2 erhebliche Komorbiditäten der Adipositas bestehen. Zudem dürfen konservative Versuche der Gewichtsreduktion nicht zum Therapieziel geführt haben [2]. Diese sehr unscharfe Formulierung wird in der Praxis häufig so ausgelegt, dass durch Ernährungs- (mindestens 6 Beratungstermine) und Bewegungstherapie eine Gewichtsreduktion von mindestens 10% innerhalb von 6 Monaten nicht erreicht werden konnte. Sollte eine Bewegungstherapie aufgrund körperlicher Beschwerden nicht möglich sein, kann auf sie verzichtet werden. Zusätzlich sind eine psychosomatische Stellungnahme sowie der Ausschluss endokrinologischer Ursachen der Adipositas notwendig. Die Indikation muss somit interdisziplinär gestellt werden.

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Die Indikation zur chirurgischen Therapie muss interdisziplinär gestellt werden Eine Umgehung konservativer Gewichtsreduktionsversuche vor einer chirurgi-

schen Therapie ist nur möglich, wenn der BMI >50 kg/m2 beträgt, besonders schwere Begleit- oder Folgeerkrankungen der Adipositas bestehen oder persönliche psychosoziale Umstände vorliegen, die den Erfolg einer Lebensstiländerung aussichtslos erscheinen lassen (. Tab. 1). Diese Empfehlung wird jedoch in der Begutachtung von Kostenübernahmeanträgen nicht in jedem Fall umgesetzt, da der Evidenzgrad lediglich bei 4 (Expertenkonsens) liegt. Die angeführten Hürden können viele Patienten mit Operationswunsch nicht überwinden. Aus diesem Grund ist die Anzahl adipositaschirurgischer Eingriffe in Deutschland sehr gering.

Deutschland GmbH). Der durchschnittliche BMI operierter Patienten lag 2013 bei etwa 48 kg/m2. Hinsichtlich der adipositaschirurgischen Verfahren sind die „sleeve gastrectomy“ (SG) und der Roux-en-Y-Magenbypass (RYGB) die am häufigsten durchgeführten Eingriffe (. Abb. 3, 4). Rein restriktive Verfahren wie das „gastric banding“ haben inzwischen eine untergeordnete Bedeutung (3,2% der Primäreingriffe im Jahr 2013).

Operative Verfahren und Operationsfrequenz

Der aus der Anzahl der Patienten mit Operationsindikation und der Anzahl der durchgeführten Operationen kalku-

Die Anzahl operativer Eingriffe ist hierzulande zwar im Steigen begriffen, die Operationsfrequenz nimmt aber nur sehr langsam zu und ist im Vergleich zu europäischen Nachbarländern sehr niedrig (. Abb. 2). Wurden beispielsweise in Belgien 2013 etwa 13.000 adipositaschirurgische Eingriffe durchgeführt, so waren es in Deutschland geschätzt 7200. Diese Zahl setzt sich aus den im Rahmen der Qualitätssicherungsstudie „Operative Therapie der Adipositas“ gewonnenen Daten, den Daten des Instituts für das Entgeldsystem im Krankenhaus (InEK, DRG K04) und einer geschätzten Dunkelziffer von 10–15% zusammen (persönliche Kommunikation mit C. Stroh, Gera, Qualitätssicherungsstudie und Covidien

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Einer von 500 Deutschen mit BMI >35 kg/m2 wird tatsächlich operiert

a

b

Abb. 1 8 Anzahl der Menschen in Deutschland, die formal die Indikationskriterien der Adipositaschirurgie erfüllen. a BMI 35–39,9 kg/m2 (Adipositas Grad 2): 2,63 Mio. b BMI >40 kg/m2 (Adipositas Grad 3): 0,96 Mio. BMI Body-Mass-Index Der Internist 12 · 2014 

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Schwerpunkt: Was ist gesichert in der Therapie Tab. 1  Indikationskriterien und Kontraindikationen der Adipositaschirurgie. (Adaptiert nach

[2]) Indikationskriterien

Kontraindikationen

BMI >40 kg/m2 oder BMI >35 kg/m2 und erhebliche Komorbiditäten der Adipositas nach Ausschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten Operationsindikation, ohne dass zuvor eine konservative Therapie durchgeführt wurde, bei einem BMI >50 kg/m2, bei besonders schweren Begleit- und Folgeerkrankungen der Adipositas oder bei persönlichen psychosozialen Umständen, die den Erfolg einer Lebensstiländerung aussichtslos erscheinen lassen Instabile psychopathologische Zustände Aktive Substanzabhängigkeit Unbehandelte Bulimia nervosa Schwere gesundheitlich einschränkende Erkrankungen, die sich durch den postoperativ katabolen Stoffwechsel verschlechtern können

BMI Body-Mass-Index.

Tab. 2  Prospektive, randomisierte Studien, die konservative Behandlungen mit operativen

Verfahren in der Diabetestherapie vergleichen Autor Schauer et al. [22]

Titel „Bariatric surgery versus intensive medical therapy for diabetes – 3-year outcomes“

Mingrone et al. [33]

„Bariatric surgery versus conventional medical therapy for type 2 diabetes“

Courcoulas et al. [34]

„Surgical vs medical treatments for type 2 diabetes mellitus: a randomized clinical trial“

Beschreibung Dauer: 3 Jahre Ergebnis: Überlegenheit operativer Maßnahmen (RYGB, SG) bei Patienten mit einem BMI von 37 kg/m2 und einem HbA1c-Wert von 8,2% Dauer: 2 Jahre Ergebnis: Überlegenheit operativer Maßnahmen (RYGB, BPD) bei Patienten mit einem BMI von 45 kg/m2 und einem HbA1c-Wert von 8,5% Dauer: 1 Jahr Ergebnis: Besseres Outcome bezüglich kardiovaskulärer Risikofaktoren in den operativen Therapiearmen (RYGB, LAGB) bei Patienten mit einem BMI von 35,5 kg/ m2

BMI Body-Mass-Index; BPD biliopankreatische Diversion; LAGB laparoskopisch adjustierbares Magenband; RYGB Roux-en-Y-Magenbypass; SG „sleeve gastrectomy“.

lierbare Prozentsatz liegt bei etwa 0,2. Also wird einer von 500 deutschen Patienten mit vorliegender Operationsindikation tatsächlich operiert.

Chirurgische Therapie Patienten mit BMI >40 kg/m2 Die Assoziation hoher BMI-Werte mit einer steigenden Mortalitätsrate ist durch viele Studien belegt [4]. Patienten mit einem BMI von 40–45 kg/m2 haben im Vergleich zu Menschen mit Normalgewicht eine um 6,5 Jahre kürzere Lebenserwartung, bei einem BMI von >50 kg/m2 sind es bereits knapp 10 Jahre [5]. Einen wissenschaftlichen Beleg für eine Reduk-

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tion der Mortalität durch konservative Maßnahmen hat erst die in diesem Jahr publizierte Da Qing Diabetes Prevention Study erbracht. Im Mittel betrug die Zeit bis zum Erreichen einer Mortalitätsreduktion 23 Jahre [6]. Die bedeutsamste Studie der Adipositaschirurgie ist die Swedish-Obese-Subjects(SOS)-Studie. Zwischen September 1987 und Januar 2001 wurden 4048 Patienten rekrutiert und in einem gematchten Zuteilungsverfahren entweder einer Adipositasoperation (n=2010) unterzogen oder dem konventionellen Therapiearm (n=2037) zugeordnet. Im Gegensatz zum heutigen Standard wurden 89% der Operationen offen durchgeführt. 1369 Patienten erhielten eine vertikale Gastroplastie

(„vertical banded gastroplasty“), 367 ein Magenband und 265 einen Magenbypass. Der primäre Endpunkt der SOS-Studie war die Gesamtmortalität. Nach 13 Jahren erreichte der Mortalitätsunterschied eine statistische Signifikanz [7]. Erklärbar ist die Reduktion der Mortalität v. a. durch eine im Vergleich zur Kontrollgruppe geringere Anzahl tödlicher kardiovaskulärer Ereignisse und eine verminderte Krebserkrankungsrate bei Frauen [8].

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In der SOS-Studie beeindruckt die nachhaltige Gewichtsreduktion nach operativem Eingriff Neben dem primären Endpunkt der Studie wurden zahlreiche sekundäre Endpunkte untersucht. Besonders beeindruckend ist die nachhaltige Gewichtsreduktion: 15 Jahre nach dem operativen Eingriff betrug sie noch 27% (Magenbypass), 18% (vertikale Gastroplastie) und 13% (Magenband). In der Kontrollgruppe blieb das Gewicht unverändert. Keine konservative Therapie erreicht derart konsistente Ergebnisse. Verbunden mit der Gewichtsreduktion war ein um 84% reduziertes Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2. Das Diabetes Prevention Program erreichte durch eine Lebensstilintervention nach 10 Jahren eine 34%ige Reduktion der Diabetesinzidenz [9]. Erwähnt werden muss jedoch, dass die SOS-Studie aufgrund ethischer Bedenken in den 1980er-Jahren nicht randomisiert durchgeführt wurde, sondern auf einem computergestützten 18-Punkte-MatchingVerfahren basierte. Zahlreiche retrospektive Analysen bestätigen die Ergebnisse aber [10, 11]. Sie gelten allerdings nur für Patienten mit einem BMI >40 kg/m2 und einem mittleren Lebensalter von etwa 45 Jahren. Aufgrund der Heterogenität der Adipositas lassen sie sich nicht bedenkenlos auf andere Erkrankungsgruppen übertragen.

Patienten mit BMI >35 kg/m2 und Diabetes mellitus Typ 2 Im Jahr 1995 publizierten Pories et al. [12] eine bis zum heutigen Tag viel zitier-

Schwerpunkt: Was ist gesichert in der Therapie te Arbeit mit dem Titel „Who would have thought it? An operation proves to be the most effective therapy in adult-onset diabetes mellitus“. Vorausgegangen war die Beobachtung, dass es bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 unmittelbar postoperativ zu einer rapiden Verbesserung der Blutzuckerstoffwechsellage kommt. Inzwischen ist dieser Zusammenhang in einer Vielzahl von Arbeiten beschrieben worden. Als problematisch erweist sich dabei allerdings die sehr unterschiedliche Auslegung einer Diabetesremission. Erst 2009 hat die American Diabetes Association eine einheitliche Definition festgelegt. Demnach muss der HbA1c-Wert über mindestens ein Jahr 35 kg/m2 eine operative Therapie anzubieten, wenn der individuelle HbA1c-Zielwert durch Ausschöpfung der in den Leitlinien der American Diabetes Association und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) vorgegebenen konservativen Ansätze nicht erreicht wurde. Diese Beurteilung und somit die Indikationsstellung zur Operation liegt allerdings eindeutig in der Hand des Diabetologen, Internisten oder Hausarztes und darf nicht rein chirurgisch gestellt werden. Der Diabetes mellitus Typ 2 ist eine progrediente Erkrankung. Eine Umkehr der diabetischen Stoffwechsellage in eine anhaltende Euglykämie durch eine Gewichtsreduktion ist nur in sehr frühen Stadien möglich. Daher ist auch in der Adipositaschirurgie – oder metabolischen

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Chirurgie – zu beobachten, dass die Verbesserung des Diabetes mellitus besonders deutlich ist, wenn die Erkrankung 35 kg/m2 ebenfalls nachgewiesen. Patienten mit einem Operationswunsch müssen jedoch zahlreiche Voraussetzungen erfüllen, damit eine Kostenübernahme durch die Krankenversicherungen erfolgen kann. Die Behandlung muss in einem interdisziplinären Umfeld mit ausreichender Erfahrung erfolgen. An die Operation schließt sich eine lebenslange Nachsorge an. Aufgrund der Komplexität des Patientenkollektivs sollte die Zukunft der operativen Adipositastherapie von einer Zentrenbildung mit gelebter interdisziplinärer Infrastruktur geprägt sein. Schlüsselwörter Bariatrische Chirurgie · Diabetes mellitus Typ 2 · Duodenojejunaler Bypass · BodyMass-Index · Nachsorge

Surgical treatment of obesity. Status quo Abstract Obesity surgery has a proven beneficial effect on mortality for patients with a body mass index (BMI) >40 kg/m2. For patients with type 2 diabetes and a BMI >35 kg/m2, obesity surgery has also shown to improve metabo­lic control compared to conservative therapy. Treatment should be embedded in an interdisciplinary and experienced setting. Lifelong follow-up is mandatory. Due to the complexity of the patient collective, future treatment should focus on centers with a true interdisciplinary infrastructure. Keywords Bariatric surgery · Diabetes mellitus, type 2 · Duodenojejunal bypass · Body mass index · Aftercare

9000 SG

8000

RYBG Adipositaschirurgische Eingriffe gesamt

7000

Anzahl Operationen

6000 5000 4000

Abb. 3 8 „Sleeve gastrectomy“. (Mit freundl. Genehmigung der Covidien Deutschland GmbH)

3000 2000 1000 0

2009

2010

2011

2012

2013

2014a

Jahr

Abb. 2 8 Anzahl der adipositaschirurgischen Eingriffe in Deutschland. Zu beachten ist eine geschätzte Dunkelziffer von 15–20%. a Schätzung gemäß Covidien Deutschland GmbH. RYGB Roux-en-Y-Magenbypass; SG „sleeve gastrectomy“. (Adaptiert nach [3])

rolle der diabetischen Stoffwechselsituation ermöglichen, kann ein solches Vorgehen in Ausnahmefällen diskutiert werden.

Effekt der Adipositaschirurgie auf Komorbiditäten und die Lebensqualität Die Diabetesprävalenz in mono- oder multizentrischen Kohorten von Patienten nach Adipositaschirurgie liegt meist bei etwa 30%. Auf den ersten Blick erscheint dies gering, das durchschnittliche Operationsalter liegt jedoch in der Regel bei 40–50 Jahren. Es ist zu vermuten, dass die Operation häufig noch vor der Manifestation des Diabetes durchgeführt wird. Dennoch bleibt ein kleiner Teil der adipösen Menschen metabolisch gesund („healthy obese“). Die Indikation zur Operation muss in diesen Fällen selbst bei einem BMI >40 kg/m2 hinterfragt werden. Neuere Algorithmen zur Indikationsstellung versuchen dies zu berücksichtigen [20]. Bei nahezu allen Patienten kommt es jedoch zu einer Einschränkung der Mobilität und zu Gelenkerkrankungen. Hinzu kommt ein häufig nicht diagnostizier-

tes Schlafapnoesyndrom. In retrospektiven Analysen zeigt sich auch in Bezug auf diese Komorbiditäten der Adipositas eine erhebliche Verbesserung. So konnten die Autoren in der Auswertung eines eigenen Kollektivs eine etwa 70%ige Verbesserung von Gelenkbeschwerden und eine Senkung der Atemwegsobstruktion feststellen [21]. Gerade die Mobilitätsverbesserung trägt erheblich zu der in den meisten Fällen steigenden Lebensqualität bei. Schauer et al. [22] konnten dies an 150 Diabetikern eindeutig belegen. Dennoch kann es in Einzelfällen durch die anfänglich erzwungene Nahrungsrestriktion zu einer Verschlechterung des mentalen Befindens kommen. Jeder Patient muss daher präoperativ psychosomatisch und psychologisch eingeschätzt und ggf. in eine flankierende Therapie eingebunden werden.

Qualität der Operation und Auswahl des Behandlungszentrums Zahlreiche Studien belegen inzwischen, dass die peri- und postoperative Kompli-

kationsrate eng mit der pro Jahr durchgeführten Anzahl an Operationen in einem Behandlungszentrum verknüpft ist [23]. Dies betrifft jedoch nicht nur die Expertise des Adipositaschirurgen, sondern auch die gesamte Behandlungsstruktur. Innere Medizin (Endokrinologie, Diabetologie), Endoskopie, Intensivmedizin und Pflege sollten über ausreichende Kenntnis und Erfahrung im Umgang mit diesem sehr besonderen Patientenkollektiv verfügen. Die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Adipositastherapie und metabolische Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) greift dies mit einem Zertifizierungssystem bereits auf (http://www. dgav.de). Es ist jedoch sehr chirurgisch orientiert und sollte durch ein interdisziplinäres System ergänzt oder ersetzt werden.

Nachsorge und Komplikationen Eine lebenslange Nachsorge ist ein integraler Bestandteil der Adipositaschirurgie. Ohne eine ausreichende und überwachte Supplementation von Nährstoffen entwickeln bis zu 80% der Patienten schwere Mangelzustände [24]. Mehrere Fachgesellschaften haben inzwischen strukturierte Empfehlungen zu dieser Problematik formuliert [25]. Die Nachsorgeadhärenz beträgt laut verschiedenen Publikationen 20–80%. Neben unerkannten alimentären Komplikationen ist eine fehlende postoperative Betreuung der Patienten mit einer geringeren Gewichtsreduktion assoziiert [26]. Derzeit werden in etwa 140 deutDer Internist 12 · 2014 

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Schwerpunkt: Was ist gesichert in der Therapie

Abb. 5 8 a, b EndoBarrier®. (Mit freundl. Genehmigung von GI Dynamics Germany GmbH) Abb. 4 8 Roux-Y-Magenbypass. (Mit freundl.  Genehmigung der Covidien Deutschland  GmbH)

schen Krankenhäusern adipositaschirurgische Eingriffe durchgeführt. In Anbetracht der erschreckend geringen Anzahl von Nachsorgeambulanzen besteht hier großer Optimierungsbedarf. Neben der ernährungsmedizinischen Nachbetreuung der Patienten gehört auch die Erkennung von Komplikationen zu einer differenzierten postoperativen Betreuung. Postop erative Hyp oglykämien („Dumping-Syndrom“) finden sich bei 15–70% der Patienten nach Magenbypassoperationen [27, 28]. Die klinische Ausprägung ist sehr unterschiedlich, kann allerdings in einigen Fällen mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität assoziiert sein. Meist treten die Symptome 2–4 h postprandial auf, in der Regel sind sie selbstlimitierend. Viele Patienten reagieren jedoch mit starken vegetativen Symptomen und kompensieren diese durch Kalorienaufnahme, was zu einer erneuten Zunahme des Körpergewichts führen kann. Etwa 60–70% der weiblichen Patienten wünschen sich eine kosmetische Korrektur von überschüssigen Hautfalten. Die Kostenerstattung durch die Krankenversicherungen erfolgt jedoch in der Regel nur bei dringender medizinischer Notwendigkeit. Patienten sollten daher präoperativ über diesen Umstand aufgeklärt werden.

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Ausblick Neben den rein operativen Verfahren etablieren sich zunehmend neue endoskopische Ansätze, welche die anatomischen Veränderungen der Operationen nachahmen. Derzeit findet v. a. das EndoBarrier®-System („duodenojejunal bypass liner“) zunehmende Beachtung (. Abb. 5). Durch Einbringen eines etwa 60 cm langen Teflonschlauchs (Fluorpolymer) in den proximalen Dünndarm werden die Effekte der Magenbypassoperation nachgeahmt. Die DDG und die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) haben sich in einer wissenschaftlichen Stellungnahme zur Indikation des EndoBarrier® positioniert [29]. Demnach ist das System eine Therapieoption für erwachsene Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und einem BMI von 30–45 kg/m2, wenn sie unter einer dualen oralen antidiabetischen Medikation oder (erhöhten) Insulindosen ihr persönliches Therapieziel innerhalb von 3–6 Monaten nicht erreichen. Der EndoBarrier® wird temporär eingesetzt und nach einem Jahr explantiert. Mit dem Verfahren kann eine Gewichtsreduktion von etwa 20% des Köpergewichts erreicht werden [30]. Von besonderem Interesse ist jedoch die rasche Verbesserung des Glukosestoffwechsels, die zumindest teilweise unabhängig vom Gewichtsverlust ist [31]. De Moura et al. [32] konnten eine HbA1c-Reduktion von durchschnittlich 2,3% nach 52 Wochen

zeigen. Die Patientenzahl der bisherigen Studien ist jedoch mit maximal 80 Probanden sehr gering, sodass weitere Studien zur Effektivität und Sicherheit sowie die Ergebnisse des derzeit geführten EndoBarrier®-Registers abzuwarten sind. Die Zukunft der Adipositaschirurgie sollte von der Weiterentwicklung interdisziplinärer Zentren geprägt sein, in denen die prä-, peri- und postoperative Therapie der Patienten gewährleistet ist.

Fazit für die Praxis F  Die Adipositaschirurgie sollte bei Patienten mit einem BMI >40 kg/m2  bzw. mit einem BMI >35 kg/m2 und  Kormorbiditäten als Therapieoption  in Erwägung gezogen werden. F  Die Hürde der Kostenübernahmebeantragung kann in der Regel nur mit  Unterstützung des behandelnden  Hausarztes überwunden werden. F  Operationen sollten nur in dafür ausgelegten Einrichtungen mit ausreichender interdisziplinärer Expertise  erfolgen. F  Jede Operation erfordert eine lebenslange Nachsorge. Diese muss  bereits vor der Operation koordiniert  werden.

Schwerpunkt: Was ist gesichert in der Therapie Korrespondenzadresse PD Dr. J. Aberle Sektion Endokrinologie und Diabetologie, Universitäres Adipositas Zentrum Hamburg, Universitätsklinikum HamburgEppendorf Martinistr. 52, 20246 Hamburg [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  F. Reining gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. J. Aberle: Vortragshonorare von Covidien GmbH Deutschland. Forschungsunterstützung durch Novo Nordisk, Covidien Deutschland GmbH, GI Dynamics.     Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Surgical treatment of obesity: status quo].

Obesity surgery has a proven beneficial effect on mortality for patients with a body mass index (BMI) >40 kg/m(2). For patients with type 2 diabetes a...
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