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Gezielte Therapie der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) Targeted therapy of pulmonary arterial hypertension (PAH)

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Pneumologie Übersicht | Review article

Schlüsselwörter Pulmonale Hypertonie Pulmonal arterielle Hypertonie Gezielte Therapie der PAH Therapiealgorithmus Kombinationstherapie

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Keywords pulmonary hypertension pulmonary arterial hypertension targeted therapy treatment algorithm combination therapy

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H. Klose1 C. Opitz2 H. Bremer3 R. Ewert4 D. Bonderman5 S. Rosenkranz6 W. Seeger7,8 A. Schmeißer9 L. Harbaum1 M. Buerke10 H. Ardeschir Ghofrani7,8 M.M. Borst11 H.H. Leuchte12 T.J. Lange13 J. Behr14,8 S. Ulrich15 I. Lang16 H. Olschewski17 H. Gall7,8 H.-J. Kabitz18 F.-X. Kleber19 M. Held20 M.M. Hoeper21 E. Grünig22,8 Institutsangaben am Ende der Arbeit

Vorbemerkung ▼ Dieser Artikel ist Teil eines Supplements der Deutschen Medizinischen Wochenschrift, in dem die Ergebnisse des PH-DACH-Symposiums wiedergegeben werden, das im Oktober 2014 in Heidelberg stattfand. Das PH-DACH-Symposium wird jährlich von der Arbeitsgruppe 25 (Pulmonale Hypertonie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK)) und der Arbeitsgemeinschaft PH-DACH der DGK, der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) und Pädiatrische Kardiologie (DGPK) organisiert. Das Symposium 2014 befasste sich schwerpunktmäßig mit der praktischen Umsetzung der Neuerungen und Änderungen nach der Weltkonferenz in Nizza im Februar 2013 zur Diagnostik und Therapie der pulmonalen Hypertonie in Deutschland. Dazu wurden verschiedene Arbeitsgruppen initiiert, von denen sich eine der gezielten Therapie der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) widmete. Die Autoren sind Mitglieder dieser Arbeitsgruppe. Die Angaben zu Empfehlungsgraden und Evidenzlevel entsprechen den in Nizza überarbeiteten European Respiratory Society und European Society of Cardiology (ERS/ESC)-Leitlinien [1].

eingereicht 04.11.2014 akzeptiert 06.11.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1387489 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 139: S142–S150 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. Hans Klose Sektion Pneumologie Universitätsklinikum HamburgEppendorf Martinistr. 52 20246 Hamburg eMail [email protected]

Einleitung ▼ In den vergangenen Jahren gab es bei der Therapie der PAH außergewöhnliche und wichtige Entwicklungen. Die moderne medikamentöse Therapie führt zu einer signifikant verbesserten Symptomatik und Leistungsfähigkeit der Patienten und verlängert die Zeit bis zum Eintritt von klinischer Verschlechterung („time to clinical worsening“, TTCW). Darüber hinaus zeigte eine Meta-Analyse aus 23 randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) eine 43 %-ige Reduktion der Sterblichkeit und eine 61 %-ige Verringerung der Hospitalisierungsrate bei PAH-Patienten, welche mit gezielten

PAH Medikamenten behandelt wurden, im Vergleich zu Patienten, die ein Placebo erhielten [2]. Diese Ergebnisse, die nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 14,3 Wochen erzielt wurden, unterstützten die Aussage, dass die derzeit zugelassenen PAH-Medikamente wirksam sind. Trotz aller Fortschritte bleibt die PAH eine chronische Erkrankung, für die es bisher keine Heilung gibt. Darüber hinaus sind die Behandlungsoptionen für Patienten mit fortgeschrittener PAH in vielen Fällen mit einer erheblichen Invasivität, hohen Kosten und/oder ungünstigem Nebenwirkungsspektrum verbunden (z. B. kontinuierliche parenterale Prostanoidtherapie). Die Therapie der PAH-Patienten sollte nicht nur als einfache Verschreibung von Medikamenten verstanden werden, sondern umfasst eine komplexe interdisziplinäre Strategie, welche die Beurteilung des Schweregrades der Erkrankung, den Einsatz von allgemeinen Maßnahmen, die Beurteilung der Vasoreaktivität, die Abschätzung der Wirksamkeit und der Kombination verschiedener Medikamente sowie die Abwägung interventioneller oder operativer Maßnahmen (z. B. atriale Septostomie, Ballonangioplastie, Lungentransplantation) mit einschließt. Jeder dieser Schritte erfordert eine große Erfahrung und ein umfassendes Wissen der behandelnden Ärzte, um die verfügbaren Ressourcen optimal einzusetzen. Die auf dem 5. PH-Weltkongress in Nizza (2013) [3] erarbeiteten Therapieempfehlungen gliedern sich in 3 Bereiche: die Basistherapie (siehe Beitrag ab S. S 136), die Therapie mit sogenannter gezielter PAHMedikation sowie die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung/Eskalation der Therapie. Es existieren verschiedenste Ziele, die im Laufe einer „zielgerichteten“ Therapie erreicht werden sollten [3]. In naher Zukunft werden die Zulassung weiterer Medikamente und die Veröffentlichung wichtiger Studienergebnisse erwartet. Hierdurch wird aller Voraussicht nach die PAH-Therapie richtungsweisende Impulse erhalten.

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S 142

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Parameter in klinischem Gebrauch, die herangezogen werden das Therapieansprechen zu evaluieren (nach [4]).

Parameter

Ziel

WHO-Funktionsklasse

I oder II

Echokardiographie/kardiale Magnetresonanztomographie

Normale bzw. annähernd normale rechtsventrikuläre Größe und Funktion

Hämodynamik

Normalisierung der rechtsventrikulären Funktion (RAP  2,5–3,0 l/min/m²)

6-Minuten-Gehstrecke

> 380 bis 440 m; möglicherweise zu gering bei jüngeren Patienten

Spiroergometrie

Peak VO2 > 15 ml/min/kg und EqCO2AT  380 m auf > 380 bis 440 m angehoben. Bei jüngeren Patienten mag selbst dieses Therapieziel zu niedrig angesetzt sein. Völlig neu ist die Ergänzung der spiroergometrischen Ziele um das Atemäquivalent des CO2an der anaeroben Schwelle. Bei den BNP-Spiegeln wird eine Normalisierung (statt Senkung oder Normalisierung) verlangt und der Herzindex soll nun > 2,5–3,0 L/min/m2 (statt vorher > 2,5 L/min/m2) erreichen (q Tab. 1). Patienten, die diese Ziele unter einer gezielten Therapie nicht erreichen, haben in der Regel eine schlechtere Prognose als Patienten, die sie erreichen. Daher sollte die Therapie anhand dieser Ziele gesteuert werden [4]. Für die Untergruppe der assoziierten PAH gelten diese Therapieziele nicht uneingeschränkt. Bei z. B. mit systemischer Sklerose assoziierter PAH sind die typischen funktionellen Ziele – WHO-Klasse und 6MWD sowie die Biomarker N-terminales proBNP (NTproBNP) – wegen der systemischen Komponente der Erkrankung weniger verlässlich [4–6].

Basistherapie ▼ Die Basistherapie stellt die Grundlage zur Erreichung der Therapieziele dar und beinhaltet Allgemeinmaßnahmen wie kontrolliertes körperliches und mentales Training in spezialisierten Zentren, die Behandlung von Begleiterkrankungen inklusive Depression, die orale Antikoagulanzien (Idiopathische PAH und chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie), die Gabe von Diuretika nach klinischer Indikation, eine leitliniengerechte Sauerstoffgabe und die effektive Schwangerschaftsverhütung. Da sich ein separater Artikel in diesem Supplement der allgemeinen Therapie widmet, wird hierauf nicht näher eingegangen.

Gezielte medikamentöse Therapie ▼ Eine gezielte PAH-Therapie mit dafür zugelassenen Medikamenten sollte bei Patienten mit einer im Rechtsherzkatheter (RHK) bestätigten PAH erfolgen, die entweder einen negativen Vasoreaktivitätstest haben oder trotz positiver Vasoreaktivität ihre

Therapieziele unter der Gabe von Kalzium-Antagonisten („Calcium-Channel-Blockers“, CCB) nicht erreicht haben. Die Angaben zu Empfehlungsgraden und Evidenzlevels basieren auf publizierten Daten und entsprechen den in Nizza überarbeiteten ERS/ESC-Leitlinien. Zusätzlich erfolgt eine Therapiestratifizierung auf dem Boden der funktionellen Einschränkung der Patienten nach der WHO-Funktionsklasse. Insgesamt konnte eine Metaanalyse der bislang publizierten Therapiestudien bei PAH zeigen, dass eine gezielte medikamentöse PAH-Therapien die Mortalität bei einer Therapiedauer von ca. 4 Monaten im Vergleich zu Placebo um 40 % reduzieren kann [7]. Aktuell stehen vier verschiedene Gruppen gezielter PAHMedikamente zur Verfügung. Alle vier Gruppen wirken auf das Endothel und/oder die Media der Pulmonalarterien. EndothelinRezeptor Antagonisten (Ambrisentan, Bosentan, Macitentan) blockieren die vasokonstriktive und proliferative Wirkung des Endothelins. Phosophodiesterase-5-Inhibitoren (Sildenafil, Tadalafil) verstärken die Wirkung des gefäßdilatierenden Stickstoffmonoxids (NO). Der Guanylatcyclase-Stimulator Riociguat hat eine ähnliche gefäßerweiternde Wirkung wie NO, kann jedoch auch unabhängig vom NO diese Wirkung entfalten. Auch Prostaglandine (Iloprost, Epoprostenol, Treprostinil) haben eine starke vasodilatierende Wirkung über den Prostaglandinrezeptor mit zusätzlicher Inotropie auf das rechtsventrikuläre Myokard. Die Daten aus verschiedenen, teils Zulassungsstudien (ARIES-1und -2-, EARLY-, SERAPHIN-, SUPER-1-, PHIRST- und PATENT) rechtfertigen die Therapieempfehlung für Endothelin-Rezeptor Antagonisten (ERA), Phosophodiesterase-5-Inhibitoren (PDE-5Inhibitor) oder den Guanylatcyclase-Stimulator Riociguat bereits ab einer WHO-Funktionsklasse II. Eine Übersicht der aktuell zugelassen Substanzen mit den zugehörigen Zulassungsstudien, geordnet nach pathophysiologischen Gesichtspunkten gibt q Tab. 2.

Kalzium-Antagonisten ▼ Kalzium-Antagonisten werden ausdrücklich nur bei Patienten mit idiopathischer, hereditärer oder Appetitzügler-assoziierter PAH (nicht bei anderen Formen der PAH) empfohlen, welche die so genannten Responder-Kriterien während der RHK-Untersuchung erfüllen. Hierzu gehört ein Abfall des mittleren pulmonal arteriellen Druckwerts (mPAP) unter 40 mmHg und um mehr als 10 mmHg gegenüber dem Ausgangswert vor der Testung bei gleichbleibendem oder verbessertem Herzzeitvolumen. Die Testung erfolgt in der Regel inhalativ mit NO, Iloprost oder intravenös mit Adenosin [8]. Die Therapie sollte nur in Zentren begon-

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: S142–S150 · H. Klose et al., Gezielte Therapie der …

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Tab. 1

S 143

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Tab. 2

Spezifische Medikamente zur gezielten Therapie der PAH mit Zulassung in Deutschland.

Wirkstoff

Indikation (WHO-Funktionsklasse)

Dosierung[1]

RCT

Ambrisentan (p. o.)

II-III

1 × 5–10 mg/d

ARIES-1,

Bosentan (p. o.)

II-III

2 × 125 mg/d

Macitentan (p. o.)

II-III

1 × 10 mg/d

SERAPHIN

Sildenafil (p. o.)

II-III

3 × 20 mg/d

SUPER-1

Tadalafil (p. o.)

II-III

1 × 40 mg/d

PHIRST

Epoprostenol (i. v.)

III-IV

-

-

Iloprost (inhal.)

III

6–9 × 2,5–5 μg/d

AIR

Treprostinil (s. c.)

III (nur IPAH)

-

-

II-III

3 × 1–2,5 mg/d

PATENT

Endothelin-Rezeptor-Antagonisten ARIES-2 EARLY, BREATHE Phosphodiesterase-5-Inhibitoren

Prostaglandine

Guanylatcyclase-Stimulatoren Riociguat 1 Gilt für Erwachsene Patienten

nen werden, die umfangreiche Erfahrungen mit PAH-Patienten haben, da eine falsch indizierte Therapie mit CCB fatale Konsequenzen haben kann. Patienten, die unter dieser Therapie nicht dauerhaft in die WHO-Funktionsklasse I oder II gelangen und deren Hämodynamik sich im Rahmen der oben genannten Testung nicht weitgehend normalisiert, sollten nicht mit CCB, sondern mit den unten aufgeführten PAH Medikamenten behandelt werden.

Endothelin-Rezeptor-Antagonisten ▼ Aktuell sind 3 verschiedene Substanzen aus dieser Gruppe für die Therapie der PAH (Gruppe I nach Nizza) in den WHO-Funktionsklassen II und III zugelassen (Ambrisentan, Bosentan und Macitentan). Bosentan ist aufgrund der EARLY- [Endothelin Antagonist Trial in Mildly Symptomatic Pulmonary Arterial Hypertension Patients] und der BREATHE-1-Studie [Bosentan Randomized trial of Endothelin Antagonist Therapy for pulmonary hypertension] für Patienten mit PAH der WHO-Funktionsklasse II und III zugelassen. In der EARLY-Studie wurden Patienten mit PAH der WHO-Funktionsklasse II über 6 Monate mit dem ERA Bosentan oder Placebo behandelt. In der Verum-Gruppe wurde der kombinierte primäre Endpunkt nur für den pulmonal vaskulären Widerstand, nicht aber für die 6MWD signifikant verbessert. Es ergab sich jedoch in der Bosentan-Gruppe nach 6 Monaten eine klinische Stabilisierung, gemessen an einer signifikanten Verlängerung der TTCW [9]. In den ARIES-1- und -2-Studien [Ambrisentan in Pulmonary Arterial Hypertension, Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled, Multicenter, Efficacy Studies] zeigte Ambrisentan im Vergleich zu Placebo eine signifikante Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit, gemessen am primären Studienendpunkt 6MWD [10]. In der SERAPHIN-Studie [Study with an Endothelin Receptor Antagonist in Pulmonary Arterial Hypertension to Improve Clinical Outcome] wurden 742 Patienten mit PAH über durchschnittlich 100 Wochen entweder mit 1 × 3 mg/d oder 1 × 10 

mg/d Macitentan oder Placebo behandelt [11]. Primärer Endpunkt war die Zeitdauer bis zum ersten Auftreten einer Komponente des kombinierten Endpunktes aus Tod, atrialer Septostomie, Lungentransplantation, Therapiebeginn mit einem Prostanoid (i. v. oder s. c.) oder Verschlechterung der PAH. Die Behandlung mit Macitentan reduzierte diesen kombinierten Endpunkt signifikant; die Hazard Ratio für 10 mg/d betrug 0,55 (95 %-Konfidenzintervall (KI) 0,39–0,76; p 

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