Leitthema Hautarzt 2015 · 66:184–188 DOI 10.1007/s00105-015-3582-4 Online publiziert: 14. Februar 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

P. Elsner · S. Schliemann Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland

Zum Begriff der beruflichen Hautkrankheit Medizinische und rechtliche Aspekte

Was unter den Begriffen „Haut“ und „Hauterkrankung“ zu verstehen ist, erscheint vielen Dermatologen selbstverständlich. Dabei wird leicht übersehen, dass sich die – auch nicht einheitlichen – medizinisch-wissenschaftlichen Definitionen des Hautorgans und der Hauterkrankung wesentlich von rechtlichen Definitionen unterscheiden können. Die rechtlichen Definitionen der Hauterkrankung aber sind wiederum wichtig für die Kenntnis der Rechte und Pflichten des Dermatologen bei Diagnose, Therapie und ggf. Meldung der ihm anvertrauten Patienten. Dies führt leicht zu Missverständnissen, weshalb stets eine Begriffsklärung angestrebt und klar kommuniziert werden sollte, in welchem Kontext die Begriffe „Haut“ und „Hauterkrankung“ verwendet werden.

Medizinisch-wissenschaftliche Definition der Haut und der Hauterkrankung Anatomisch werden zu der „Hautdecke“ (Integumentum commune) die „Haut in engerem Sinne“ (Kutis) und die Unterhaut oder Subkutis (Tela subcutanea) gezählt, wobei bei Ersterer die epitheliale Oberhaut (Epidermis) und die innere Lederhaut (Dermis, Korium) unterschieden werden [1]. Funktionell wird die Hautdecke definiert als äußere Körperoberfläche und somit die physikalische Barriere des Organismus zur Außenwelt [1]. In dem führenden Lehrbuch der Dermatologie im deutschen Sprachraum wird die Haut abweichend von der anatomischen Definition unter Einschluss der

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Subkutis wie folgt definiert [2]: „Die Haut besteht aus morphologisch und funktionell distinkten Untereinheiten: Epidermis, derma-epidermale Junktionszone (Basalmembran), Dermis und Subkutis.“ Eine Definition der Hauterkrankung findet sich bemerkenswerterweise in diesem Werk nicht. Einen ganz anderen, funktionalen Ansatz zur Definition der Haut verwendet das derzeit führende amerikanische Lehrbuch der Dermatologie, in dem es heißt [3]: „Die Funktion und Struktur der Haut wird am besten nicht durch Abbildungen und Tabellen dargestellt, sondern durch die Krankheiten, die zeigen, wie die Haut versagen kann. So zeigt sich die Funktion durch die Krankheit, und die Krankheit erklärt die Struktur.“ Eine medizinische Definition der Hauterkrankung lässt sich aus der Negation des umfassenden Gesundheitsbegriffes der World Health Organization (WHO) von 1948 ableiten, nach der Gesundheit definiert ist als „völliges körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit oder Schwäche“ [4]. Danach wäre eine Hauterkrankung zu definieren als eine krankhafte Veränderung des Hautorgans mit der Folge einer Störung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Dies deckt sich auch mit der Definition der Krankheit in der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, die diese „als Störung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“ bezeichnet [5].

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Eine Hauterkrankung ist eine krankhafte Veränderung des Hautorgans mit der Folge einer Störung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens Medizinisch objektiver (und damit mit geeigneten Instrumenten quantifizierbar) ist eine Definition von Krankheit, wonach es sich um einen Zustand des menschlichen Organismus handelt, „der gegenwärtig oder potentiell dessen Überleben, Reproduktionsfähigkeit oder Lebensqualität beeinträchtigt“ [6].

Rechtliche Definitionen der Haut und der Hauterkrankung In der medizinischen Definition der Hautkrankheit spielt die Ursache einer Erkrankung primär keine Rolle. Dies gilt auch für die Definitionen der Hautkrankheit (.  Tab.  1) im Recht der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung, wo sich Kausalitätsfragen allenfalls sekundär bei Erstattungsansprüchen stellen, etwa bezüglich drittverursachter Gesundheitsschäden (§ 294 SGB V). Anders ist dies jedoch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, wo die kausale Beziehung zu beruflichen Einwirkungen im Begriff der Hauterkrankung inkludiert ist.

Begriff der Hauterkrankung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung „Krankheit“ im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung meint nach der

Tab. 1  Medizinische und rechtliche Definitionen der Hauterkrankung Medizinisch (WHO)

Rechtlich: Gesetzliche Krankenversicherung

Private Krankenversicherung

Gesetzliche Unfallversicherung

Definition Krankhafte Veränderung des Hautorgans mit der Folge einer Störung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens Regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Hautzustand, der zur Einschränkung der Körperfunktion führt oder entstellend ist und der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht Unabhängig von den subjektiven Vorstellungen des Versicherungsnehmers objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler Hautzustand, der eine Behandlung medizinisch notwendig macht Ziffer 5101 der Berufskrankheitenverordnung (BKVO): Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können

Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) einen „regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht“ [7]. Die Definition beinhaltet damit einerseits einen objektiv festzustellenden Zustand des Körpers oder des Geistes, der „regelwidrig“ sein und vom „Leitbild des gesunden Menschen“ abweichen muss. Dies genügt jedoch für sich allein noch nicht, vielmehr muss zusätzlich eine ärztliche Behandlungsbedürftigkeit oder eine Arbeitsunfähigkeit bestehen. In einem weiteren Urteil führt das BSG aus, dass ein Krankheitswert im Rechtssinne nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zukommt. „Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt.“ [8] Unter „Entstellung“ versteht das BSG dabei einen „objektiven Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet“ [7]. Unter Bezug auf einen Leistungsanspruch des Patienten gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist daher vom Hautarzt zu prüfen: 1. Liegt eine Beeinträchtigung der Hautfunktion(en) vor oder leidet der Patient unter einer entstellenden Hauterkrankung, die so erheblich ist, dass

sie seine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet? 2. Falls 1 zutrifft, liegt ärztliche Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit vor? Erst wenn beide Bedingungen bejaht werden und nicht davon auszugehen ist, dass es in einem vernünftigerweise hinzunehmenden Zeitrahmen zu einer Spontanheilung kommt, dürfen vom Hautarzt Leistungen zulasten der GKV veranlasst werden.

Begriff der Hauterkrankung im Recht der privaten Krankenversicherung In der privaten Krankenversicherung (PKV) steht der Begriff der Krankheit ähnlich wie bei der GKV in engem Zusammenhang mit der Definition des Versicherungsfalles dieses Versicherungszweiges. Entsprechend den „Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/ KK 2009)“ ist ein Versicherungsfall der PKV die „medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen“ [9]. Nach der Feststellung des Bundesgerichtshofs (BGH) wird damit das, was den Versicherungsfall ausmacht, „inhaltlich zum einen durch die Bezeichnung eines die Be­ handlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes ausgefüllt, zum anderen da-

durch festgelegt, daß es sich bei der Behandlung um eine ‚Heilbehandlung‘ handeln und diese ‚medizinisch notwendig‘ sein muß“ [10]. Als Heilbehandlung ist dabei „jegliche ärztliche Tätigkeit anzu­ sehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leis­ tung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt“. Eine „medizinisch notwendige“ Heilbehandlung liegt dann vor, „wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen“ [10]. Als „Krankheit“ im Sinne der Tarifbestimmungen der PKV definiert der BGH einen „unabhängig von den subjektiven Vorstellungen des Versicherungsnehmers objektiv nach ärztlichem Urteil bestehenden anomalen Körper- oder Geisteszustand“ [11]. Anders als im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Hautkrankheitsdefinition der PKV also nicht auf eine Beeinträchtigung der Hautfunktion(en) oder eine entstellende Wirkung der Hautkrankheit bezogen; es genügt die nach ärztlichem Urteil objektive Anomalität.

Begriff der Hauterkrankung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung Nicht alle Hauterkrankungen, die nach dermatologischer Einschätzung beruflich verursacht oder mitverursacht sind, erfüllen auch die Kriterien von Berufskrankheiten im rechtlichen Sinne. Berufskrankheiten sind gesetzlich definiert als „Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden“ (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Der § 9 Abs. 2 SGB VII verpflichtet – im Sinne einer Öffnungsklausel – die Unfallversicherungsträger dazu, eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimm­ ten Voraussetzungen nicht vorliegen, „wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Der Hautarzt 3 · 2015 

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Zusammenfassung · Abstract Hautarzt 2015 · 66:184–188  DOI 10.1007/s00105-015-3582-4 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 P. Elsner · S. Schliemann

Zum Begriff der beruflichen Hautkrankheit. Medizinische und rechtliche Aspekte Zusammenfassung Die unterschiedlichen Definitionen der Hautkrankheit in der Medizin und im Recht sind für Dermatologen häufig verwirrend. Während medizinisch eine Hautkrankheit in Ableitung von der Gesundheitsdefinition der WHO als eine krankhafte Veränderung des Hautorgans mit der Folge einer Störung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens definiert werden kann, unterscheiden sich die rechtlichen Definitionen, je nachdem welches Rechtsgebiet betroffen ist. Im Recht der privaten Krankenversicherung ist eine Hautkrankheit durch einen unabhängig von den subjektiven Vorstellungen des Versicherungsnehmers objektiv nach ärztlichem Urteil bestehenden anomalen Haut­ zustand, der eine Behandlung medizinisch notwendig macht, gekennzeichnet. Demge­ genüber definiert das Bundessozialgericht im Recht der gesetzlichen Krankenversiche-

rung eine Krankheit als regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Der regelwidrige Körperzustand kann auch eine erhebliche Entstellung sein. Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung sind Hautkrankheiten als Berufskrankheiten (BK) nach Ziffer 5101 der Berufskrankheitenverordnung definiert als schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Das Bundessozialgericht legt den Begriff „Hauterkrankung“ vom Schutzzweck der Norm her aus, unter dem die Absicherung gegen die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen des Einflusses schädli-

cher Arbeitsstoffe und den dadurch erzwungenen Wechsel der beruflichen Tätigkeit verstanden wird. Diese weite Auslegung des Begriffs „Hauterkrankung“ führt dazu, dass auch Erkrankungen der Bindehaut des Auges oder Erkrankungen der Gefäße der Haut durch Kälteschäden Hauterkrankungen im Sinne der BK-Ziffer 5101 sein können. Für die korrekte Behandlung und ggf. Meldung von beruflichen Hautkrankheiten in Zusammenarbeit mit verschiedenen Versicherungsträgern ist es erforderlich, dass Dermatologen mit diesen unterschiedlichen rechtlichen Definitionen der Hautkrankheit vertraut sind. Schlüsselwörter Definition · Berufskrankheit · Medizin · Recht · Dermatologie

The notion of occupational skin disease. Medical and legal aspects Abstract The different definitions of skin disease in medicine and in law are frequently confusing for dermatologists. While a skin disease may be defined medically referring to the definition of health by the WHO as a pathological condition of the skin leading to a disruption of the physical, mental and social wellbeing of the individual, legal definitions vary depending on the field of insurance law that is referred to. In the law of private health insurance, a skin disease is defined as an anomalous condition of the skin requiring medical treatment that exists independently of the subjective judgement of the insured person and needs to be objectively confirmed by a medical evaluation. In contrast, in the law of the social health insurance, the Federal Court of Social Justice defines disease as irregular

Entscheidung nach neuen Erkenntnis­ sen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind“. Diese Öffnungsklausel bildete vor der Aufnahme des UV-bedingten Hautkrebses als BK Nr. 5103 in die Berufskrankheitenverordnung (BKVO) zum 01.01.2015 die Rechtsgrundlage für die Anerkennung einer Berufskrankheit bei Versicherten, bei denen die Anforderungen nach der Empfehlung

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physical or mental condition, deviating from the perception of a healthy human being that requires medical treatment or leads to inability to work. Substantial bodily disfigurement may be regarded as an irregular physical condition. In the law of the statutory accident insurance, occupational skin diseases are defined under clause 5101 of the occupational disease regulation as serious or repeatedly relapsing skin diseases that have forced a person to refrain from any work activities causal for the development, the aggravation or the recurrence of the disease. The Federal Court of Social Justice interprets the term “skin disease” from the protective purpose of the law, i.e. the protection against the economic and health consequences of the exposure to harmful agents and a thereby forced

des Wissenschaftlichen Sachverständigenbeirats vorlagen [12]. Als Hautkrankheiten sind mit Stichtag des 01.01.2015 3 Krankheiten in der Anlage 1 der BKVO aufgeführt: 555101 Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das

change of profession. This broad interpretation of the term “skin disease” leads to the recognition of diseases of the conjunctiva of the eye or diseases of the blood vessels of the skin due to cold damage as skin diseases according to clause 5101. For the correct treatment and possibly notification of occupational skin diseases in collaboration with various insurance carriers, dermatologists should be familiar not only with the medical definition, but also with these different legal definitions of skin disease. Keywords Definition · Occupational diseases · Medicine · Law · Dermatology

Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, 555102 Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe, 555103 Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung.

Nur diese 3 Hautkrankheiten stellen damit im engeren Sinne Hautkrankheiten im Sinne der BKVO dar, wobei zu bedenken ist, dass eine Vielzahl weiterer in der BKVO genannte Berufskrankheiten ebenfalls Erkrankungen des Hautorgans beinhalten können [13]. Dies betrifft durch chemische Einwirkungen verursach­ te Krankheiten, wie etwa die BK Nr. 1108 (Erkrankungen durch Arsen oder seine Verbindungen) oder die BK Nr. 1110 (Erkrankungen durch Beryllium oder seine Verbindungen), durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten wie die BK Nr. 2402 (Erkrankungen durch ionisierende Strahlen) und durch Infektionserreger oder Parasiten verursach­ te Krankheiten sowie Tropenkrankhei­ ten wie die BK Nr. 3101 (Infektionskrank­ heiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war), Nr. 3102 (Von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten) oder Nr. 3104 (Tropenkrankheiten, Fleckfieber). Wie bei allen Normen gilt bei der Auslegung des Begriffes „Hauterkrankungen“ im Sinne der BK Nr. 5101, dass der in einer Norm verwendete Begriff nicht Tatbestände umfasst, für die speziellere Regelungen gelten („Lex specialis derogat legi generali“). „Hauterkrankungen“ im Sinne der BK Nr. 5101 umfassen also nicht Hautkrebserkrankungen nach BK 5102 oder BK 5103, auch wenn diese schwer oder wiederholt rückfällig sind und zur Tätigkeitsaufgabe zwingen. Der Begriff „Hauterkrankungen“ im Sinne der BK Nr. 5101 ist zunächst eingeschränkt durch die Bedingungen der Schwere, der wiederholten Rückfälligkeit und des Zwangs zur Tätigkeitsaufgabe. Damit ist etwa eine schwere und wiederholt rückfällige Hauterkrankung, die aber nicht zur Tätigkeitsaufgabe gezwungen hat, im rechtlichen Sinne keine Hauterkrankung gemäß der BK Nr. 5101. Weitere Präzisierungen des Begriffs „Hauterkrankung“ in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) gehen auf Urteile des BSG zurück, das im Sinne einer „teleologischen Rechtsauslegung“ angesichts des unterschiedlichen und vielfältigen Begriffsinhaltes des Wortes Haut im

Sprachgebrauch davon ausgeht, dass „die Auslegung des Begriffs ‚Hauterkrankung‘ vom Schutzzweck der Norm her zu erfolgen hat“ [14]. Im zitierten Fall hatte das BSG darüber zu entscheiden, ob die Bindehauterkrankung des Klägers, eines Bäckers mit Mehlstauballergie, eine Hauterkrankung im Sinne von Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO war. Als Schutzzweck der Norm bezeichnete das BSG „die Absicherung gegen die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen des Einflusses schädlicher Arbeitsstoffe und den dadurch erzwungenen Wechsel der beruflichen Tätigkeit“. Zu den Hautkrankheiten im Sinne von Nr. 5101 rechnete das BSG „in der Regel durch äußere Einwirkungen (Berührungen) schädigender Arbeitsstoffe hervorgerufene oder beeinflußte“ Erkrankungen, verwies aber auch darauf, „daß der Verordnungsgeber auch Krankheitserscheinungen an der Haut, die durch Aufnahme schädigender Stoffe in den Körper verursacht werden, zu den Hautkrankheiten rechnet“. Diese Überlegungen führten das BSG dazu, die Bindehauterkrankung des Klägers als BK im Sinne von Nr. 5101 anzusehen: „Es handelt sich dabei … um eine durch die äußere Einwirkung von Mehlstaub hervorgerufene Erkrankung, wie sie typischerweise in dem erlernten Beruf des Klägers auftreten kann. Die Schutzfunktion der Vorschrift wird nicht durch die besondere medizinische Beschaffenheit der Bindehaut aufgehoben; entscheidend ist vielmehr, daß sie schädigenden äußeren Einwirkungen am Arbeitsplatz typischerweise … ausgesetzt ist, und zwar nicht anders als die sonstige Deckschicht des Körpers.“ [14] In ähnlicher Weise kam das BSG in einem anderen Fall zu einer weiten Auslegung des Begriffs „Hauterkrankung“ vom Schutzzweck der Norm her und erkannte Durchblutungsstörungen der kapillaren Endstrombahn, die in der Haut zu lokalisieren sind, als Hauterkrankung i. S. der BK Nr. 5101 an: „Denn diese Kapillaren sind ein Teil des komplexen Organs Haut, dessen Erkrankungen durch die BK Nr. 5101 und deren Schutzzweck erfasst werden.“ [15] Als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der BKVO können aber nicht nur Hauterkrankungen anerkannt werden, die ausschließlich durch die berufliche Tätig-

keit verursacht wurden, sondern auch solche Hauterkrankungen, deren primäre Ursache außerberuflich liegt, etwa im Sinne einer genetischen Disposition, die aber durch berufliche Einwirkungen verschlimmert wurden. Der Begriff der Verschlimmerung setzt voraus, dass „dass eine zu beurteilende Gesundheitsstörung vor Eintritt des Versicherungsfalles bereits als klinisch manifester mit objektivierbaren Veränderungen verbundener Krankheitszustand nachweisbar vorhanden gewesen ist, und dass ein abgrenzbarer Teil einer Gesamterscheinung auf eine beruflich erworbene Einwirkung zurückgeführt wird.“ [16] DDDie berufliche Einwirkung, die zu einer solchen Verschlimmerung geführt hat, muss allerdings wesentlich sein. Nach der der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele („conditio sine qua non“). „Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.“ [17] Wenn mehrere Ursachen vorliegen, muss der Beitrag aller Ursachen zum Erfolg geprüft werden: „Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben)“. [17] Konkret ist also bei einer Verschlimmerung einer primär endogenen Hauterkrankung zu prüfen, ob eine berufliche Einwirkung dafür rechtlich wesentlich ursächlich war oder ob es sich bei der beruflichen Einwirkung lediglich um eine „Gelegenheitsursache“ gehandelt hat, wie sie auch durch andere Einwirkungen des täglichen Lebens hätte stattfinden können [18]. Falls andere, außerbeDer Hautarzt 3 · 2015 

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Leitthema rufliche Ursachen eine überragende Bedeutung für die Verschlimmerung einer Hauterkrankung besitzen, ist die berufliche Verursachung ebenfalls nicht wesentlich. Nur bei einer rechtlich wesentlichen beruflichen (Mit-)Verursachung kann die berufliche Verschlimmerung einer vorbestehenden Hauterkrankung als Hauterkrankung nach Nr. 5101 der BKVO anerkannt werden. Sofern eine berufliche Hauterkrankung noch nicht alle Kriterien für eine BK Nr. 5101 erfüllt, aber deren Entstehung konkret droht, kann der Versicherungsträger im Rahmen des Hautarztverfahrens nach dem Vertrag Ärzte-Unfallversicherungsträger Leistungen zur Prävention nach § 3 BKVO gewähren. Die Definition der für diese Leistungen qualifizierenden Hauterkrankung im Sinne eines „kleinen Versicherungsfalles“ beruht mithin nicht allein auf einer Diagnose, sondern auch auf einer prognostischen Einschätzung durch den Dermatologen.

Fazit für die Praxis 55Bei der Behandlung beruflich bedingter Hautkrankheiten ist zu beachten, zulasten welchen Versicherungsträgers diese erfolgt. Nach der jeweils für den Versicherungsträger gültigen rechtlichen Definition der Hautkrankheit richtet sich die Entscheidung, ob und wie die berufliche Hautkrankheit behandelt werden kann. 55Berufliche Hautkrankheiten bei Privatversicherten sind durch berufliche Einwirkungen (mit)verursachte „objektiv nach ärztlichem Urteil bestehende anomale Hautzustände“. 55Bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung handelt es sich um beruflich (mit)verursachte regelwidrige, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichende Hautzustände, die zur Einschränkung der Körperfunktion führen oder entstellend sind und der ärztlicher Behandlung bedürfen oder den Betroffenen arbeitsunfähig machen. 55Berufskrankheiten der Haut (BK-Ziffer 5101) nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung sind nur „schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlas-

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sung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“. Anders als gegenüber anderen Versicherungsträgern entsteht ein Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung erst mit der rechtswirksamen Anerkennung einer Hauterkrankung als BK 5101, es sei denn, es würden präventive Leistungen nach § 3 BKVO im Rahmen des Hautarztverfahrens bei konkret drohender Gefahr einer Berufskrankheit auf der Basis des Vertrags Ärzte-Unfallversicherungsträger gewährt.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. P. Elsner Klinik für Hautkrankheiten Universitätsklinikum Jena Erfurter Str. 35, 07743 Jena [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  P. Elsner erhielt Vortragshonorare von Astellas, Galderma, GSK, Jenapharm, Leo, L’Oréal, Meda, Novartis und Pierre Fabre und war als Gutachter für gesetzliche und private Unfallversicherungen tätig. S. Schliemann erhielt Vortragshonorare von Novartis und HAL und war als Gutachterin für gesetzliche Unfallversicherungen tätig. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[The notion of occupational skin disease. Medical and legal aspects].

The different definitions of skin disease in medicine and in law are frequently confusing for dermatologists. While a skin disease may be defined medi...
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