Editorial 455

Zitieren und zitiert werden H. Feld;nann Münstcr

Büchern und Zeitschriften. Jeder Wissenschaftler wünscht sich, daf seine Veroffentlichungen von semen Fachkollegen anerkannt werden und als Basis für weitere Forschungen dienen. Er steht mit seiner wissenschaftiichen Arbeit in einern historischen Umfeld: Er stützt sich auf Erkenntnisse, die andere vor ihm gewonnen haben — natür]ich auch auf eigene Vorarbeiten; er steht in einem Dialog mit alien Forschern, die gleichzeitig an derselben Frage arbeiten — hier geht es dann oft urn die Priorität, wer hat was zuerst entdeckt — und er möchte Wegweisendes für die Zukunft beitragen. Es gehort zur wissenschaftlichen Arbeit und zum guten Stil, daL der Autor dieses Umfeld selbst angemessen umreigt dadurch, da er die relevanten Arbeiten anderer Forscher zitiert: 1. in einern Rückblick die geschichtiiche Entwickiung der speziellen Frage, 2. in einer Darstellung des gegenwärtigen Wissensstandes — heute gem als ,,State of the Art" bezeichnet — und 3. in der kritischen Auseinandersetzung mit aktuelien Arbeiten anderer Forscher.

dizin, der Chemie, Physik und Mathematik - inzwischen sind es 7000 (Garfield, 1990) — alle zitierten Literaturstellen unter den Namen der jeweiligen Erstautoren zu sammein und auszuwerten. Daraus wurde der Science Citation

Index (SCI) entwickeit, der angibt, wie oft em einzeiner Wissenschaftier oder eine einzelne Arbeit in einer gegebenen Zeitspanne zitiert worden ist. Diese Publikationen haben zweifellos in gewissen Bereichen auch EinfluI auf die Zitiergewohnheiten erlangt. Andere Auswertungsmodalitaten führen zum sogenannten Science Impact Index (SIT), der gewisse Fehierquellen, z. B. Selbstzitierungen, auskiammert. Au1er der Bewertung einzelner Forscher und einzel-

ncr Arbeiten iassen sich aus der statistischen Bearbeitung der wissenschaftiichen Literatur noch vieie andere aufdie Beteilischlufreiche Erkenntnisse gewinnen, z. B. gung der einzelnen Nationen, die Verteilung der Sprachen, die Breitenwirkung einzelner Zeitschriften.

So kann man nachiesen, daf in einern Jahr (1982) von 443 755 wissenschaftlichen Veroffentlichungen in den genannten Fachgebieten 6,3 % von bundesdeutschen Wissenschaftlern verfaIt worden sind. Diese nehmen damit den 4. Rangplatz em nach den USA (40,9 %), Grofbritannien (8,9%) und Japan (6,4%). Von 222699 Arbeiten, die in den Jahren 1978—1982 international zitiert worden waren, stammten ebenfalls 6,3 % von bundesdeutschen Wissenschaftlern, das ist der 3. Platz nach den USA (42,9 %) und GroIbritannicn (9,5 %). 88,5 % aller Arbeiten waren in

cnglischer, 3,9% in russischer, 3,8 % in deutscher und

Die Answahl der Arheiten, die em Autor zitiert und mit denen er sich auseinandersetzt, hängt neben der Fragestellung von mehreren Faktoren ab:

1. von der Sorgfait und Vollständigkeit seiner Literaturstudien; 2. von der Verfügbarkcit der relevanten Literaturstellen; 3. von Art und Umfang der gepianten Veroffentiichung und den Vorschriften (Beschrankungen) seitens des Publikationsorganes; 4. von seiner kritischen Einschätzung der Publikationen, die er durchsieht.

Das Zitieren und Zitiertwerden gehort schon seit dern Altcrtum zur Kuitur wissenschaftlicher Auseinandersetzung, aber erst in jflngsrer Zeit ist es selbst Gegenstand wissenschaft!icher Forschung geworden.

In den 60cr Jahren beganu Eugene Garfield

in Philadelphia/USA, aus rund 3000 wissenschaftlichen Zeitschriften der Biowissenschaften, einschlieflich der Me-

Laryngo-Rhino-Otol. 70(1991)455—456 Gcorg Thieme Verlag Stuttgart New York

2,6 % in französischer Sprache geschrieben. Noch groRer ist das Ubergewicht des Engiischen, wenn man betrachtet, in weichen Sprachen die Arbeiten abgefat sind, die international zitiert wurden: Es waren 96,4 0A) in Enghsch, 1,5 % in Deutsch, je 1,0 % in Französisch und Russisch (Lehrl und Simon, 1989).

Man mu1 aus diesen Zahlen leider den betrüblichen Schluf ziehen, daI die deutsche Sprache in der internationalen wissenschaftlichen Kommunikation nur noch eine verschwindend geringe Rolle spielt. Eine Neubeiebung der deutschen Sprache ist vieHeicht durch die zukunftige Entwicklung und die Offnung Osteuropas zu erhoffen.

Der Zugriff zur internationalen wissenschaftlichen Literatur ist in den letzten Jahren durch die moderne Datenverarbeitung in ungeahnter Weise verbessert worden. Vor dern Zweiten Weitkrieg gab es nur die deutschsprachigen Zentralblãtter: Internationales CentralhIatt für Laryngologie und Rhinologie seit 1885, für Ohrenheilkunde seit 1903, beide vereint seit 1922. Wenn es auch mühsam war, in diesen unter verschiedenen Stichwörtern

Jahrgang urn Jahrgang durchzuarbeiten, so hatten die deutschsprachigen Forscher. doch immer Zugriff zur gesam-

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Die Wissenschaft lebt davon, da1 neuc Erkenntnisse nicht nur gewonnen, sondern auch rnitgeteiit, zur Kenntnis genommen, diskutiert und weiterentwickelt werden. Diesen Zwecken dienen die wissenschaftlichen Gesellschaften mit ihren Kongressen, Vorträgen und Diskussionen und die gedruckten Publikationen in Form von

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ten Weitliteratur ihres Faches in Form von kompetenten

Referaten. Em englischsprachiges Gegenstuck zu den deutschen Zentralbldttern gibt es erst seit 1947 (Excerpta McdiCa, Amsterdam). Diese Entwicklung hat zu national durchaus

unterschiedlichcn Zitiergepflogenheiten geführt. Hinzu kommt, daf viele weit verbreitete internationale Zeitschriften die Zahl der pro Artikel angefuhrten Literaturstellen strikt begrenzen, in einem Fall z. B. auf 25; eine andere Zeitschrift ldft nur 10 Literaturstellen zu, für jede weitere mu1 der Autor US $ 1,50 bezahien. So werden manche Ergebnisse der Statistik wissenschaftlicher Literatur, die den Emdruck ciner schiefen Verteilung erwecken, etwas verständlicher.

Heute stehen elektronische Datenbanken zur Verfügung: DIMDI und MEDLINE. Mit ihnen kann man sich in Minutenschnelle durch Eingabe von Stichwdrtern (in Englisch) alle einschldgigen Literaturstellen ausdrucken lassen, komplett mit den Zusammenfassungen (in Englisch).

H. Feldmann: Zitieren und zitiert werden

Aus den Abstracts, die Bestandteil der Onginal-Veroffentlichung sind, werden in den Datenbanken die Schlüsselwörter (keywords) entnommen. Von diesen hdngt ab, welche Artikel bei welchen Fragestellungen vom

Computer ausgeworfen werden, und nach diesen Abstracts, die der Computer dann im Wortlaut ausdruckt, entscheidet der Wissenschaftler in erster Linie, ob die Arbeit für ihn relevant ist oder nicht. Deswegen soliten alle Autoren der Formulierung ihrer Zusammenfassungen und insbesondere der englischen Summary grö&e Aufmerksamkeit widmen. Mit diesem Heft sind die ,,Hinweise für Au-

toren" neu gefat worden. Auf die Bedeutung der englischen Zusammenfassungen für den internationalen Gedankenaustausch und den ,,Impact" auf die ,,broad scientific community" (Garfield, 1990) sollte dieses Editorial aufmerksam machen.

Literatur Garfield, E.: Current Comments. How ISI selects journals for Cover-

age: Quantitative and qualitative considerations. Current Con-

Die oben aufgezeigten Faktoren (1) und (2), Sorgfalt des Literaturstudiums und Verfugbarkeit der Literaturstellen, sind nun nicht mehr eine Frage der Ausstattung einer Kliniks- oder Instituts-Bibliothek und der Sprachkenntnisse des Forschers (auler Englisch), sondern allen Forschern ist die gesamte Fachliteratur ohne grö1ere Mühe zugänglich, zumindest in Form von Abstracts. Es darf dann eigentlich nur noch von den Faktoren (3) und (4) abhangen, welche Arbeiten em Forscher zitiert und welche nicht, also hauptsächlich von der Qualitat und dem Informationsgehalt, so wie sic durch das englische Abstract vermittelt werden, und von der personlichen kritischen Emschatzung des Forschers.

tents 22 (1990) 5—13

Lehrt, S., W. Simon: Wissenschaftliche Veröffentllchungen aus der Bundesrepublik: International fehlt die Anerkennung. Blick durch die Wissenschaft 11(1989) 9—11

Prof Dr. H. Feldmann Univ.-HNO-Klinik Kardinal-von-Galen-Ring 10 4400 Münster

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456 Laryngo-Rhino-Otol. 70(1991)

[To cite and be cited].

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