Langenbecks Arch. Chir. 338, 235--242 (1975) © by Springei-Verlag 1975

Urologische Komplikationennach Rectumexstirpation R. W i n k l e r u n d G. A. Schlosser Chirurgische Univ.-Klinik Hamburg-Eppendorf, Abteilung ffir Allgemeinchirurgie (Direktor: Prof. Dr. H. W. Schreiber) Eingegangen am 2. August 1974 Urologic Complications in Rectal Surgery

Summary. Urinary disorders after amputation or resection of the rectum are much more frequent than commonly supposed. Out of 239 patients they were noticed by 56.6 %, undergoing amputation, and 36.6 % after resection. Longtcrm disturbances were observed by 26.4 % respect. 15.i %. The most important reason is injury of autonomic pelvic nerves and ganglia. Urinary bladder infection was verified in 22 % respect. 8 %. Fm thermore urinary disorders may be caused by changing of bladder localization (bladder hernia), wound infection (especially of the sacral cavity), edema of the urethra, and exacerbation or manifestation of pre-existing urologic diseases. Compared to these, lesions of the urinary tract are of little importance. To prevent such complications, we postulate: i. careful pre-operative urologic examination, 2. if possible mobilisation of the rectum along its borderlines (so-called Grenzlamellen of Pernkopf), 3. critical analysis of urologic disorders, removal of the urinary catheter as soon as possible, regular systemic plophylaxis of urinary infection, and therapy controlled by antibiogram, 4. adequate follow-up, and 5. urologic examination of all disturbances lasting Longer than three months.

Key words: Cancer of the Rectum -- Rectal Surgery, Complications in -- Urinary Tract Disorders.

Zusammen]assung. Die Frequenz yon Miktionsst5rungen nach skeletierenden Rectumoperationen ist ungleich h5her sis vielfach angenommen. Von insgesamt 239 Patienten wurden sic nach Amputationen iri 56,6%, nach Resektionen in 36,6% beobachtet. Langfristige Beschwerden wurden yon 26,4 % bzw. 15,1% angegeben. Das Spektrum der Ursachen ist weit gefi~chert. Die h~ufigsten Grfinde sind L~sionen des autonomen Nervensystems. Infektionen sind .iiberwiegend ffir kurzfristigere StSrungen verantwol~lich. Sic konnten in 22 % bzw. 8 % nachgewiesen werden. Weiterhin kommen Ver~nderuagen der Blasentopographie, Wundinfektionen, insbesondere der AmputationshShle, 0deme der ableitenden Harnwege sowie Exacerbation oder Manifestation vorbestehender urologischer Leiden in Frage. Demgegenfiber spielen VerIetzungen der Harnwege nur eine untergeordnete Rolle. Zur Prevention dieser StSrungen ist zu fordern: t. Sorgf~ltige pr~ioperative urologische Diagnostik. 2. Schonende Skeletierung des Rectum, wenn mSglich entlang seiner Grenzlamellen. 3. Kritische Analyse postoperativer Miktionsst5rungen (Katheterverweildauer), friihestmSgliche Katheterentfemung, routinem~iBige systemisehe Infektionsprophylaxe und -iiberwachung sowie gezielte Therapie. 4. Einsehl~gige ambulante ~berwachung und 5. fachurologisehe Abkl~rung aller fiber 3 Monate bestehender Ver~nderungen.

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R. Winkler und G. A. Schlosser

Obwohl StSrungen io der F u n k t i o n der h a r n a b l e i t e n d e n Organe zu den h~ufigen Ko]Inplikationen nach skeletierenden R e c t u m o p e r a t i o n e n z~hlen, w e r d e n sie in der N a c h b e h a n d l u n g k a u m berficksichtigt. I n der K r e b s c h i r u r g i e des Mastd a r m s w e r d e n sie u n t e r Hinweis a u f die Erfordernisse der R a d i k a l i t ~ t toleriert, so lange es sich nicht~ u m d i r e k t e Verletzungen der H a r n w e g e h a n d e l t . Diese sind jedoch n i c h t das eigentliche P r o b l e m , d a ihre Zahl klein ist. W i c h t i g e r sind S t 6 r u n g e n infolge o p e r a t i o n s b e d i n g t e r Denervierungen, A n d e r u n g e n der Blasent o p o g r a p h i e , p o s t o p e r a t i v e n I n f e k t i o n e n , E x a c e r b a t i o n v o r b e s t e h e n d e r , klinisch oft s t u m m e r urologischer Leiden u n d ihrer K o m b i n a t i o n .

Eigenes Krankengut Von 1955 bis t970 wurden in der Chirurgischen Univ.-Klinik Hamburg-Eppendorf 646 Patienten wegen eines Rectum- oder Analcarcinoms behandelt. Von diesen konnten 219 Radikaloperierte nachuntersucht werden, die zu diesem Zeitpunkt ~enigstens 2, l~ngstens 17 Jahre iiberlebten. Die Eingriffe gliedern sich in t16 abdomino-perineale Amputationen und 93 anteriore Resektionen. Ziel der Untersuchungen war, die H~ufigkeit urologischer Komplikationen nach stSrungsfreiem typischem Operationsablauf zu erfassen. Daher wurde auf eine Nachuntersuchung aller Kranken verzichtet, bei denen es intraoperativ zu einer Verletzung der Harnwege kam oder deren fortgeschrittenes Leiden zu ausgedehnten Resektionen zwang. Kann dagegen die Mobilisation des Mastdarms bei gutartigen Erkrankungen wandschliissig erfolgen, so muB der Anteil sp~terer Blaseninnervationssch~den geringer sein. Aus diesen Relationen lassen sich Anhaltspunkte fiber die H~ufigkeit yon InnervationsstSrungen gewinnen. I)eshalb wurden 20 Patienten nach einer Proctocolektomie wegen einer Colitis ulcerosa in die Untersuchungen einbezogen. Weiterhin waren wir um Kl~rung bemiiht, wie postoperative Symptome und Befunde sich zu sp~teren Beschwerden verhielten. Die Untersuchungen stiitzen sich auf eine ausfiihrliche urologische Erhebung durch Frageb6gen, Auswertung der Krankenakten sowie bei 32 rectumamputierten Patienten zus~tzlich auf eine Pyelocystographie, Magendarmpassage und Urinstatus. :Die Auswahl dieser Patienten erfolgte zufiillig, unabh~ngig yon e~:entuellen Beschwerden.

1. Harnwegsldsionen ScMidigungsm6glichkeiten an den Harnwegen sind im Verlaufe der Skeletierung des Rectum mehrfach gegeben. L~sionen der Harnleiter sind m6glich: i. linksseitig bei der Mobilisation des C. sigmoides, 2. beidseitig bei der weitlateralen Durchtrennung oder Massenligatur der Paraproctien, 3. ventro-lateral bei der Herausl6sung des Mastdarms aus der peritonealen Umschlagsfalte und 4. bei der Naht des Beckenbodenbauchfells. Da diese entbehrlich ist, sollte hier jede lmsichere MaBnahme unterbleiben [12]. Die Harnleiterverletzung wird durch den UrinfluB meist intraoperativ, sp~testens an den ersten postoperativen Tagen entdeckt. Auch die Harnleiternekrose ffihrt zur Urinfistei, wird jedoch erst nach ca. I Woche manifest. Einseitige Ureterligaturen k6nnen lange klinisch stumm bleiben. Reparationen sind intraoperativ stets m6glich, sp~ter schwierig. Oft bleibt nur die Nephrektomie. Die H~ufigkeit derartiger Zwischenf~lle lag im eigenen Gesamtkrankengut bei 0,9 %. Eine Ureterresektion wegen carcinomatSser Ummauerung mit anschlieBender Rekonstruktion wird praktisch hie erforderlich. Einmal ist der Ureter stumpf abl6sbar, zum anderen sind derartige Krebse meist nicht mehr resezierbar. Palliativ bleibt nur die Nephrektomie oder die Nierenbeckenfistelung. H~iufiger wird man sich beim invasiven Carcinom zur Resektion der Harnblasenhinterwand entschlieBen (0,8 %). MiktionsstSrungen resultieren dann, wenn dabei das Blasentrigonum oder der M. detrusor gesch~digt sind oder werden.

Urologisehe Komplikationen nach Reetumexstirpation

237

2. Lumbo-savrale iVervenldsionen Die h//ufigste Ursache postoperativer MiktionsstSrungen 8ind IA4sionen des autonomen lumbo-sacralen Nervensystems. Die Blaseninnervation erfolgt gemiseht aus _~sten der 1. bis 3. Iumbalen sympathischen Segmente sowie der 2. bis 4. sacralen Nerven. In die Geflechte, die den parietalen Beckenfascien aufliegen, sind der Plexus hypogastricus und der Plexus pelvicus als Sehaltstationen eingelassen. Eine Sch/idigung dieses weitverzweigten Systems ist mSglich: t. bei der ErSffnung des Spatium retrorectale, 2. bei der Excision der Paraproctien, 3. bei der Abl5sung yon der Prostata, wenn die Denonvillierssche Faseie nicht geschont wird und 4. bei dcr Herausl5sung aus dem Beckenboden (Durchtrennung der Nn. erigentes). Je nach Sch//digungsort resultieren untersehiedliche Funktionsausf/ille. Vornehmlich lassen sich jedoch drei Erscheinungsformen abgrenzen: 1. die sog. ,,neurogene Blase" (auch ,,pelvic-nerve syndrom" nach Williams und Watson [16]) durch L~sion der postganglion/~ren motorischen Neurone, 2. die Inkontinenz bei kombinierten Sch~den im (pr~ganglion//ren ?) Bereieh der Nn. hypogastrici, pudendi und pelvici bzw. deren Ganglien, 3. eine seltene Form einer Blasenhypertonie bei kleinen Fiillungsmengenmit konsekutivem Miktionsdrang. Die Symptome rein motorischer StSrungen werden dabei modifiziert durch gleichzeitige sensible Ausf/~lle. Derartige Sch~den lassen sich nur vermeiden, wenn die Mobilisation des Rectum entlang dessen Grenzlamellen oder bei gutartigen Prozessen wandnah betrieben wird. Ein solehes Vorgehen ist vertretbar, da die Grenzlamellen vom Carcinom erst sp/~t fiberwunden werden, so dab keine Einschr~nkung der Radikalit/it zu fiirchten ist [ll ].

3. Jfnderung der Blasentopographie Nach der Ausr~umung des Mastdarms kann die Blase tiefer treten und eine Cystocele in die SacralhShle entwickeln. Dies ist jedoch keineswegs regelm~13igder Fall. Ebenfalls ist dabei eine Restharnbildung nicht obligat. Von den cystographisch Nachuntersuchten (n = 32) hatten fast die H//lfte (14 = 44 %) iiberhaupt keine Lagever/~nderung bei volls~ndiger Blasenentleerung. Die ungiinstigste Situation mit Tiefstand, Cystocele und Restharn wurde dagegen nur 4real (t2,5%) gefunden. Bei 8 Patienten ( = 25%) war trotz Tiefstand und Cystocele eine vollst~ndige Entleerung mSglich. Die Kombination yon Tiefstand und Cystocele lag insgesamt t2mal (37,5 %) vor. Restharnbildung war 8mal ( = 25 %) zu verzeichnen, davon 4real bei befriedigender Blasentopographie. Bei letzten miissen neurogene Sch~den angenommen werden.

4. Postoperative Harnwegsin/ektion Intra- und postoperativ ist ein Blasenkatheter erforderlich. Die F~higkeit zu spontaner Miktion stellt sich unterschiedlich rasch wieder ein. Ist die Innervation intakt, so ist die Entleerung nach 24 Std meist wieder vollst/indig. Ausschlaggebend ffir die Zeit, da ein Verweilkatheter benStigt wird, ist in erster Linie das Ausmal3 der Blasendenervierung, femer Blasentonusminderungen als Folge des Verlustes des rfickw~rtigen Widerlagers sowie Wundbettreaktionen und -infektionen. Pr/ioperativ kompensierte Prostataadenome oder eine Prostatakongestion k5nnen aufgrund der Austreibungssehw/iche der Blase zus~tzliehe EntleerungsstSrungen bewirken, t~berlagert werden diesc Ph/inomene sphter durch die Folgen langzeitiger Katheterapplikation, vor allem der hierdurch bedingten Infektion. Die durchschnittliche Verweilzeit betrug nach Resektionen 4, nach Amputationen 8 Tage. Im Vergleich der beiden Geschlechter zeigte sich ein uneinheitliches Verhalten (Tabelle l). Ist eine spontane Miktion nicht mSglieh oder kommt es immer wieder zu (schmerzlosen) Urinretentionen, so sind neurogene Sch~den wahrscheinlich. Dies war bei 5 (5,9 % Resektion) bzw. 24 (18 % Amputation) Patienten der Fall. Harnblasenliihmungen sind auch immer darm zu erw/igen, wenn die Miktion nach der ersten postoperativen Woehe gestSrt ist (9,4 % Resektion bzw. 55,3 % Amputation).

238

R. Winkler und G. A. Schlosser Tabelle 1. Verweildauer des Blasenkatheters Verweildauer in Tagen

Amputation Zahl %

Resektion Zahl %

2 4 6 8 10 12 l~nger

9 31 t5 38 18 7 18

6,6 22,8 tl,0 28,0 13,2 5,2 13,2

35 37 9 4 3 3 2

37,7 39,8 9,7 4,3 3,2 3,2 2,1

gesamt

136

100,0

93

100,0

Tabelle 2. Relationen der Blasenkatheterverweildauer zur Frequenz sp~terer Miktionsst5rungen (q = Zahl beschwerdefreier zu Zahl der Patienten mit Miktionsstfrungen) Dauer

Verweildauer fiber 2 Tage 4 Tage 7 Tage

l~nger

Wochen

3,4 R 4,0A

4,0 R t,7A

3,9 1~ 0,9A

3,9 R 0,9A

Monate

5,7 R 4,0A

4,0 R 1,7A

3,2 1~ 1,4A

3,0 R 0,9A

R = Resektion, A = Amputation

Bei einer durchschnittlichen Verweilzeit von wenigstens 4 Tagen ist mit einem hohen Prozentsatz an Sekund~irinfektionen zu rechnen. Positive Urinkulturen fanden sich bei 22 % (A) und 8% (R). Nach fiber t2ti~giger Applikation steigt die [nfektionsrate deutlich an. L~ngere Verweilzeiten werden geh~uft jenseits des 70. Lebensjahres befunden. Vor der Entlassung hatten noch 43 % (A) bzw. 32 % (R) aller Patienten einen pathologisehen Sedimentsbe fund. Im Hinblick auf spiiter zu erwartende Miktionsstfrungen, deren Intensit~t und Dauer lassen sich aus der Katheterverweilzeit prognostische Schliisse ziehen (Tabelle 2). Es ergibt sich n~mlich eine ann~hernd lineare Abhiingigkeit zwischen der Applikationsdauer und der H~ufigkeit langfristiger Beschwerden. Bei einer Verweildauer von fiber 8 Tagen haben nach einer Rectumamputation mehr als die H~ilfte aller Betroffenen langanhaltende Stfrungen zu erwarten. Eine 0bjektivierung der durch Infektion der sacralen Resthfhle bedingten Miktionsstfrungen ist schwierig. Grunds~tzlich gilt, dab hiernach eine l~ngere Katheterverweilzeit und mittelfristige Behinderungen eintreten. Vorrangig resultieren eine Blasenhypotonie, weniger h~ufig eine sog. Reizblase. Ob eine Beziehung zwischen der Infektion der Resthfhle und der der Harnwege besteht, kann nur durch wiederholte gleichzeitige Keimbestimmungen wahrscheinlieh gemaeht werden. Es liegt nahe zu vermuten, dab ~ltere Patienten h~ufiger Miktionsstfrungen erleiden. Dieser Ansatz ist statistiseh jedoch nicht beweisbar (Tabelle 3). Insgesamt hatten naeh der Resektion 34 (36,6%), nach der Amputation 77 Patienten (56,6 %) Miktionsstfrungen bewuBt empfunden (Tabelle 4). ]~ber Monate gehende Besehwerden ~uBerten 4 (4,3% R) bzw. 13 (9;5% A), zum Untersuehungszeitpunkt anhaltende l0 (10,8% 1~) bzw. 23 (16,9% A). Nur l i (1t,8% R) und 21 (15,8% A) w~ren wegen dieser Ver~nderungen auch behandelt worden. Unter den Beschwerden dominierte die Dysurie (Tabelle 5) aufgrund ihrer H~ufigkeit bei kurzdauernden Beschwernissen.

Urologische Komplikationen naeh Reetumexstirpation

239

Tabelle 3. Alter und MiktionsstSrungen nach Rectumamputation Alter

Zahl 9

MiktionsstSrungen fiber Monate ~ g~ gesamt

gesamt

unter 50 fiber 50

26 48

17 45

43 93

7 12

5 12

i2 24

Summe

74

62

t36

19

17

36

Tabelle 4. H~utigkeit und Dauer yon MiktionsstSrungen Dauer

Amputation

n

t36 17 24 13 23

t00 12,5 17,7 9,5 16,9

74 13 19 7 t2

62 4 5 6 11

93 t0 10 4 t0

t00 t0,8 10,8 4,3 10,8

42 4 6 2 4

51

77

56,6

51

26

34

36,6

16

18

biszut4 Tagen Wochen Monate andauernd Summe

Resektion

6 4 2 6

Tabelle 5. Art der Beschwerden Amputation

Dysurie geh~ufter Ham NachtrKufeln des Urins Inkontinenz Gefiihl unvollstiindiger Entleerung Sonstige

Resektion

n

~

~

n

~

9

32 30 26 9 13 8

23 21 16 3 9 6

9 9 10 6 4 2

19 14 9 3 6 2

8 4 3 -4 2

1t 10 6 3 2 --

Diskussion

St6rungen der l~arnblasent~tigkeit sind h~ufiger, als gemeinhin a n g e n o m m e n (Tabelle 6). Die Bedeutung der Innervationssch~den erhellt sich daraus, daft nach einer Proctocolektomie, bei der wandschlfissiger pr~pariert werden kann, derartige StSrungen nur in l 0 °/o beobachtet werden. Diese neurogenen Defekte sind bis zu einem gewissen Grade riickbi]dungsf~hig, da sie selten k o m p l e t t sind, oder kompensierbar. Der Zeitraum, bis zu dem noch eine wesentliche Besserung mSglich ist, liegt bei 3 Monaten [5, 6]. So lange sollte mit weitergehenden Mal3nahmen abgewartet werden. ])as gilt insbesondere fiir die Indikation zur Prostatektomie. N a c h Glass [5] k a n n aufgrund der pr~operativen S y m p t o m e u n d Befunde nicht vorhergesagt werden, welche Patienten sparer eine Prostatektomie benStigen. Infolge passagerer Blasenschw~che kSnnen auch ProstatavergrS~erungen, die

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R. Winkler und G. A. Schlosser Tabelle 6 Literaturfibersicht fiber H~ufigkeit yon Miktionsst6rungen nach Rectumexstirpation Autor

n

Miktionsst6rungen Bemerkungen in %

Apakova 1969 Cukier 1970 Gallizia 1969 Rygicku.a. 1969 Schmiedt 1968 Stanetzu.aA972

189 415 264 654 60 190 209 Sankey 1967 63 Tanku.a. 1972 150 Thorsoe 1971 153 Eigenes Krankengut t36 93

42,3 22,1 41,0 43,0 53,0 35,0 i4,0 4t,0 30,0 25,0 56,6 davon 26,4 36,6 davon 15,1

Amputation Resektion

Amputation langfristig Resektion langfristig

normalerweise nicht reseziert wiirden, voriibergehende Behinderungen bewirken. Einen iiberdurchscbnittlich hohen Prozentsatz sp/iterer Prostataresektionen k6nnen wir im Gegensatz zu anderen Mitteilungen allerdings nicht best~tigen (2 Pat. nach Rectumamputatlon ~ 2,7% Is. a. 5, 6, 3, i3]). Wir sehen yon einer prophylaktischen Prostatektomie ,evtl. in gleicher Sitzung, ab, wie sie wegen des vergleichsweise geringen Risikos gelegentlich empfohlen wird [3]. Sp~ter ist die transurethrale Resektion dem abdominellen Vorgehen vorzuziehen, da dureh die Nachbarsehaft des Kunstafters eine erh6hte Infektionsgef~hrdung besteht. Harnretention und ~berlaufblase erfordem eine verl/ingerte Verweildauer des Katheters. Dabei wird die Retonisierung der Blase neben Gaben yon Parasympathomimetica wie Carbachol (anfangs 4stiindlich) durch intermittierenden Urinabla~ gef6rdert. Die Medikation yon Carbachol in absteigender Dosierung ist auch nach Entfernung des Dauerkatheters so lange erforderlich, his keine Restharnmengen mehr nachweisbar sind. In der Regel wird sieh dies in 3 Wochen erreichen lassen. In manchen F~llen sind Lagever~nderungen der Blase fiir eine Urinretention verantwortlich. ])as ist aufgrund unserer Untersuchungen jedoch seltener als angenommen. Lassen sich andere Ursachen einer Entleerungsst6rung (z.B. I~hmungen, Prostataadenom, Sphinctersklerose) ausschlie~en, so ist die Cystopexie an der hinteren Rectusscheide angezeigt, bei Frauen auch eine Suspensionsoperation nach Marshall-Marchetti. Die neurogene Inkontinenz kann auf Dauer meist gut durch Training der WiUkiirmuskulatur (Sphincter ext., Beckenbodenmuskulatur als auxili£re Verschlu~mechanismen) beherrseht werden, so dab es nur noch im Sehlaf zum Urinabgang kommen kann [9]. Vorbestehende VerschluBst6rungen bei Frauen infolge eines ])escensus vaginae k6nnen sich nach Reetumamputationen verst~rken. Inkontinenzoperationen, die insgesamt problematisch sind, werden nur ansnahmsweise erforderlich (s. hierzu auch Schmiedt, 1968).

Urologische Komplikationcn nach Rectumexstirpation

24t

Auch bei entspreehender Prophylaxe sind Harnwegsinfektionen nieht sicher vermeidbar. AuslSsende Faktoren sind Blasenkatheter, EntleerungsstSrungen mit Restharnbildung, Infektionen der sacralen ResthShle und vorbestehende, pr~operativ nicht sanierte Harnwegsinfekte. Bei der Aufnahme wiesen 7,5% aller Patienten einen eindeutig pathologischen Urinbefund auf; bei 20,7% War der Befund kontrollbedfirftig. Einseh!~gige Beschwerden wurden nicht ge~uflert. Gallizia [4] berichtet fiber 18 °/o (n = 264) vorbestehender krankhafter urologischer Ver~nderungen. Jeder suspekte Urinstatus bedarf sorgf~ltiger Abkl~rung wenigstens dureh Urinkultur und Pyelogramm. Die postoperative Infektionsrate (22 °/o A bzw. 8 °/o R) erfordert grunds~tzlich eine Urinkultur mit Antibiogramm nach der Katheterentfernung und vor der Entlassung des Patienten. A_ls systemische Prophylaxe hat sich bei uns die Gabe eines Sulfonamidpr~parates mit analgetischer Komponente yore 4. postoperativen Tage an bew~hrt. Hierunter konnte der Katheter um durchschnittlieh 2 Tage frfiher entfernt werden; Frequenz und Intensit~t der katheterbedingten urethritischen Nachbeschwerden nahmen deutlieh ab. Diese Mal3nahme entbindet jedoch nicht yon der Notwendigkeit bakteriologiseher Untersuchungen. Bei einer funktionsgestSrten Blase muB jede Chronifizierung entzfindlieher Prozesse gravierende Folgen haben.

Postoperative Yerlaufsbeobaehtung Ffir die ambulante Weiterbetreuung ist die Forderung naeh gewissenhafter Kontrolle yon Blasent~tigkeit und Urinstatus zwingend (Tabelle 6). Dies gilt besonders deshalb, weft die Patienten in der Bereitschaft, sich mit ihrem Schicksal abzufinden, eine Neigung zur Unterseh~tzung einsehl~giger Besehwerden haben. Jede anhaltende, d. h. naeh ca. 3 Monaten noeh nieht behobene MiktionsstSrung bedarf urologiseher Beurteilung und Therapie. Zu den Standarduntersuehungen sollten dann auch die Cystoin~nometrie und Sphincterometrie z~hlen. K o m m t es nach symptoml6sem Interval] zu MiktionsstSruugen, so ist an die MSgliehkeit eines lokalen Tumorrezidivs zu denken [15]. Dabei kSnnen die sonst so charakteristischen Wurzelreizsyndrome [2] vSllig fehlen, wenn der Tumor nur die erhaltenen pelvinen Gefleehte durchdringt. Gelegentlich kann auch ein SI~tempyem der sacralen ResthShle mit erneuten Miktionsbeschwerden einhergehen (2 F~lle im eigenen Krankengut). SchlielMieh kSnnen aus einer retroperitonealen Fibrose urologisehe Komplikationen erwaehsen.

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[Urologic complications in rectal surgery (author's transl)].

Urinary disorders after amputation or resection of the rectum are much more frequent than commonly supposed. Out of 239 patients they were noticed by ...
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