Leitthema Chirurg 2015 · 86:747–751 DOI 10.1007/s00104-015-0032-x Online publiziert: 18. Juni 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

T.H.K. Schiedeck

Publikationen zur Therapie des Rektumprolaps sind schon über 100 Jahre verfügbar. Der Rektumprolaps ist also ein lange bekanntes und durchaus geläufiges Krankheitsbild. Was sich jedoch gewandelt zu haben scheint, verfolgt man die Literatur, ist einerseits die Ausprägungsform und andererseits die Definition.

zu einer Restitutio ad integrum führen können. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, sollte auch auf die eventuellen Begleiterkrankungen eingegangen werden, aber es muss zumindest klar sein, dass der Rektumprolaps selten ein isoliertes Problem am Beckenboden darstellt. Mit großem Abstand sind in erster Linie Frauen betroffen und typischerweise sind in nicht geringer Zahl anorektale Läsionen mit urogenitalen vergesellschaftet.

Hatte man zu Zeiten von Delorme, Sudeck und Altemeier ausschließlich den externen (teils auch irreponiblen) Rektumprolaps im Blick, so wird heute von manchen Autoren bereits der innere Prolaps als regelhafte Operationsindikation definiert bzw. darüber hinaus die Intussuszeption als Vorläufer des Prolaps betrachtet und damit auch als Operationsindikation beurteilt (obwohl dieser Zusammenhang mitnichten belegt ist!). Selbst in wissenschaftlichen Publikationen wird die Behandlungsindikation eines Rektumprolaps als buntes Potpourri aus anatomischem Korrelat (z. B. „innerer Vollwandprolaps“) und Symptomatik („Outlet-Obstruktion“) angeboten. Dies mag erklären, warum die Auswahl verschiedener Operationsverfahren keineswegs kleiner geworden ist. Zu den altbekannten Verfahren sind neue gekommen, mache sind nur vermeintlich neu und manche sind Kombinationen altbekannter Techniken mit neuem Namen. Es ist daher sicher verständlich, dass natürlich aus unterschiedlichen Verfahren unterschiedliche Risiken und Komplikationsvariationen resultieren. Allen Verfahren gemein ist jedoch, dass sie ein benignes Krankheitsbild behandeln. Dies setzt hohe Maßstäbe an das Risikoprofil der Intervention. Generell gilt auch, dass alle derzeit bekannten Techniken die jeweilige Situation nur verbessern und nie

Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Klinikum Ludwigsburg, Ludwigsburg, Deutschland

Komplikationen nach Rektumprolapsoperationen Einteilung der Komplikationen Komplikationen einer Rektumprolapsoperation lassen sich prinzipiell in intraoperative und postoperative Komplikationen einteilen (. Tab. 1). Bei letzteren kann darüber hinaus zwischen frühpostoperativen (innerhalb 30 Tagen) und spätpostoperativen unterschieden werden. Der Übergang zu sog. langfristig beobachteten Spätfolgen ist fließend. Die wichtigste und auch häufigste Spätkomplikation ist das Rezidiv, sofern man dies nicht als schicksalhaft bzw.

Tab. 1  Komplikationen nach Rektumprolapsoperation Intraoperativ Blutung Organperforation Rektum/Dünndarm Blase Vagina Nervenläsion

Frühpostoperativ Hämatom Organperforation Rektum/Dünndarm Blase Vagina Leckage

Ureterläsion

Ileus Wundinfektion Harnwegsinfektion Stenose Nekrose

Spätpostoperativ Schmerz (Trokar-)Hernie

Funktionell Stuhlinkontinenz Obstipation Entleerungsstörung

Blasenfunktionsstörung, Harnwegsinfektion

Blasenfunktionsstörung, Harnwegsinfektion Urgency Sexualfunktionsstörung

Stenose Rezidiv

Schmerz

Die verschiedenen Komplikationen sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit gelistet, außerdem sind fließende Übergänge ebenso denkbar wie die Manifestation mehrerer Formen bei einem Patienten.

Tab. 2 Rektumprolapsoperationsverfahren Abdominell: laproskopisch oder offen

Perineal

Ohne Netz Sudeck [39]

Mit Netz Wells [43] (dorsal)

Mit Resektion Frykman-Goldberg [20]

Kombination Wells + Sigmoidresektion

Orr-Loygue [31, 28] (lateral beidseits) Ripstein [34] (ventral) D’Hoore [10] (ventral) Delorme [12] Altemeier [1] Stapler [41]

Unabhängig von diesen hauptsächlich genannten Techniken sind viele Modifikationen in Anwendung. Der Chirurg 8 · 2015 

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Abb. 1 9 Neodouglas nach Resektionsrektopexie und Douglas-Rekonstruktion

verfahrensimmanent betrachten möchte. Außerdem spielen für die Patienten insbesondere postoperative funktionelle Störungen eine wichtige Rolle. Dabei ist es selbstverständlich, dass, wie so häufig, Komplikationen und funktionelle Störungen große Auswirkung auf die Lebensqualität haben können. Insgesamt sind diese Komplikationen einzeln für sich betrachtet erfreulicherweise selten. In summa werden Minor-Komplikationen jedoch zwischen 9–36 % angegeben. In erster Linie muss dabei die Blutung (ca. 2–5 %), der Harnwegsinfekt und der Wundinfekt angeführt werden. Funktionell stehen Blasenfunktionsstörungen, Stuhlinkontinenz oder Entleerungsstörungen im Vordergrund. Heftige Major-Komplikationen (Organperforation, Ureterläsion, Anastomoseninsuffizienz) sind nur gelegentlich anzutreffen, in der Regel bleiben dies sogar nur anekdotische Einzelfallberichte.

Operationsverfahren Die aktuell ausgeübten Operationsverfahren zur Therapie eines Rektumprolapses sind allesamt als sehr sichere Verfahren zu betrachten. Die Mortalität liegt relevanten Publikationen zufolge unter 1 % [14]. Es gibt aber neben allgemeinen Risiken immer auch verfahrensspezifische Komplikationen. Dementsprechend macht es Sinn, nicht nur die Komplikationsmöglichkeiten, sondern auch die prinzipiel-

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len Operationsverfahren zu kategorisieren (. Abb. 1, 2). Traditionell unterscheidet man zwischen abdominellen und perinealen Verfahren. Die abdominellen Verfahren sind wiederum zu unterteilen in ausschließlich fixierende und resezierende. Außerdem gibt es Techniken mit und ohne Netzimplantation. Das Netz wiederum kann an unterschiedlicher Position platziert werden, nicht zu sprechen von unterschiedlichen Netzmaterialien. Alle abdominellen Verfahren sind inzwischen in laparoskopischer Technik erprobt [3, 5, 9] und auf diesem Weg auch bevorzugt im Einsatz. Perineale Verfahren unterscheiden sich untereinander insbesondere hinsichtlich des Resektionsausmaßes und der Resektionshöhe. Da an dieser Stelle nicht auf die diversen Techniken selbst eingegangen werden kann, wird auf . Tab. 2 und die zitierte Literatur verwiesen.

Perineale Eingriffe Bislang konnte keine Studie die Überlegenheit einer bestimmten Methode belegen. In erster Linie liegt dies daran, dass zu wenig Studien gemacht wurden, aber möglicherweise zusätzlich auch an inhomogenen Patientenkollektiven. Die perinealen Verfahren haben den großen Vorteil, dass sie zwar im Ganzen nicht unbedingt komplikationsärmer sind als die abdominellen Techniken. Die

Abb. 2 8 Stenose bei Zustand nach Rektopexie nach Ripstein (ventrale bis zirkuläre Mesh-Applikation in Höhe des Promotoriums),

möglichen Komplikationen fallen jedoch weniger gravierend ins Gewicht und die Operationszeit ist kürzer [27, 30]. Da diese Verfahren prinzipiell auch in Lokaloder Regionalanästhesie angewendet werden können, fällt unter Umständen auch das allgemeine Narkoserisiko weg.

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Rezidiv- und Komplikationsrate der Delorme-Operation sind altersbeeinflusst Wenn man die Komplikations- und Rezidivrate der Delorme-Operation beurteilen möchte, so stimmen 25 % respektive 14,5 % zunächst skeptisch – insbesondere falls man die alternativen Verfahren im Kopf hat. Allerdings lohnt es sich auch hier genauer hinzusehen: Sowohl die Rezidiv- als auch die Komplikationsrate sind altersbeeinflusst. Betrachtet man nur die

[Complications after rectal prolapse surgery].

Major complications only rarely occur after rectal prolapse surgery. Generally, the spectrum of possible complications should always be considered dep...
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