Übersicht – Thoraxchirurgie

Videoassistierte thorakoskopische (VATS) sublobäre anatomische Resektionen beim Lungenkarzinom Video-Assisted Thoracoscopic (VATS) Sublobar Anatomic Resections for Lung Cancer

Autor

J. Bodner

Institut

Sektion Thoraxchirurgie, UKGM Gießen, Deutschland

Schlüsselwörter " Segmentresektion l " videoassistierte Thorakoskol pie (VATS) " Bronchialkarzinom l

Zusammenfassung

Abstract

!

!

Als anatomische Segmentresektion wird die chirurgische Entfernung eines oder mehrerer bronchopulmonaler Segmente unter individueller Versorgung der entsprechenden bronchovaskulären Strukturen bezeichnet. Neben benignen Erkrankungen und unklaren Rundherden kann eine anatomische Segmentresektion bei prä- bzw. minimalinvasiven Adenokarzinomen sowie beim invasiven Frühkarzinom (T1a) indiziert sein. Die videoassistierte thorakoskopische (VATS) Technik der anatomischen Segmentresektion unterscheidet sich in wenigen Punkten von der konventionellen Methode. Sie ist technisch anspruchsvoll, verbindet aber minimale Invasivität mit maximalem Parenchymerhalt. Dadurch kann die videoassistierte thorakoskopische anatomische Segmentresektion für lungenfunktionell stark eingeschränkte, polymorbide Patienten mit NSCLC eine chirurgische Therapieoption darstellen. Ihr onkologischer Stellenwert ist anhand der verfügbaren Datenlage jedoch noch nicht endgültig beurteilbar.

Pulmonary segmentectomy implies the removal of one or more anatomic units of the lung. It requires dissection of the segmental bronchus and artery and identification of the intersegmental vein, which should be respected. Benign lesions, solitary pulmonary nodules, pulmonary adenocarcinoma in situ and T1a lung cancer are possible indications. The VATS approach for segmentectomies is technically challenging and differs slightly from the conventional open one. Its combination of minimal invasiveness with a maximum of lung parenchyma preservation provides a surgical treatment option for NSCLC patients with little pulmonary reserve. Data on the oncologic outcome after VATS segmentectomy are inconclusive as yet.

Die anatomische Segmentresektion hat als chirurgische Therapieoption beim Lungenkarzinom zuletzt an Bedeutung gewonnen. Dies liegt zum einen an der gesteigerten Anzahl an Frühkarzinomen, die aufgrund der anhaltenden Weiterentwicklung der (thorakalen) Schnittbildtechnik und der Einführung von Screeningprogrammen beim Lungenkarzinom bereits jetzt und zukünftig wohl noch vermehrt detektiert werden [1]. Zum anderen hat in den Industriestaaten die demografische Entwicklung einer anhaltend steigernden Lebenserwartung verbunden mit den Fortschritten in der Anästhesie und Chirurgie dazu geführt, dass heute vermehrt auch sehr alte und polymorbide Patienten für einen resezierenden Eingriff an der Lunge in Betracht kommen. Dies umso mehr, als derartige Eingriffe über einen minimalinvasi-

ven thorakoskopischen Zugangsweg mit geringerem operativem Trauma, geringerer Morbidität, rascherer Rekonvaleszenz und kürzerem stationären Aufenthalt durchführbar sind [2, 3]. Ist es daher angebracht, den Goldstandard in der Therapie des Lungenkarzinoms im Stadium I neu zu definieren?

Key words " segmentectomy l " video‑assisted thoracoscopy l (VATS) " lung cancer l

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0033-1350872 Zentralbl Chir 2014; 139: 102–107 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0044‑409X Korrespondenzadresse Prof. Dr. Johannes Bodner Sektion Thoraxchirurgie UKGM Gießen Rudolf-Buchheim-Straße 7 35392 Gießen Deutschland Tel.: 06 41/98 54 47 07 Fax: 06 41/98 54 47 09 johannes.bodner@ chiru.med.uni-giessen.de

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Terminologie !

Wird im Rahmen eines resezierenden Eingriffs an der Lunge weniger als ein ganzer Lungenlappen entfernt, spricht man von einer sublobären Resektion. Als anatomische Segmentresektion wird dabei die chirurgische Entfernung eines oder mehrerer bronchopulmonaler Segmente unter

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individueller Versorgung der entsprechenden bronchovaskulären Strukturen bezeichnet. Darin unterscheidet sie sich von der atypischen Keil- (engl.: wedge-) Resektion, welche die anato" Abb. 1). Als mische Strukturen und Grenzen nicht respektiert (l erweiterte anatomische Segmentresektion wird nach Okada eine anatomische Segmentresektion unter Mitnahme von atypischen Keilen aus den angrenzenden Lungensegmenten bezeichnet [4]. Unter videoassistierter thorakoskopischer Chirurgie (VATS, video-assisted thoracoscopic surgery) werden thoraxchirurgische Eingriffe über einen von der Thorakotomie abweichenden, minimalinvasiven chirurgischen Zugangsweg bezeichnet. Dabei erfolgt die Visualisierung des Operationsgebiets indirekt mittels Videokamera und Monitor. Definitionsgemäß wird über 2 oder mehrere 1–5 cm große Thorakozentesen operiert, ohne Rippenspreizung und ohne direkte Sicht in die Pleurahöhle [5]. Abb. 2 Die bronchopulmonalen Segmente der Lunge (aus: Platzer W. Atlas der topgrafischen Anatomie. Stuttgart, New York: Thieme; 1982).

Historisches !

Die Identifizierung der Lungensegmente als anatomische Untereinheit der Lungenlappen geht auf Kramer und Glass zurück, die 1932 die Bezeichnung „bronchopulmonales Segment“ im Rahmen von Untersuchungen zum Lungenabszess einführten [6]. In beiden Lungen werden 10 Segmente unterschieden, wobei links entsprechend der Verzweigung des Bronchialbaums die Segmente 1 und 2 im Oberlappen zum apikoposterioren Segment und die Segmente 7 und 8 im Unterlappen zum basalen anteromedialen Segment zusammengeführt sind. Die Segmente 4 und 5 sind rechts als Mittellappen (laterales/mediales Segment) und links als Teil des Oberlappens in Form der Lingula (superiores/inferio" Abb. 2). res Segment) ausgebildet (l 1939 propagierten Churchill und Belsey erstmals die anatomische Segmentresektion als parenchymsparende Alternative zur Lobektomie [7]. Die Untersuchungen von Kent und Blades sowie die Erarbeitung der detaillierten chirurgischen Technik für sämtliche Segmente durch Overholt und Langer führten in den 1940er-Jahren zu einer breiteren Anwendung dieser Resektionsform [8, 9]. Bis zur Verfügbarkeit von Antibiotika und vor Einführung von Impfprogrammen gegen das Mycobacterium tuberculosis stellten (chronisch) entzündliche/infektiöse Lungenerkrankungen die häufigste Indikation für operative Eingriffe an der Lunge dar. Auch die anatomische Segmentresektion fand zunächst in der chirurgischen Therapie der Tuberkulose und von Bronchiektasien Anwendung. Bei diesen zumeist multisegmental und bilateral auftretenden Erkrankungen konnten dadurch multiple irrever-

sibel geschädigte Lungenabschnitte bei möglichst geringem Parenchym- und Funktionsverlust reseziert werden. Erst deutlich später führte das Wissen um die Lungensegmente als anatomische Untereinheit der Lungenlappen zur nachvollziehbaren Hypothese, dass auch kleine, auf ein anatomisches Segment beschränkte Lungenkarzinome mittels einer Segment- anstelle einer Lungenlappenresektion kurativ therapierbar sein könnten. Dementsprechend wurden in den 1970er-Jahren die Indikationen auf primäre, aber auch sekundäre Neoplasien der Lunge ausgedehnt [10–14]. Die erste in der Literatur dokumentierte rein video-thorakoskopisch durchgeführte anatomische (Bi-) Segmentresektion (Lingula) wurde von Anthony Yim an der Chinese University in Hongkong durchgeführt [15].

Technische Aspekte !

Die videoassistierte thorakoskopische anatomische Segmentresektion ist ein technisch anspruchsvoller Eingriff. Die genaue Kenntnis der pulmonalen Anatomie und ein entsprechendes 3dimensionales Vorstellungsvermögen sind für eine erfolgreiche Durchführung ebenso Voraussetzung wie ausreichende Routine im thorakoskopischen Operieren mit sicheren bimanuellen Fertigkeiten. Die vaskulären und bronchialen Strukturen müssen für die Segmentresektion vom Lungenhilus weiter in die Periphe-

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Abb. 1 Anatomische Segmentresektion versus atypische Keilresektion.

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Abb. 3 a bis d anatomische Segmentresektion Unterlappenspitzensegment (S6) rechts: a Versorgung A6. b Versorgung B6. c Versorgung Parenchymbrücke S2/S6. d Darstellung V6.

rie verfolgt und freigelegt werden. Auch wenn das Präparieren entlang dieser Strukturen im Vergleich zur offenen Chirurgie aufwendiger und technisch schwieriger ist, ermöglicht die thorakoskopische Visualisierung des Operationssitus mit einer vergrößernden, 30° gewinkelten Kamera Einstellungen und Blickwinkel, die in der offenen Chirurgie nicht gegeben sind. Das exakte Respektieren der Segmentgrenzen entlang der intersegmentalen Venen kann auch im Rahmen eines VATS-Eingriffs angestrebt werden, indem die entsprechende Vene möglichst hilusnahe aufgesucht und die schmale Andruckplatte des StaplerMagazins stumpf entlang dem Venenverlauf vorgeschoben wird. Da sich dies aber nur in seltenen Fällen bis in die Peripherie der Segmentgrenze bewerkstelligen lässt bzw. im Rahmen der etablierten thorakoskopischen Technik zumeist gar nicht angestrebt wird, ist der Methode die Bezeichnung „anatomische Segmentresektion“ wiederholt in Abrede gestellt worden. In semantischer Hinsicht erscheint dies gerechtfertigt; Hinweise, dass dieser technischen Abweichung eine negative klinische/prognostische Relevanz erwächst, lassen sich aus der vorhandenen Datenlage jedoch nicht ableiten [16]. Im Festsetzen und Versorgen der Parenchymgrenze des thorakoskopisch zu resezierenden Segments liegt der einzig relevante Unterschied zur offen-chirurgischen Methode über eine Thorakotomie. Versorgt werden die Parenchymbrücken beim VATS-Zugang in der Regel mittels Klammernahtapparat. Dies lässt sich zumeist gut bewerkstelligen, kann jedoch bei stark ausgebildeten Parenchymbrücken beim Wiederbelüften zu eigenartigen konvexen Konfigurationen des Restlappens führen. Dies verhindert postoperativ nicht selten ein vollständiges Ausfüllen der Pleurahöhle durch die Lunge besonders im Bereich der Recessus. Dieses diskrete Entfaltungsdefizit und ein daraus resultierender Pleuraerguss sind meist ohne klinische Relevanz. Das Festsetzen der Segmentgrenze kann durch selektive Ventilation erleichtert werden. Dabei ermöglicht die isolierte Intubation und Ventilation des zu resezierenden Segmentbronchus eine bessere Übersicht und intrathorakale Handlungsfreiheit als umgekehrt das Ventilieren der verbleibenden Restlunge nach Absetzen des entsprechenden Segmentbronchus [17]. Auch ohne selektive Ventilation lassen sich die Parenchymgrenzen durch „hiläre Orientierung“ bzw. anhand des Verlaufs der zentral versorgten bronchovaskulären Strukturen im entsprechenden Segment erahnen. Verschiebt man dabei die Resektionslinie bewusst in Richtung der verbleibenden Nachbarsegmente, kann jedenfalls von einer kompletten

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Resektion des „target“-Segments und des entsprechenden Lymphabflussgebiets ausgegangen werden. In Abweichung von der „fissure last technique“ der VATS-Lobektomie [18] ist das Darstellen der Pulmonalarterie im Interlobärspalt bei thorakoskopischen Segmentresektionen des Unterlappens sowie für die Resektion des posterioren Oberlappenseg" Abb. 3). Für die thorakoskopiments zwingend erforderlich (l sche Präparation der interlobären Pulmonalarterie haben sich das monopolare Stromhäkchen, die bipolare Schere oder die stumpfe Präparation mittels zweier Kugeltupfer bewährt. Im Falle inkompletter Fissuren empfiehlt sich zur Vermeidung prolongierter postoperativer Parenchymfisteln ein Übernähen oder Überkleben der interlobären Parenchymoberfläche am Ende der Operation. Die Reihenfolge, in der die entsprechenden bronchovaskulären Strukturen versorgt werden, variiert in Abhängigkeit der zu resezierenden Segmente/Segmentgruppen. Prinzipiell ist die Präparation entlang des Bronchialbaums erst nach dem Durchtrennen der entsprechenden Segmentarterien möglich. Der venöse Abfluss ist initial nur bei den beiden Unterlappenspitzensegmenten, der Lingula und den oberen 3 Segmenten des linken Oberlappens eindeutig ersichtlich und lässt sich bei den übrigen Resektionen erst im Verlauf der Präparation identifizieren. Witte et al. haben für einige gängige thorakoskopische anatomische Segmentresektionen eine detaillierte Operationsabfolge beschrieben [19]. Während das Versorgen der Bronchien bei anatomischen Segmentresektionen in Analogie zur VATS-Lobektomie in aller Regel unter Anwendung von Klammernahtapparaten erfolgen kann, ist dies bei den teilweise sehr zarten Segmentarterien aufgrund eines Größenmissverhältnisses nicht immer möglich bzw. sinnvoll. Mit konventionellen Titanclips, resorbierbaren oder nicht resorbierbaren Verriegelungsclips (Hem-o-Lok®, ClickʼaV®), Ultraschall-Versiegelungsinstrumenten oder HochfrequenzenergieVersiegelungsinstrumenten steht hierzu jedoch ein ausreichendes Armamentarium an Alternativen zur Verfügung [20]. Am ökonomischsten ist das Abligieren der Gefäße mit intra- oder extrakorporalem Knüpfen. Auch wenn prinzipiell die Resektion jedes anatomischen Segments über einen VATS-Zugang möglich ist, konzentrieren sich die Eingriffe an den meisten Zentren routinemäßig auf bestimmte Segmente bzw. Segmentgruppen. Jedenfalls sollte der funktionelle Benefit, der durch den Erhalt von zusätzlichem Lungenparenchym erzielt wird, nicht durch einen sehr zeitaufwendigen

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Tab. 1 Etablierte Segmentresektionen mittels VATS-Zugang. rechte Lunge

linke Lunge

S1 S2

S1–S3 obere Trisegmente S4/S5 Lingula

apikales Oberlappensegment posteriores Oberlappensegment S6 Unterlappenspitzensegment S7 – 10 basale Segmentgruppe

S6 Unterlappenspitzensegment S7 – 10 basale Segmentgruppe S7/8 vordere basale Bisegmente

und komplikationsträchtigen Eingriff zunichte gemacht werden. Eine der häufigsten sublobären Resektionen stellt jene der oberen 3 Segmente des linken Oberlappens unter Erhalt der Lingula dar. In Analogie zur rechten Lunge setzt sich diese Resektionsform bei Karzinomen im Stadium I aufgrund sehr guter Ergebnis" Tab. 1: etablierte Segse immer mehr als Standard durch [21] (l mentresektionen mittels VATS-Zugang).

VATS-Segmentresektion beim Lungenkarzinom !

Die prinzipielle Machbarkeit thorakoskopischer anatomischer Segmentresektionen beim Lungenkarzinom ist erwiesen [22– 24]. Witte et al. berichteten 2010 über eine konsekutive Fallserie von 20 Patienten mit Lungenkarzinom in Stadium IA. Es wurden 8 unterschiedliche Segmente/Segmentgruppen reseziert. Die Konversionsrate auf eine Thorakotomie betrug 10%, jene auf eine (thorakoskopische) Lobektomie 20 %, die Komplikationsrate betrug 25% [19]. Shapiro et al. fanden keinen Unterschied in der Komplikationsrate, Drainagedauer und Aufenthaltsdauer nach VATS-Lobektomie oder VATS-Segmentresektion bei Patienten mit Lungenkarzinom im Stadium I [25]. Die Lage und Größe des Tumors sind für die technische Durchführbarkeit und onkologische Sicherheit von entscheidender Bedeutung. Auch wenn über Resektionen bei Tumoren bis zu 3 cm berichtet wurde, besteht Konsens darüber, dass sich anatomische Segmentresektionen auf das Tumorstadium IA (bis 2 cm) beschränken sollten. Bei größeren Tumoren ist die Wahrung eines ausreichenden Sicherheitsabstands schwer möglich. Dieser sollte gleich groß wie der Tumordurchmesser (1,5 cm zu allen Resektionslinien bei einem 1,5 cm großen Tumor), jedoch mindestens 1 cm (auch bei Tumoren < 1 cm) sein [26, 27]. Bei geringerem Sicherheitsabstand kann zur Reduzierung des Lokalrezidivrisikos ein radioaktiv (Iod 125) beladenes Kunststoffgewebe (Mesh) im Sinne einer Brachytherapie an die Klammernahtreihe appliziert werden. Bei thorakoskopischen nicht anatomischen Keilexzisionen hat sich dieses Verfahren in Studien als sicher, praktikabel und wirksam erwiesen [28, 29]. Nach konventionell offener anatomischer Segmentresektion wegen eines Lungenkarzinoms im Stadium I wurden in Fallserien akzeptable und mit der Lobektomie vergleichbare onkologische Ergebnisse nachgewiesen [30, 31]. Die einzige prospektiv randomisierte Studie (Lung Cancer Study Group) wies jedoch eine im Vergleich zur Lobektomie signifikant höhere Rate an Lokalrezidiven nach [32]. Allerdings waren im „sublobären“ Studienarm sowohl anatomische Segmentresektionen als auch atypische Keil(Wedge-)Resektionen subsumiert worden. 2006 publizierte Okada die Ergebnisse einer prospektiv, nicht randomisierten multizentrischen Studie, in der eine „radikale“ Segmentresektion (= klassische anatomische Segmentresektion mit – im Falle positiver Level-11/12-Lymphknoten – zusätzlichen

nicht anatomischen Keilresektionen in die angrenzenden Segmente) gegen die Lobektomie beim Lungenkarzinom (< 2 cm) verglichen wurde. Dabei wurde kein Unterschied hinsichtlich des rezidivfreien bzw. Gesamtüberlebens festgestellt [4]. Weitere Studien untersuchten das Potenzial der anatomischen Segmentresektion für kardiopulmonal stark kompromittierte Patienten mit Lungenkarzinom im Stadium I, bei denen eine klassische Lobektomie aufgrund lungenfunktioneller Einschränkung kontraindiziert war. Dabei zeigte sich, dass ein derartiges Patientenkollektiv mittels anatomischer Segmentresektion bei akzeptabler Morbidität einer potenziell kurativen chirurgischen Therapie zugeführt werden kann [33, 34]. Die postoperative Lungenfunktion ist nach Segmentresektion im Vergleich zur Lobektomie um durchschnittlich 12 % besser [35]. Der intraoperativen Schnellschnittuntersuchung kommt bei der (thorakoskopischen) anatomischen Segmentresektion wegen eines Lungenkarzinoms eine besondere Bedeutung zu. Eine Tumorinfiltration der parenchymatösen Absetzungsränder und/ oder der interlobären bzw. intrapulmonalen Lymphknoten stellt prinzipiell eine Indikation zur Eingriffserweiterung im Sinne einer Komplettierungslobektomie bzw. – bei funktionell stark eingeschränkten Patienten – zu lokalen adjuvanten Therapiemaßnahmen dar.

Anatomische Segmentresektion versus atypische (Wedge-)Resektion !

Im Vergleich zur anatomischen Segmentresektion stellt die atypische Keilresektion einen technisch einfachen Eingriff dar. Kleine (< 3 cm), peripher gelegene Tumoren können dadurch parenchymsparend entfernt werden. Dieser Eingriff ist deutlich schneller, risiko- und komplikationsärmer als die anatomische Segmentresektion. Allerdings werden dabei die Kriterien eines onkologisch-chirurgischen Therapieansatzes nicht erfüllt, da die bronchovaskuläre Architektur und das Lymphabstromgebiet des tumortragenden Lungenabschnitts missachtet werden. Dementsprechend ist die atypische Keilresektion primär als Alternative zu nicht chirurgischen Verfahren der lokalen Tumorkontrolle bei lungenfunktionell stärkst eingeschränkten Patienten zu verstehen. Vergleichende Studien zwischen (nicht thorakoskopischer, konventioneller) anatomischer Segment- und nicht anatomischer Keilresektion zeigen, dass bei der Keilresektion kleinere Sicherheitsabstände zum Tumor erzielt werden [36], da ohne Versorgen der segmentalen bronchovaskulären Strukturen eine tiefe Resektion bis ins Zentrum eines Lungenlappens nicht möglich ist, bzw. zu Parenchymeinblutungen oder insuffizienten Klammernahtlinien führt. Darin mag eine Ursache für das deutlich schlechtere onkologische Ergebnis nach atypischer Keilresektion liegen: Sienel et al. wiesen signifikante Unterschiede sowohl im krankheitsfreien 5-Jahres-Überleben (48 vs. 71 % nach anatomischer Segmentresektion) als auch in der Lokalrezidivrate (55 vs. 16 % nach anatomischer Segmentresektion) nach [37]. Bei den Patienten beider Gruppen war eine Lobektomie aufgrund kardiopulmonaler Funktionseinschränkung kontraindiziert gewesen, und auch hinsichtlich Alter, Allgemeinzustand, FEV1, Tumorgröße, histologischer Subtypen, Komplikationsrate und Follow-up-Dauer bestanden keine Unterschiede. Allerdings war im Rahmen der anatomischen Segmentresektion eine systematische Lymphknotendissektion erfolgt, bei den Patienten mit atypischer Keilresektion dagegen nur ein Lymphknoten-Sampling. Smith et al. bestätigten

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in einer aktuell publizierten retrospektiven Studie an über 3500 Patienten den Vorteil der anatomischen Segmentresektion [38]. Trotz der onkologischen Kompromisse, die im Rahmen einer nicht anatomischen Keilresektion eingegangen werden, scheint dieses Verfahren bei älteren Patienten mit Lungenkarzinom im Frühstadium eine Berechtigung zu haben. Mery et al. zeigten in einer retrospektiven Analyse an über 10 000 Patienten, dass sich das Gesamtüberleben nach nicht anatomischer Keilresektion bei Patienten mit Lungenkarzinom im Stadium IA, die 71 Jahre und älter sind, nicht von jenem nach Lobektomie unterscheidet. Dagegen hatten Patienten unter 71 Jahren nach Lobektomie einen Überlebensvorteil [39]. Allerdings wurde dieser altersabhängige Aspekt in der zuvor zitierten aktuellen Studie von Smith et al. nicht bestätigt bzw. widerlegt [38].

Das engagierte Weiterentwickeln und Perfektionieren videoassistierter thorakoskopischer Techniken hat den Stellenwert der anatomischen Segmentresektion wieder aufleben lassen. In der Kombination minimaler Invasivität mit maximalem Parenchymerhalt unter Wahrung chirurgisch-onkologischer Grundprinzipien eröffnet dieser Eingriff jenem großen Kollektiv an Patienten mit Lungenkarzinom, welches aufgrund relevanter Komorbiditäten lange Zeit als inoperabel betrachtet werden musste, eine operative Therapieoption. Dies darf als Fortschritt gesehen werden. Jedoch erlaubt die vorhandene Datenlage derzeit noch keine endgültige Einschätzung des onkologischen Stellenwerts der videoassistierten thorakoskopischen Segmentresektion. Daraus lässt sich ein Auftrag für weitere klinisch angewandte Forschung ableiten.

Interessenkonflikt: Nein

Therapie des (ehemals) bronchioloalveolären Karzinoms (atypische adenomatöse Hyperplasie, Adenocarcinoma in situ/AIS) und minimalinvasiver Läsionen !

Präinvasive Formen des Adenokarzinoms der Lunge [40] breiten sich flächenhaft entlang der Alveolen aus und haben aufgrund fehlender Stroma-, Gefäß-, Lymphknoten- und Pleurainvasion eine ausgezeichnete Prognose [41]. Im hochauflösenden Dünnschicht-CT manifestieren sich diese Läsionen als milchglasartige Verschattungen ohne solide Komponente (GCO ground glass opacity). Nach aktueller Datenlage ist bei diesen oft multizentrisch auftretenden, als Präkanzerosen zu wertenden Tumoren die parenchymsparende, komplette (R0-) Resektion ohne Lymphknotendissektion ausreichend. Damit sind Patienten mit derartigen Läsionen Kandidaten für anatomische, aber auch atypische Segmentresektionen [26]. Gegen letztere Resektionsform spricht allerdings die Tatsache, dass diese Tumoren aufgrund der fehlenden Stromainvasion sehr schwer bzw. nicht tastbar sind, was deren intraoperative Detektion deutlich erschwert. Demgegenüber ist eine Zuordnung auf das betroffene anatomische Lungensegment im Dünnschicht-CT zumeist sicher möglich. Bei beiden Resektionsformen ist die intraoperative Schnellschnittuntersuchung unabdingbar, um eine invasive Komponente auszuschließen. Bereits bei entsprechendem Verdacht ist eine Erweiterung des Eingriffs mit systematischer Lymphknotendissektion und gegebenenfalls einer ausgedehnteren anatomischen Resektion indiziert.

Zusammenfassung und Ausblick !

Die anatomische Segmentresektion ist bei entsprechender Expertise auch videoassistiert thorakoskopisch sicher durchführbar. Beim Lungenkarzinom stellen das invasive Frühkarzinom (T1a) und prä- bzw. minimalinvasive Adenokarzinome eine potenzielle Indikation für diese Art der Resektion dar. Das Respektieren des Lymphabflussgebiets des tumortragenden Lungenabschnitts, die Möglichkeit der systematischen Lymphknotendissektion und die Gewinnung von ausreichend viel Tumorgewebe für immunhistochemische Analysen sind als relevante Vorteile gegenüber nicht chirurgischen Therapieoptionen (Stereotaxie, Ablation) zur lokalen Tumorkontrolle zu sehen. Die intraoperative Schnellschnittuntersuchung der Resektionslinien (Radikalität, Abstand zum Tumor) sowie der inter- und intralobären Lymphknoten entscheidet, ob der Eingriff gegebenenfalls auf eine Lobektomie erweitert werden muss (sofern funktionell möglich).

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Übersicht – Thoraxchirurgie

[Video-assisted thoracoscopic (VATS) sublobar anatomic resections for lung cancer].

Pulmonary segmentectomy implies the removal of one or more anatomic units of the lung. It requires dissection of the segmental bronchus and artery and...
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