Aktuelle Diagnostik & Therapie | Review article

Aktuelle Aspekte der Diagnostik und Therapie des Ösophaguskarzinoms Actual diagnostic and therapeutic aspects in esophageal cancer

Autoren

R. Porschen1

Institut

1 Klinik für Innere Medizin, Klinikum Bremen-Ost

Gastroenterologie, Onkologie

Das Ösophaguskarzinom ist weltweit eine der häufigsten Krebsarten; unter den soliden Tumoren nimmt es momentan Platz 8 ein. Histologisch wird das Ösophaguskarzinom in Adenokarzinom (AC) und Plattenepithelkarzinom (SCC) unterteilt. Besonders in den westlichen Industriestaaten nimmt die Inzidenz des Adenokarzinoms deutlich zu; weltweit überwiegt hingegen das Plattenepithelkarzinom. Hierbei existiert ein „Krebsgürtel“ vom Nahen Osten bis nach Nordostchina. Die Adeno- und Plattenepithelkarzinome besitzen unterschiedliche Risikofaktoren (q Tab. 1) [18].

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Schlüsselwörter Ösophaguskarzinom

q

Keywords esophageal cancer

q

In der aktuellen 7. UICC-Klassifikation wird als Ösophaguskarzinom auch ein Tumor bezeichnet, dessen Zentrum in einem Abstand von 5 cm vom ösophagogastralen Übergang liegt und das in den ösophagogastralen Übergang hineinreicht. Von der Lokalisation her unterscheidet man 3 das zervikal gelegene Ösophaguskarzinom 3 das thorakal gelegene Ösophaguskarzinom (supra- oder infrabifurkal) 3 und die Tumore des ösophagogastralen Übergangs (AEG = adenocarcinoma of esophagogastric junction)

eingereicht 14.04.2014 akzeptiert 08.05.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1370265 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 1778–1783 · © Georg 0 Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Prof. Dr. med. Rainer Porschen Klinik für Innere Medizin Klinikum Bremen-Ost Züricher Str. 40 28325 Bremen Tel. 0421 408 2221

Tab. 1

Die AEG-Tumore werden entsprechend einem Vorschlag von Siewert in den Typ I (distaler Ösophagus: 1–5 cm oberhalb der Z-Linie), Typ 2 (eigentliche Kardiaregion: 1 cm oberhalb bis 2 cm unterhalb der Z-Linie ) und den Typ 3 (Subkardiale Lokalisation: 2 cm unterhalb) unterteilt [17].

Diagnostik, Staging und Risikoeinschätzung ▼ Jede neu aufgetretene Dysphagie soll zeitnah durch eine diagnostische Ösophagogastroduodenoskopie abgeklärt werden. Bei endoskopischem Verdacht auf ein Ösophaguskarzinom ist die Entnahme von Biopsien zur weiterführenden pathohistologischen Diagnostik indiziert. Die weiteren Staginguntersuchungen umfassen: 3 abdominelle und zervikale Sonographie 3 orale Endosonographie 3 CT Hals, Thorax, Abdomen 3 Bronchoskopie: bei anatomischer Lagebeziehung zum Tracheobronchialsystem 3 Röntgen-Breischluck: bei V. a. eine ösophagotracheale Fistel

Risikofaktoren für das Plattenepithel- und das Adenokarzinom des Ösophagus [18].

Risikofaktor

Plattenepithelkarzinom

Adenokarzinom

Rauchen

+ + +

+ +

Alkohol

+ + +



Barrett-Ösophagus



+ + + +

gastroösophagealer Reflux



+ + +

Übergewicht



+ +

schlechter sozioökonomischer Status

+ +



frühere Verätzung der Speiseröhre

+ + + +

syn- und metachrone Kopf-Hals-Tumore

+ + + +

vorangegangene Mediastinalbestrahlung

+ + +

+ + +

häufiger Verzehr sehr heißer Getränke

+



Tylosis palmaris et plantaris

+ + +



Achalasie

+ +

+

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kurzgefasst Voraussetzung für die Festlegung der Therapie sind sorgfältig durchgeführte Staging-Untersuchungen, die auch funktionelle Untersuchungen zur Operabilität beinhalten.

Endoskopische Therapie der Frühkarzinome ▼

Abb. 1 Squamöse intraepitheliale Neoplasien und Frühkarzinome zeigen keine Aufnahme einer Lugol’schen Lösung im Vergleich zur braun gefärbten umgebenden normalen Ösophagusmukosa.

Die FDG-PET ist weder in der Primärdiagnostik noch zur Responsebeurteilung nach Chemotherapie oder Radiochemotherapie Standard; sie bleibt individuellen Fragestellungen vorbehalten. Eine diagnostische Laparoskopie kann bei Adenokarzinomen des distalen Ösophagus und des ösophagogastralen Übergangs (cT3 /T4) zum Ausschluss von Metastasen der Leber oder des Peritoneums durchgeführt werden. Da Patienten mit Ösophaguskarzinom – besonders Plattenepithelkarzinom – oft Komorbiditäten aufweisen, sind auch funktionelle Staginguntersuchungen (Echokardiographie, Evaluation der Lungenfunktion, der Leberfunktion und des Ernährungszustandes) erforderlich, um das Risiko einzuschätzen und über die Therapie entscheiden zu können.

Die Arbeitsgruppe um Ell besitzt weltweit die größte Erfahrung bei der endoskopischen Resektion von Barrettfrühkarzinomen. Die Langzeitergebnisse der endoskopischen Resektion an 1000 konsekutiven Patienten [11] zeigen, dass in 96 % der Fälle primär eine komplette Remission erreicht werden konnte. Bei knapp 4 % der Patienten war wegen Therapieversagens eine chirurgische Ösophagusresektion erforderlich. Metachrone oder Rezidivneoplasien traten in knapp 15 % der Patienten auf, die in der Regel erfolgreich erneut endoskopisch therapiert werden konnten. Die kalkulierte 10-Jahres-Überlebensrate betrug 75 %, wobei nur 2 Patienten an einem Barrettkarzinom starben. Als einziger Risikoparameter für eine Lymphknotenmetastasierung zeigte sich die Lymphgefäßinfiltration (L+) im endoskopischen Resektat. Diese und andere Studien zeigen somit, dass die endoskopische Resektion eines mukosalen Barrettfrühkarzinoms im Stadium m1 – m3 mit anschließender thermischer Ablation der nichtneoplastischen Rest-Barrett-Schleimhaut die Therapie der Wahl darstellt (q Abb. 2). Auch die Auswertung der großen SEER Datenbank in den USA bestätigt diese Ergebnisse [10]. Auch wenn eine endoskopische Resektion bei submukosalem NiedrigrisikoBarrettfrühkarzinom (sm 1 Infiltration, G1-G2, L0, V0) technisch möglich ist, stellt die endoskopische Resektion hier nicht die Standardtherapie dar [7].

Abb. 2 a) Mukosales Frühkarzinom in einem kurzstreckigem Barrett-Ösophagus. b) Komplette endoskopische Resektion des Barrett-Frühkarzinoms.

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 1778–1783 · R. Porschen, Aktuelle Aspekte der …

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Vor einer endoskopischen Therapie hochgradiger intraepithelialer Neoplasien oder Frühkarzinome ist eine zusätzliche subtile endoskopische Inspektion und Diagnostik mit einer hoch auflösenden Videoendoskopie erforderlich. Diese umfasst zusätzlich die Chromoendoskopie – bei Barrett-Neoplasien mit Applikation von Essigsäure, bei Plattenepithelneoplasien mit Lugol‘scher Lösung (q Abb. 1).

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Bei Plattenepithelkarzinomen beschränkt sich die endoskopische Therapie auf die mukosalen Stadien m1-m2 wegen des frühzeitigeren Risikos einer Lymphknotenmetastasierung beim Plattenepithelkarzinom.

kurzgefasst Beim mukosalen Barrett-Frühkarzinom ist die endoskopische Resektion die Therapie der Wahl.

Adjuvante Therapie ▼ Durch eine postoperative adjuvante Radiotherapie wurde versucht, die Operationsergebnisse beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus zu verbessern. Diese häufig nur mit kleinen Fallzahlen durchgeführten Studien zeigten jedoch keine signifikante Verbesserung des postoperativen Überlebens in der Kombinationsgruppe. Nur wenige Studien analysierten die Effekte einer adjuvanten Radiochemotherapie nach Operation. Eine aktuelle Publikation [19] fasst die Ergebnisse von 7 Studien mit 523 Patienten zusammen, die aber häufig retrospektiv angelegt sind und nur auf kleinen Fallzahlen fußen. Diese Metaanalyse gibt keinen definitiven Hinweis darauf, dass eine adjuvante Radiochemotherapie das Überleben beim Ösophaguskarzinom verlängert. In einer neueren japanischen Studie [2] wurde der Einfluss einer neoadjuvanten Chemotherapie mit Cisplatin/5-FU mit dem einer adjuvanten Chemotherapie bei Patienten mit Plattenepithelkarzinomen der Stadien II und III verglichen. Nach einem medianen Follow-up von 61,4 Monaten erwies sich die präoperative Chemotherapie hinsichtlich Gesamtüberleben (Hazard Ratio [HR] 0,73; p = 0,04) und 5-Jahres-Überlebensraten (55 vs. 43 %) der postoperativen Chemotherapie überlegen. Zusätzlich war der Prozentsatz der Patienten, die postoperativ einer Chemotherapie erhalten konnte, geringer als bei präoperativer Gabe aufgrund der Belastungen durch den vorangegangenen operativen Eingriff. Diese Daten zeigen somit, dass postoperative adjuvante Therapieverfahren beim SCC kein Standard sind. In der deutschen S3-Leitlinie Magenkarzinom wird bei Adenokarzinomen des gastroösophagealen Übergangs nach kurativer Resektion in der Regel keine postoperative Chemotherapie empfohlen [9]. Aufgrund der Daten einer Intergroup-Studie [8] wird in den USA häufiger eine postoperative Radiochemotherapie diskutiert. In dieser Studie wurden lokoregional fortgeschrittene Adenokarzinome (in ca. 85 % Lymphknotenbefall) des Magens und des gastroösophagealen Übergangs entweder mit einer Kombination aus Operation plus postoperativer Radiochemotherapie oder mit alleiniger Operation behandelt. In der Kombinationsgruppe lag das mediane Überleben (36 vs. 27 Monate) signifikant höher. Diese Studie wird jedoch kritisch diskutiert, da in mehr als 50 % der operierten Tumore das operative Vorgehen unzureichend gewesen war (inadäquaten Lymphknotendissektion).

kurzgefasst Adjuvante Therapieverfahren sind weder beim Plattenepithelnoch beim Adenokarzinom des Ösophagus Standard.

Multimodale Therapie ▼ Mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von unter 20 % zeichnet sich das Ösophaguskarzinom durch eine ungünstige Prognose aus. Durch Kombination verschiedener Therapieverfahren in Form einer multimodalen Therapie wird deshalb versucht, die Therapieergebnisse der alleinigen Operation zu verbessern. Die Bewertung der vorliegenden Studien zum Stellenwert multimodaler Therapieverfahren wird durch verschiedene Faktoren erschwert, die die Vergleichbarkeit der Studien erschweren: 3 Einschluss von AC und SCC in unterschiedlichem Ausmaß 3 unzureichende Definition der Tumorlokalisation 3 unterschiedliche Qualität der Stagingverfahren 3 heterogene Patientenkollektive (Stadium I bis III) 3 unterschiedliche Chemotherapieregime 3 Induktionschemotherapie vs. simultane Radiochemotherapie 3 unterschiedliche Strahlendosen 3 unterschiedliche Radiotherapie-Schemata (z. B. split course)

q Tab. 2 gibt einen Hinweis auf die vorhandenen Heterogenitäten. Um dennoch den Stellenwert kombinierter Therapieverfahren bewerten und Konsequenzen aus den Studienresultaten für das klinische Vorgehen ziehen zu können, sind ergänzend zu den randomisierten Studien Metaanalysen erstellt worden. In einer aktuellen Metanalyse [13] wurden 24 Studien mit 4188 Patienten zum Vergleich einer neoadjuvanten Radiochemotherapie oder Chemotherapie versus alleinige Operation einbezogen. Eine neoadjuvante Radiochemotherapie verbesserte das Gesamtüberleben um 22 %. Dies entspricht einem absoluten Überlebenszuwachs von 8,7 % innerhalb von 2 Jahren. Die Effekte einer präoperativen Radiochemotherapie waren vergleichbar für das Plattenepithelkarzinom (HR 0,80) und das Adenokarzinom (HR 0,75). Eine neoadjuvante Chemotherapie reduzierte die Mortalität um 23 % (HR 0,87). Dabei war der Effekt nur signifikant für das Adenokarzinom, aber nicht für das Plattenepithelkarzinom. Zwei Studien verglichen eine präoperative Radiochemotherapie mit einer Chemotherapie. Hierbei ergab sich ein Trend zugunsten der neoadjuvanten Radiochemotherapie, der allerdings nicht signifikant war (HR 0,88; p = 0,07). In dieser Metaanalyse wurde die postoperative Mortalität durch die neoadjuvante Vorbehandlung nicht erhöht. Die holländische CROSS-Studie [16] umfasste 366 Patienten mit lokal begrenzten, resektablen und nicht-metastasierten Karzinomen des Ösophagus und des ösophagogastralen Übergangs (zu 75 % AC). 178 Patienten erhielten präoperativ eine Radiochemotherapie mit Carboplatin/Paclitaxel. Die anderen 188 Patienten wurden nur operiert. Eine R0-Resektion wurde bei 92 % nach Radiochemotherapie und bei 69 % nach alleiniger Operation erreicht (p 

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