Arztrecht in der Praxis -

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Rechtsprechung Aktuelle Mltteiiungee ProblemZlllle Redaktion: Rechtsanwalt Dr. Hans-Jürgen Rieger, Karlsruhe 41

In der Praxis spielt neben der Problematik der Verabreichung von Injektionen durch Krankenpflegepersonal (1) immer wieder die Frage eine Rolle, inwieweit die Durchführung von Infusionen, zum Beispiel Zytostatika-Infusionen, an das examinierte Krankenpflegepersonal delegiert werden darf. Im einzelnen geht es vor allem um die Berechtigung, jeweils auf Anordnung des Arztes 1. Infusionslösungen zu wechseln, 2. in einen bereits liegenden Zugang intravenös zu injizieren und 3. Infusionen anzulegen.

Stellungnahmen der Fachgremien Die hierzu existierenden Stellungnahmen der betroffenen Fachverbände sind unterschiedlich. Nach der Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Bundesärztekammer (BÄK) vom 11.3./18.4.1980 (2) darf der Arzt unter anderem die Durchführung von Infusionen ad personam an besonders qualifizierte Krankenpflegepersonen übertragen, ohne daß zwischen den vorgenannten einzelnen Verrichtungen unterschieden wird. Die von der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemeinsam erarbeiteten »Anforderungen an die persönliche Leistungserbringunga aus dem Jahre 1988 (3) enthalten speziell zum Anlegen von Infusionen folgende Regelung: »Intravenöse Injektionen und das Anlegen von Infusionen sollten vom Arzt selbst durchgeführt werden; sie sind wegen möglicher Komplikationen nur dann delegationsfähig, wenn sich der Arzt von der durch Ausbildung und Erfahrung gewonnenen spezifischen Qualifikation in der Punktions- und Injektionstechnik überzeugt hat und wenn e r persönlich in der Praxis anwesend ist.«

Dtsch. med. Wschr. 117 (1992).1000-1002

O Georg Thierne Verlag Stuttgart . New York

Demgegenüber lehnen die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schwesternverbände (ADS) und der Deutsche Berufsverband für Krankenpflege e.V. (DBfK) in ihrer Stellungnahme vom April 1989 (4) das Anlegen von Infusionen durch das Krankenpflegepersonal ausnahmslos ab und erlauben lediglich den Wechsel der Infusionslösungen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Stellungnahmen von Fachgremien von der Rechtsprechung als Konkretisierung der ärztlichen Sorgfaltspflicht in dem betreffenden Bereich angesehen werden mit der Folge, daß der Arzt bei Beachtung dieser Regeln den späteren Vorwurf eines Behandlungsfehlers nicht zu befürchten braucht (5). Probleme ergeben sich aber dann, wenn die Äußerungen der Fachgremien - wie im vorliegenden Fall - sich teilweise widersprechen.

Delegationsfahigkeit einzelner Verrichtungen Keine besonderen Schwierigkeiten ergeben sich zunächst hinsichtlich des Wechselns von Infusionslösungen. Insoweit decken sich sämtliche Stellungnahmen. Der Arzt darf deshalb davon ausgehen, daß e r sich im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht hält, wenn er eine Krankenpflegeperson, von der er weiß, daß sie zuverlässig arbeitet, mit dem Wechseln von Infusionslösungen betraut. Ebenso wird man das Injizieren in einen bereits liegenden Zugang durch das Krankenpflegepersonal auf ärztliche Anordnung unter den in der Stellungnahme der DKG un der BÄK sowie den »Anforderungen an die persönliche Leistungserbringunga im einzelnen genannten Voraussetzungen (Obertragung ad personam a n besonders ausgebildetes Personal mit entsprechenden nachgewiesenen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten; Anwesenheit des Arztes) grundsätzlich für zulässig erachten müssen. Wenn das Krankenpflegepersonal nach dieser Stellungnahme schon mit der Verabreichung intravenöser Injektionen beauftragt werden darf, so

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Verabreichung von Infusionen durch das Krankenpflegepersonal

müssen Injektionen in einen bereits liegenden Zugang erst recht erlaubt sein. Da bei solchen Injektionen ein Einstich in das Muskelgewebe nicht erfolgt, ist die Gefahr des Eintritts von Schäden beim Patienten (zum Beispiel durch paravenöses Injizieren oder Verwechslung von Vene und Arterie) hier weit geringer als bei gewöhnlichen Injektionen (6). Soweit die Stellungnahme der ADS und des DBfK die Durchführung intravenöser Injektionen durch das Krankenpflegepersonal grundsätzlich für unzulässig hält, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Auffassung steht nicht nur im Widerspruch zu der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur (7). sondern auch zur Rechtsprechung, die intravenöse Injektionen durch examiniertes Pflegepersonal nicht generell verbietet (8). Rechtlich zulässig erscheint auch das Anlegen von Infusionen durch examinierte Krankenpflegepersonen, sofern die in den vorzitierten »Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung« genannten Voraussetzungen beachtet werden. Besonders wichtig ist dabei, daß ein Arzt anwesend ist. Demgegenüber wollen die Berufsverbände des Pflegepersonals in ihrer Stellungnahme das Anlegen von Infusionen nur »Fachkrankenschwestern für Anästhesie- und Intensivpflege bzw. Krankenschwestern mit besonderer Qualifikation für die Tätigkeit in der Dialyse« unter bestimmten Voraussetzungen gestatten. Für eine solche Beschränkung besteht jedoch keine sachliche Notwendigkeit. Es muß ausreichen, wenn der persönlich anwesende Arzt sich von der spezifischen Qualifikation und Zuverlässigkeit der Krankenpflegeperson überzeugt hat.

Fragen der Dokumentation Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei der aus dem Arztvertrag bzw. dem Krankenhausaufnahmevertrag folgenden »Pflicht des Arztes zu angemessener Dokumentation« um eine »selbstverständliche therapeutische Pflicht gegenüber dem Patienten« (9). Eine ordnungsmäßige Dokumentation über die Behandlung« wird »dem Patienten als Bestandteil einer sorgfältigen Behandlung vom Arzt geschuldet« (10). Zu dokumentieren sind die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, unter anderem »Anweisungen a n die Funktions- und Behandlungspflege« (11). Dementsprechend heißt es in der Stellungnahme der DKG und der BÄK vom 11. 3./18. 4. 1980 in bezug auf die Delegation unter anderem von intravenösen Injektionen unter Ziffer 2.5: »Die ärztliche Anordnung ist schriftlich festzuhalten und vom Arzt abzuzeichnen. Dabei sind der Patient namentlich zu benennen sowie das zu verabreichende Medikament, dessen Menge, Art und Zeitpunkt der Verabreichung zu bestimmen.«

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Arztrecht in der Praxis 1001

In gleichem Sinne spricht die Stellungnahme der ADS und des DBfK vom April 1989 in Ziffer 8 von der Zulässigkeit der Delegation von intravenösen Injektionen in der Dialyse »unter der Voraussetzung der dokumentierten ärztlichen Anordnung«. Der Umfang dieser Aufzeichungspflicht ergibt sich aus Ziffer 1 der Stellungnahme, wo bereits für die Delegation subkutaner und intramuskulärer Injektionen eine schriftliche ärztliche Anordnung verlangt wird, »aus der Angaben über die Person des Patienten, Name und Dosis des Medikaments sowie Art und Zeitpunkt der Injektion eindeutig hervorgehen«. Daß eine solche differenzierte Dokumentation hinsichtlich ihrer Praktikabilität in der Praxis Schwierigkeiten bereitet, ist ohne weiteres einleuchtend. Dies ist indes im Schadensfall kein Rechtfertigungsgrund für eine unterlassene Dokumentation. Da die in den Stellungnahmen der Fachgremien niedergelegten Regeln für die Rechtsprechung eine Konkretisierung der ärztlichen Sorgfaltspflicht darstellen, wird ein Weniger an Dokumentation, als in der Stellungnahme der DKG und der BÄK vom 11. 3./18. 4. 1980 festgelegt, im Schadensfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Vorwurf eines Dokumentationsversäumnisses führen mit der beweisrechtlichen Konsequenz, daß die Nichtdokumentation das Ausbleiben der aufzeichnungspflichtigen Maßnahme indiziert (12).

Der arbeitsrechtliche Aspekt Aus der Delegationsfahigkeit der hier in Rede stehenden Verrichtungen unter den vorstehend dargelegten Voraussetzungen folgt nicht ohne weiteres, daß die betreffenden Pflegekräfte zur Ausführung der ärztlichen Anordnungen arbeitsrechtlich verpflichtet sind. Eine solche generelle Verpflichtung besteht weder nach gesetzlichen noch nach tarifvertraglichen Vorschriften. Eine arbeitsvertragliche Pflicht zur Durchführung von Infusionen mit der Möglichkeit für den Arbeitgeber zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Weigerungsfall besteht nur in den Fällen, in denen diese Verrichtung zum praktizierten Aufgabenbereich des hierfür besonders ausgebildeten Pflegepersonal gehört, wie vor allem auf Intensivstationen und in Dialyseeinheiten (13).

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DMW 1992, 117. Jg., Nr. 25

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DMW 1992, 1 1 7.Jg.. Nr. 25

Arztrecht i n d e r Praxis

Anmerkungen i Vgl. hierzu aus neuerer Zeit Dtsch. med. Wschr. 115 (1990).

1530f. Abgedruckt im Dtsch. Ärztebl. 77 (19801, 1709f. Abgedruckt im Dtsch. Ärztebl. 85 (1988). B-1813f. Abgedruckt bei Schell. Injektionsproblematik aus rechtlicher Sicht, 1990, S. 97ff. 5 Vgl. Rieger, Lexikon des Arztrechts 1984, Stichwort ~ B e h a n d lungsfehler«. Rz 307. 6 Vgl. Dtsch. med. Wschr. 98 (1973). 1821. 7 Vgl. zum Beispiel A. Hollmann - M. Hollmann. Dtsch. Ärztebl. 77 (1980). 396ff; Klie, Altenpflege (Zeitschrift) 2 (1985). 102. 106; Brenner. Das Krankenhaus 72 (1980). 151. 153; Hahn. Die Haftung des Arztes für nichtärztliches Hilfspersonal, 1981. S. 53. 8 Vgl. zum Beispiel Landessozialgericht Darmstadt, Urteil vom 2. 2. 1959, Ärztl. Mitteilungen 44 (1959). 1370. In diesem Fall hatte ein Kassenarzt während seines Urlaubs seine Vertretung Nachbarkollegen überlassen und seine Sprechstundenhilfe U. a. angewiesen, selbständig die laufenden lnjektionskuren abzuschließen und dabei intravenöse lnjektionen zu verabreichen. In dem Urteil heißt es unter anderem: »Der Senat ist . . . der Auffassunn. daß die Vorinstanzen auch in der Verabreichung der injekhonen durch die lediglich in der Praxishilfe und einem kurzfristigen Kurs ohne Staatsexamen ausgebildeten Praxishilfen des Klägers zu Recht eine . . . gröbliche Verletzung seiner kassenärztlichen Pflichten gesehen haben. Die Verabreichung von Injektionen gehört, wie keiner näheren Begründung bedarf, zu den Leistungen. die ausschließlich dem Arzt vorbehalten sind und die er keiner anderen nicht voll medizinisch ausgebildeten Person überlassen kann. Dies schließt natürlich nicht aus, d a ß sie unter Anleitung und in Gegenwart des Arztes von einer entsprechenden vorgebildeten Hilfskraft ausgeführt werden.« (Heworhebungen vom Verfasser). 9 BCH, Neue jur. Wschr. 31 (1978). 2337. 10 BCH, Neue jur. Wschr. 36 (1983). 328. 1 1 Steffen. Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 4. Aufl. 1990 S. 103. 12 Vgl. zum Beispiel BCH. Neue jur. Wschr. 36 (1983), 333; 41 (1988). 762. 13 Näher dazuvgl. Dtsch. med. Wschr. 115 (1990). 1530.1531.

Rechtsanwalt Dr. H.-J. Rieger Ostpreußenstr. 1 3 7500 Karlsruhe 4 1

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[Administration of infusions by patient care personnel].

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