Hirsch u. a.: Nosokomiale Infektionen

44, 2. November 1979, 104. Jg.

I 5 59

Dtsch. med. Wschr. 104 (1979), 1559-1563 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Nosocomial infections

Nosokomiale Infektionen Erfassung und Kontrolle in einer gynäkologisch-geburtshilf lichen Klinik H. A. Hirsch, U. Niehues, K. Decker und W. Marget Universitäts-Frauenklinik Tübingen (Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. H. A. Hirsch)

Im Rahmen eine prospektiven Studie über den Einsatz von Hygienefachschwestern wurden in drei Jahren bei 18 897 hospitalisierten Patientinnen einer gynäkologisch-geburtshilflichen Klinik 2546 iosokomiale Iñfektionen registriert. Die Inzidenz beträgt einschließlich der (vorwiegend asymptomatischen) Bakteriurien 13,50/o, ohne Bakteriurien 3,90/o. Sie war nach größeren operativen Eingriffen am höchsten, bei Schwangeren, Wöchnerinnen, nach vaginalen Entbindungen und nach kleinen operativen Eingriffen am niedrigsten. Bakteriurien waren bei allen Patientengruppen die häufigste Infektionsart. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der nosokomialen Infektionen betrug 71°/o; danach folgten postoperative pelvine Infektionen (7,3°/o), Phlebitiden am venösen Zugang (6,5°/o) und abdominale Wundinfektionen (4,2°/o). Während des Cberwachungsprogramms, der Einführung und Forcierung verschiedener hygienischer Maßnahmen und der laufenden Instruktion und Kontrolle auf den Krankenstationen und Funktionsräumen durch die Hygienefachschwester kam es zu einer Abnahme der Inzidenz aller nosokomialen Infektionen um 48,10/o und der Harnweginfektionen um 42,7°/o.

42.7°/o.

Im Krankenhaus erworbene Infektionen (nosokomiale Infektionen) sind eine für Patient und Arzt belastende Erscheinung,

Within 3 years 2546 nosocomial infections were registered among 18 897 hospitalised patients of a gynaecological-obstetric university hospital. Results were obtained in a prospective study on the use of nurses specially trained in hygiene. The incidence of nosocomial infections was 13.S°/ including predominantly asymptomatic bacteriurias and 3.9% without bacteriurias. It was highest after major surgical intervention and lowest in pregnant women, postnatal patients, vaginal deliveries and minor operations. Bacteriurias were the most common infection in all patient groups. They made up 71°/o of the total, followed by postoperative pelvic infections (7.30/o), phlebitis at the site of infusion (6.5°/o) and abdominal wound infection (4.2%). During the control programme, introduction and reinforcement of various hygienic measures and continuous instruction and control of the wards and treatment rooms by the specially trained nurses the incidence of all nosocomial infections decreased by 48.1% and of urinary tract infections by

Faktoren zu erfassen, die die Infektionsfrequenz beeinflussen,

die mit der medizinischen Versorgung

hospitalisierter Patienten und vor allem mit operativen Eingriffen zwangsläufig verbunden ist. Diese Tatsache zu leugnen, wäre ebenso unrealistisch, wie es notwendig ist,

Maßnahmen zu ergreifen, um diese Infektionen soweit wie möglich zu verhüten.

Das Ziel unserer prospektiven Untersuchung mit Hilfe

den Erfolg von Maßnahmen zur Vermeidung der Infektionen zu überprüfen. Diese erste Mitteilung gibt einen Uberblick über Inzidenz und Art der nosokomialen Infektionen und die Änderung der Inzidenz während der dreijährigen Berichtszeit, das heißt während der Tätigkeit der Hygienefach-

einer Hygienefachschwester ist es,

schwester.

1. Kenntnis von Art und Häufigkeit der nosokomialen Infektionen unserer gynäkologisch-geburtshilflichen Kli-

Die Untersuchung ist Teil einer Pilotstudie über den Einsatz von Hygienefachschwestern in der Bundesrepublik. Sie wurde von Marget (15) veranlaßt und organi-

nik zu erhalten, 0012-0472/79

1102 - 1559

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We.

Hirsch u. a. Nosokomiale Infektionen

siert und im Rahmen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft von der Robert-Bosch-Stiftung finanziert.1

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Tab. 2. Inzidenz nosokomialer Infektionen bei Patientengruppen Patientinnen

Methode und Patienten

n

schen Hospitalisierungsbedingungen zum Beispiel 12,3°/s postopera-

tiver Wundinfektionen (6) - wird erst nach der Entlassung aus dem Krankenhaus manifest. ¡nfektionser/assung und Registrierung der Infektionen erfolgten nach den Richtlinien (3) des Center for Disease Control (CDC) in

Atlanta, Ga., von einem der Autoren, einer ganztägig tätigen

große operative Eingriffe kleine operative Eingriffe nicht-operative Therapie und Strahlenbehandlung Schwangere und Wöchnerinnen (vaginale Geburt)

Infektionen ohne

Bakteriuien

n

/o

n

/s

3 520

1951

55,4

520

14,8

8232

137

1,7

58

0,7

932

235

25,2

34

3,6

6 213

223

3,4

116

1,7

18 897

2546

13,5

728

3,9

Definitionen. Als nosokom jale Infektionen werden alle während der

Hospitalisierung entstandenen Infektionen bezeichnet, die bei der Aufnahme noch nicht vorhanden oder im Inkubationsstadium waren, gleichgültig, ob sie durch Hospitalkeime oder Keime aus der Körperflora der Patienten oder Keime anderer Herkunft verursacht werden. Ein kleiner Teil der Infektionen - unter nordamerikani-

Infektionen insgesamt

verschiedenen

Hygienefachschwester.

Tab. 1. Aufgaben der Hygienefachschwester bzw. des Hygienefachpflegers

Infektionserfassung: Patienten, Personal Hygieneberatung Erstellung von Arbeitsprogrammen Fortbildung S. Hygienekontrolle

nen« Eingriffen am niedrigsten (Tabelle 2). Zu den größeren operativen Eingriffen zählten Hysterektomien mit und ohne Inkontinenzoperationen, Laparotomien, Mastektomien, die Vulvektomie und die abdominale Schnitt-

entbindung. Zu den »kleinen« operativen Eingriffen wurden neben den übrigen gynäkologischen und geburtshilf lichen Operationen einschließlich der Episiotomie und Laparoskopie auch Biopsien der Brust gerechnet. Bei nicht-operativer gynäkologischer Behandlung (zu

einem Großteil Karzinompatientinnen mit Strahlenbehandlung) beträgt die Infektionsrate 25,2% (3,6% ohne Bakteriurien) und bei pränatal hospitalisierten Schwangeren und bei Wöchnerinnen mit vaginalen Geburten nen, die Sichtung der Kurven und gegebenenfalls der Krankenblätter, 3,4% (1,7% ohne Bakteriurien). die tYberprüfung aller Patienten mit Fieber, der AntibiotikabehandProzentuale Verteilung der Infektionen. Den größten lung oder sonstiger einschlägiger Maßnahmen und die Rücksprache mit den zuständigen Schwestern und Ärzten. Die nosokomialen Anteil haben Bakteriurien: 71,4% aller nosokomialen InInfektionen werden jeweils auf einem Erfassungsbogen registriert fektionen oder 9,6% aller hospitalisierten Patienten. Die und in monatlichen Abständen zusammengefaßt und analysiert. Die meisten dieser Harnweginfektionen verlaufen asymBezugszahl der Infektionen ist die Anzahl der im betreffenden Zeitptomatisch oder zumindest symptomarm, so daß sie nur raum entlassenen Patienten (3). Berichtszeitraum und Patienten. Der Berichtszeitraum reicht vom durch routinemäßiges Screening mit Urinkulturen erfaßt 1. 4. 1976 bis 31. 3. 1979 und umfaßt die ersten drei Jahre der wurden. Studie nach einer zweimonatigen Einarbeitungszeit der HygieneZur Gruppe mit der zweitgrößten Häufigkeit, nämlich fachschwester. In dieser Zeit wurden 18 897 gynäkologische und 7,3% der nosokomialen Infektionen, zählen phlegmogeblirtshilfliche Patienten hospitalisiert. nöse und abszedierende Infektionen am Vaginalstumpf, vor allem nach Hysterektomien und InkontinenzoperaErgebnisse Tätigkeit und Aufgaben der Hygienefachschwester zeigt Tabelle 1. Zur Erfassung von nosokomialen Infektionen gehören die tägliche Durchsicht der eingehenden bakteriologischen Befunde, ein routinemäßiger, etwa zweitäglicher Rundgang auf den Statio-

Häufigkeit nosokomialer Infektionen. In der Berichtszeit traten bei 2144 von 18 897 hospitalisierten Patientinnen 2546 (13,5%) nosokomiale Infektionen auf. Da bei einigen Patientinnen zwei oder mehr Infektionen vorkamen, übersteigt die Anzahl der nosokomialen Infektionen die der nosokomial Infizierten (n = 2144). Wegen der überdurchschnittlich großen Zahl von (asymptomatischen) Bakteriurien in der Gynäkologie, die nur durch routinemäßiges Screening erfaßt werden, ist es sinnvoll, die übrigen nosokomialen Infektionen gesondert zu betrachten.

Nach Abzug der Bakteriurien verbleiben 728 nosokomiale Infektionen; das ergibt eine Inzidenz von 3,9% aller hospitalisierten Patientinnen. Nosokomiale Infektionen bei verschiedenen Patientengruppen. Die Inzidenz nosokomialer Infektionen ist nach größeren operativen Eingriffen am höchsten, nach »kleiWir danken der Robert-Bosch-Stiftung für die großzügige Unterstützung der Studie.

1

tionen. Phlebitiden (6,5%) traten fast ausschließlich am intra-

venösen Zugang (Plastikkanülen und -katheter) an der Hand oder am Arm auf, wobei im Gegensatz zu einigen anderen Statistiken bereits eine Rötung mit Schwellung als Infektion gezählt wurde. Zu den abdominalen Wundinfektionen (4,2%) zählen alle primär oder sekundär infizierten Laparotomiewun-

den, zu den Endometritiden (4,1%) intrauterine Inektionen vor allem nach Schnittentbindungen, gelegentlich

nach vaginalen Geburten, Aborten und Schwangerschaftsabbrüchen, zu den Hautinfektionen (2,8%) Abszesse, infizierte Episiotomien und postoperative Wund-

infektionen nach Eingriffen an der Vulva und der Mamma. Die Anzahl der Infektionen des Respirationstraktes ist

niedrig (1,3%), die der Bakteriämie (0,9%) mit großer Wahrscheinlichkeit niedriger als ihr tatsächliches Vorkommen, da Blutkulturen sicher nicht in allen Fällen mit

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Hirsch u. a.: Nosokomiale Infektionen

Nr. 44, 2. November 1979, 104. Jg.

Tab. 4. Inzidenz von Wundinfektionen nach 3520 größeren operativen Eingriffen

Zeitraum

Operationen

Wundinfektïonen

n

n

sammengefaßt.

1. Halbjahr

573

76

13,3

Infektionskeime. Von den 2546 nosokomialen Infektionen wurden bei 2334 bakteriologische Kulturen angelegt. Bei 229 wurden keine Keime gefunden. Bei den übrigen 2105 wurden 2531 Keime isoliert (Tabelle 3).

2. Halbjahr

468

46

9,8

3. Halbjahr

595

63

10,6

4. Halbjahr

593

29

4,9

S. Halbjahr

677

31

4,6

6. Halbjahr

614

20

3,3

insgesamt

3520

265

7,5

Tab. 3. Keime von 2105 nosokomialen Infektionen Erreger

Aerobe Kokken Staphylococcus aureus andere Staphylokokken Enterokokken andere Streptokokken

0/>

n

Tab. 5. Inzidenz nosokomialer Bakteriurien 88

3,5

169

6,7

313

12,4

152

6,0

29

1,2

8

0,3

1205

47,6

171

6,8

131

5,2

Anaerobe Kokken

Pepto- und Peptostreptokokken Veillonellen

Aerobe Stäbchen E. coli

Proteusarten Klebsiella, Enterobakter Serratia marcescens Pseudomonas aeruginosa andere gramnegative Stäbchen grampositive Stäbchen

2

Hefepilze Mycoplasma hominis

79

3,2

32

1,3

33

1,3

65

2,6

17

0,7

36

1,4

1

Patientinnen

nosokomiale Bakteriurien

n

n

1. Halbjahr

2933

365

12,4

2. Halbjahr

2776

276

9,0

3. Halbjahr

3 129

304

9,7

4. Halbjahr

3 112

344

11,1

5. Halbjahr

3 467

285

8,1

6. Halbjahr

3 480

244

7,1

18 897

1818

9,6

insgesamt

0,07

Anaerobe Stäbchen Bacteroides-Arten grampositive Stäbchen

Zeitraum

0,03

tionen einen Rückgang von 75,2% und bei den Hamweginfektionen von 42,7%.

Als Indikator für die exogene Infektion mit einem typischen Hospitalkeim kann der Anteil von Pseudomonas aeruginosa an den Harnweginfektionen gelten. Er betrug im ersten Halbjahr 10,9%, nahm bereits im zweiten Halbjahr auf 1,1% ab, stieg im vierten auf 2,6% und betrug im sechsten Halbjahr 0,8%. Serratia marcescens,

ein weiterer Hospitalkeim als Erreger von Harnweginfektionen, kam im Berichtszeitraum nur zweimal vor.

2531

100,0

Diskussion Am häufigsten kommen Enterobakterien vor, was vor allem durch die hohe Zahl der Harnweginfektïonen bedingt ist. Anaerobier wurden hauptsächlich bei pelvinen und abdominalen Wundinfektionen gefunden.

Rückgang der Infektionshàufigkeit. Die Infektionshäufigkeit zeigte in den sechs Halbjahresabschnitten des Berichtszeitraums folgende Veränderungen: Die Häufigkeit nosokomialer Infektionen nahm von 14,4% im ersten Halbjahr auf 8,6% im sechsten Halbjahr ab, die aller nosokomialen Infektionen von 18,9%

Die prospektive Erfassung von nosokomialen Infektionen nach gleichbleibenden und jahrelang bewährten Kriterien (3) durch dieselbe Hygienefachschwester, die im Gegensatz zu den durch Komplikationen belasteten Abteilungsärzten und -schwestern unbefangen die Infektionen registriert, hat einen genauen und vergleichbaren Uberblick über unsere infektiösen Komplikationen ergeben.

auf 9,8% und die der nosokomialen Infektionen ohne Harnweginfektionen von 6,4% auf 2,8%. Das bedeutet

Die Inzidenz unserer nosokomialen Infektionen liegt vielleicht mit Ausnahme der Harnweginfektionen - im Bereich der Ergebnisse anderer Autoren, wenn man zum Vergleich Einzelstudien heranzieht (1, 2, 6, 9, 10, 14).

einen Rückgang von 40,3%, 48,1% und 56,3%. Die Inzidenz von Wundinfektionen (Tabelle 4) nahm

Bei der multizentrischen National Nosocomial Infections Study in den USA betrug die Inzidenz aller nosokomialen

von 13,3% im ersten Halbjahr auf 3,3% im sechsten Halbjahr und die der Harnweginfektionen (Tabelle 5) von 12,4% auf 7,1% ab. Das ergibt bei den Wundinfek-

Infektionen im Jahre 1976 für Geburtshilfe 1,9% und für Gynäkologie 3,0% (5). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Studie 1976 bereits seit sechs Jahren lief und sich

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möglicher Bakteriämie und wahrscheinlich nicht häufig genug durchgeführt wurden. Als »andere Infektionen« (1,5%) wurden Mastitiden, Peritonitiden, Fruchtwasserinfektionen, Parametritiden und je ein Fall von Osteomyelitis und Pedikulosis zu-

Hirsch u. a.: Nosokomiale Infektionen

Deutsche Medizinische Wochenschrjft

der günstige Einfluß auf die Infektionsfrequenz schon

Klinik sank von 10,5 Tagen 1975 auf 8,5 Tage 1978

einige Zeit auswirken konnte (4). Die häufigsten nosokomialen Infektionen sind in Über-

(21).

einstimmung mit der Literatur (4, 5, 8) Harnweginfektionen. Die Tatsache trifft für alle Patientengruppen und für alle operativen Eingriffe, ja selbst für Mastektomien

(13) zu. Die hohe Zahl kommt allerdings nur durch routinemäßiges und wiederholtes Screening zustande, da der größte Teil der Harnweginfektionen unseres Fachgebietes asymptomatisch oder zumindest symptomarm

und afebril verläuft (11). Niedrigere Zahlen anderer Publikationen dürften vor allem durch die Art der Erfassung zu erklären sein. Bei der amerikanischen Studie (5) wird nur nach Bakteriurien gesucht, wenn Verdacht auf eine Infektion besteht, wenn also Symptome vorhanden sind. Dadurch wird zwangsläufig ein Teil der Bakteri-

unen nicht erfaßt. Das geht auch aus dem Anteil der Bakteriurien an allen Infektionen hervor. Er beträgt bei uns 71% im Gegensatz zu 29% in Geburtshilfe und 54% für Gynäkologie bei der Studie in den USA (5).

Trotz ihrer hohen Anzahl ist die pathologische Bedeutung der Bakteriurien gering. Im Gegensatz zu anderen Fachgebieten verlaufen sie in der Gynäkologie meist harmlos und haben eine hohe Spontanheilungstendenz (18). Unter den letzten 100 schweren Infektionen unserer Klinik aus dem Jahre 1978 befand sich keine Harnweginfektion (12). Trotz der scheinbar günstigen Prognose halten wir die routinemäßige Erfassung und Behandlung auch der asymptomatischen Bakteriurien für angezeigt, da über ihr späteres Schicksal zu wenig bekannt ist (18). Bei der Beurteilung anderer nosokomialer Infektionen, insbesondere der postoperativen Infektionen, ist zu beachten, daß es sich laut Protokoll um genau definierte und lokalisierte Infektionen handelt. Fieber allein

kommt dabei nicht vor, und somit ist auch kein Vergleich mit der sogenannten Standardmorbidität möglich, einem Parameter, der bei vielen Publikationen verwendet wird. Für die Abnahme der Infektionsfrequenz während der Berichtszeit sind sicher eine Vielzahl von Faktoren ausschlaggebend, die im einzelnen für die konkrete Situation kaum erfaßbar, geschweige denn in ihrer Bedeutung bewertbar sind. Es kann also höchstens der Versuch gemacht werden, die in dieser Zeit ein- und durchgeführten Maßnahmen auf zuzählen. Einen großen Einfluß auf den Rückgang nosokomialer Infektionen dürfte allein die ständige Beschäftigung mit

dieser Materie, die Kenntnis der Problematik und ihr Bekanntwerden in der Klinik haben (6, 16). Die Rückinformation an Ärzte und Schwestern über nosokomiale Infektionen motiviert sie, Möglichkeiten zu deren Verhütung zu nutzen. Hinzu kommt die persönliche Oberwachung, Unterweisung und Korrektur aller Arten von ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen in hygienischer Hinsicht durch die Hygienefachschwester. Folgende Maßnahmen wurden im Berichtszeitraum eingeführt oder forciert: 1. Kurze präoperative Hospitalisierung (nach Möglichkeit Operation am Tag nach der Aufnahme [6]). Die

durchschnittliche Verweildauer aller Patienten in der

Präoperative Vorbereitung: kein Abführen präoperativ außer vor geplanten Enterotomien; Depilation der' Haare an Stelle von Rasieren (6, 19). Verfeinerung der Operationstechnik:

möglichst

atraumatisches Operieren, fast ausschließlich Verwendung von synthetischem Nahtmaterial mit möglichst geringer Fadenstärke, insbesondere von resorbierbaren Polyglykolsäurefäden (17); keine Elektroinzision, sparsame Anwendung der Elektrokoagulation (6). Häufige, aber kurzdauernde Anwendung von Wunddrainagen. Offenlassen des Vaginalstumpfes mit Saugdrainage für 24 Stunden (20); Redondrainage in allen Wundschichten, bei großen Wundhöhlen mehrfach; Ausleiten der Redondrainage durch Stichinzision außerhalb der Operationswunde. S. Konsequente Verwendung von Einmalmaterialien: Verbandsmaterial, Handschuhen, abgepackten Sets für den Blasenkatheterismus.

Asepsis bei der Handhabung der Urinableitung. Konsequente Beachtung des geschlossenen Ableitungssystems, das bereits vor Beginn der Studie eingeführt war; möglichst kurze Dauer der Urinableitung. Die Häufigkeit von Harnweginfektionen wurde durch

zwei gegensätzliche Faktoren beeinflußt. Die hygienischen Maßnahmen erwiesen sich besonders bei der Verhütung exogener Infektionen als wirksam, was aus der Abnahme von Pseudomonas-Infektionen geschlossen werden kann. Andererseits machte die zunehmende Anwen-

dung der Periduralanästhesie im Verlauf der Studie und die dadurch bedingten (passageren) Miktionsstörungen

eine häufigere, wenn auch kurzdauernde Installation eines Verweilkatheters erforderlich, um Blasenüberdehnungen zu verhindern. Die so begünstigte Zunahme von Harnweginfektionen wurde als das kleinere Übel bewußt in Kauf genommen. Restriktive Verwendung von Antibiotika: keine Antibiotikaprophylaxe außer bei Enterotomien, Vulvektomien, Wertheimscher Operation und seltenen Fällen von Hysterektomien mit infiziertem Uterus. Eine Ausnahme bildeten ferner eine zeitlich begrenzte Prophylaxestudie bei je 150 abdominalen und vaginalen Hysterektomien (7) und die Verwendung von Nitrofurantoin bei Zystotomien. Die therapeutische Anwendung erfolgt zurück-

haltend, nur nach eindeutiger Indikation, dann aber hochdosiert und so kurz wie möglich; Bakteriurien werden, wenn möglich, mit Nitrofurantoin behandelt. Literatur Allen, J. L., J. Rampone, C. R. Wheeless: Use of a prophylactic antibiotic in elective major gynecologic operations. Obstet. and Gynec. 39 (1972), 218.

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Nr. 44, 2. November 1979, 104. Jg.

[Nosocomial infections (author's transl)].

Hirsch u. a.: Nosokomiale Infektionen 44, 2. November 1979, 104. Jg. I 5 59 Dtsch. med. Wschr. 104 (1979), 1559-1563 © Georg Thieme Verlag, Stuttga...
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