Rheumatologie | Commentary

Schmerztherapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen Pain treatment of inflammatory rheumatic diseases M. Krasselt1 C. Baerwald1 Rheumatologie, Schmerztherapie Rheumatologie | Commentary

Schlüsselwörter Schmerz Arthritis NSAR Opioide

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Keywords pain arthritis NSAID opioids

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Institut Sektion Rheumatologie/ Gerontologie, Department für Innere Medizin, Neurologie und Dermatologie,Universitätsklinikum Leipzig AöR Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1387396 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 2526–2528 · © Georg 0 Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Marco Krasselt Sektion Rheumatologie/Gerontologie, Department für Innere Medizin, Neurologie und Dermatologie, Universitätsklinikum Leipzig AöR Liebigstr. 20 04103 Leipzig Tel. 0314/97-24710 Fax 0341/97-24709 eMail marco.krasselt@ medizin.uni-leipzig.de

Was ist neu? 3Pathophysiologie: In der akuten Entzündungsphase bei der rheumatoiden Arthritis (RA) spielen vor allem lokal wirkende Entzündungsmediatoren wie Arachidonsäurederivate eine entscheidene Rolle. Es gibt neuere Hinweise, dass gerade dieser über nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) beeinflussbare Stoffwechselweg bei RA-Patienten durch Überexpression einiger Schlüsselenzyme verändert ist und so die Inflammation unterhält. Bei chronischen Schmerzen spielen zudem Störungen der zentralen Schmerzmodulation und individuelle psychische Faktoren eine Rolle. 3NSAR: NSAR erhöhen u.a. das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Allerdings scheint das durch sie induzierte kardiovaskuläre Risiko bei RA-Patienten, im Vergleich zum Einsatz bei Kontrollpersonen ohne RA, vermindert zu sein. Dieses Ergebnis ist möglicherweise der gemeinsamen, auf Entzündungsprozessen beruhenden Pathophysiologie der RA und kardiovaskulärer Erkrankungen geschuldet. 3Opioide: Die Empfehlung für Opioide in der Schmerztherapie bei RA beschränkt sich aufgrund der unzureichenden Datenlage auf den kurzfristigen Einsatz. Peripher wirksame Opioide scheinen neben der analgetischen auch eine lokale anti-inflammatorische Wirkung zu besitzen.

Einleitung ▼ Ein wesentliches Symptom entzündlich-rheumatischer Erkrankungen ist der Schmerz. Patienten mit Arthritis und tiefem Rückenschmerz sind das größte Kollektiv, das an chronischen Schmerzzuständen leidet [4]. Nur etwa die Hälfte der Patienten mit chronischen Schmerzen wird klinischen Erhebungen zufolge ausreichend therapiert. Neben den NSAR, die antientzündlich wirken und damit der eigentlichen Pathogenese der Erkrankungen entsprechend ansetzen, werden auch zunehmend Opioide eingesetzt. Einige vielversprechende Neuentwicklungen sollen hier vorgestellt werden. Der Fokus wird dabei auf der rheumatoiden Arthritis liegen.

Pathophysiologie des Schmerzes entzündlicher Erkrankungen ▼ Die angenommene Ursache der akuten, entzündlichen Schmerzen ist am Ort der Entzündung zu suchen: im Rahmen der Inflammation werden

Arachidonsäurederivate wie Prostaglandin E2 freigesetzt, die als Schmerz- und Entzündungsmediatoren wirken und deren Produktion mittels Cyclooxygenaseinhibitoren, z. B. NSAR, unterdrückt werden kann. Neuere Untersuchungen zeigen, dass möglicherweise der Prostaglandinstoffwechsel bei RA-Patienten gestört ist und die beteiligten Enzyme, so z. B. die COX-2 oder die mikrosomale Prostaglandin-E-Synthase, in Synovialfibroblasten überexprimiert sind [11]. Auch die ursächliche Krankheitstherapie, z.B. bei der RA mittels „Disease-modifying anti-rheumatic drugs“ (DMARD) – unabhängig, ob synthetisch oder biologisch – reduziert nach den Ergebnissen der großen Biologika-Zulassungsstudien die Schmerzen. Dennoch leiden viele Patienten im Verlauf weiter an moderaten, oft chronischen Schmerzen. Die Schmerzen sind demnach nicht allein peripher-entzündlicher Natur. In Frage kommen hier strukturelle post-inflammatorische Schäden z. B. an den Gelenken, eine periphere Sensibilisierung und eine gestörte zentrale Schmerzverarbeitung [13]. Die Schmerzwahrnehmung wird darüber hinaus potenziell negativ durch die Psyche des Patienten beeinflusst; vor allem Krankheitsschübe und depressive Episoden spielen hier eine entscheidende Rolle [8]. Kongruent dazu ist bei RA die Prävalenz chronischer Schmerzzustände, wie das Fibromyalgiesyndrom, erhöht [12, 19]. Bei zusätzlich postulierter zentraler Störung der Schmerzverarbeitung mit konsekutiv eingeschränkter, deszendierender schmerzhemmender Komponente, wäre eine Behandlung mittels Opioiden als pathophysiologisch sinnvolle Pharmakotherapie angezeigt.

Klinische Relevanz Ursache des Schmerzes bei entzündlichen Erkrankungen ist nicht allein die Entzündung. Bei chronischen Schmerzen spielen vielmehr auch lokale Schäden, periphere Sensibilisierung und eine gestörte Schmerzverarbeitung eine entscheidende Rolle.

Nichtsteroidale Antirheumatika ▼ NSAR bilden die analgetische Basistherapie bei vielen rheumatologisch-entzündlichen Erkrankungen. Mit ihnen gelingt es häufig, den Schmerz positiv zu beeinflussen. Ihre Anwendung erscheint aufgrund ihrer anti-inflammatorischen Wirkkomponente

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Klinische Relevanz Für die Schmerztherapie der RA sollten bevorzugt risikoadaptiert NSAR eingesetzt werden. Die Dosis ist so niedrig wie möglich zu wählen und bei Ansprechen der DMARD-Therapie rasch zu reduzieren. Bei Therapieversagen oder Kontraindikationen kann der Einsatz anderer Nicht-Opioid-Analgetika wie Paracetamol versucht werden.

NSAR ± Nicht-Opioide z. B. Paracetamol

NSAR ± Nicht-Opioide ± Opioide niedrigpotent, kurzfristig bis zu 6 Wochen z. B. Tilidin + Naloxon

Abb. 1 Symptomatische Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) nach den S3-Leitlinien zum Management der frühen RA [15] und für die Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen (LONTS) in der Neufassung 2014 [7]. Der Einsatz von Opioiden nach Ausschöpfen der Erst-/Zweitlinientherapie wird in Zusammenschau beider Leitlinien empfohlen; ggf. können auch Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen ihre Gabe notwendig machen. Die LONTS empfiehlt lediglich den kurzfristigen Einsatz von bis zu 6 Wochen (EL 2b, offene Empfehlung). Die Substanzwahl sollte sich am WHO-Stufenschema orientieren. Die Evidenz für den Nutzen von Co-Analgetika ist unzureichend, ihr Einsatz kann aber bei entsprechenden Komorbiditäten erwogen werden.

Opioide ▼ Noch vor einigen Jahren war die Anwendung von Opioiden in der Rheumatologie bei entzündlichen Entitäten eher unüblich. Schließlich fand ihr Einsatz, vor allem nach Versagen anderer Analgetika, Einzug in die entsprechenden Leitlinien. In der bisherigen S3-Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen (LONTS) fand sich eine Empfehlung zur Schmerztherapie der RA mit Opioiden mit dem Evidenzgrad 1. In der neuen Leitlinie wird diese Empfehlung abgewertet und weicht einer befristeten Therapieempfehlung von bis zu 6 Wochen Dauer (q Abb. 1). Diese Anpassung resultiert vor allem aus dem Mangel an langfristigen klinischen Studien. Das Gros der Untersuchungen, die in ein entsprechendes Cochrane-Review [18] einflossen, hatten eine sehr kurze Dauer (1–4 Wochen). Nur eine Studie, die Tilidin/Naloxon gegen Placebo verglich, dauerte länger (6 Wochen). Allerdings war die Anzahl der Patienten (n = 20) sehr gering [2]; sie konnte deswegen nicht in den Metaanalysen für die Leitlinie be-

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rücksichtigt werden. Hier sind dringend prospektive klinische Studien mit einer längeren Dauer und Nachbeobachtungszeit bei ausreichender Patientenzahl erforderlich, um den Nutzen und etwaige negative Auswirkungen des Langzeiteinsatzes besser einschätzen zu können. Opioide wurden lange Zeit grundsätzlich als vor allem zentral wirksame Analgetika angesehen. Schon in den frühen 1990er Jahren wurde jedoch die Existenz einer peripheren, zum Teil auch entzündungshemmenden Wirkkomponente, gezeigt. Zurückgeführt wird dies auf periphere Opioidrezeptoren, die sich in den Neuronen der Spinalganglien finden. Sie werden bei Entzündungsreaktionen intraaxonal zum primär-afferenten Neuron transloziert und können dort durch Agonisten aktiviert werden. Die entsprechenden endogenen, kurzen Opioidpeptide wie Enkephaline, die eine intrinsische analgetische Wirkung besitzen, werden peripher vor allem von zum Ort der Entzündung gewanderten Leukozyten ausgeschüttet und hemmen auch den eigentlichen Entzündungsprozess [16, 17]. Derartige Liganden sind Gegenstand intensiver Forschung; Ziel ist die Entwicklung eines Opioids, das periphere Opioidrezeptoren stimuliert und dadurch eine analgetische, ggf. auch anti-inflammatorische Wirkung vermittelt, dabei aber möglichst wenig die Blut-Hirn-Schranke passiert, um unerwünschte zentrale Wirkungen zu vermindern. Opioidpeptide sind hierfür per se besonders geeignet, da die kurzkettigen Moleküle deutlich schneller abgebaut werden als ihre alkaloiden Verwandten (z. B. Morphin). Erste Versuche hierzu mündeten unter anderem in Phase-II-Studien mit dem κ-selektiven Opioidpeptid „CR665“, das oral nicht wirksam ist, aber intravenös appliziert einen selektiven Agonismus für κRezeptoren mit guter, analgetischer Wirkung bei viszeralen Schmerzen zeigte [1]. In weiteren chemischen Modifikationen an den Peptidseitenketten konnte ein oral bioverfügbares Derivat gefunden werden; die klinische Wirksamkeit bleibt hier jedoch abzuwarten [10]. Von größerem Interesse für rheumatologische Erkrankungen sind Untersuchungen an mit Hilfe von Herpes-Simplex-Virus-Vektoren in vivo verbrachtem Proenkephalin-Gen (PENK-Gen), dessen Expression zur vermehrten Bildung des analgetisch wirksamen Met-/Leu-Enkephalins führt. Hier zeigte sich ein viel-

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 2526–2528 · M. Krasselt u. C. Baerwald, Schmerztherapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen

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Das Risiko, mittels NSAR kardiovaskuläre Ereignisse zu induzieren, wird dabei vermutlich überschätzt. In einer großen dänischen Kohortenstudie (über 17 000 RA-Patienten) wurde erst kürzlich gezeigt, dass das mit NSAR assoziierte kardiovaskuläre Risiko bei RA zwar im Vergleich zu RA-Patienten ohne NSAR erhöht ist. Allerdings war die Erhöhung des kardiovaskulären Risikos in der Kontrollgruppe mit Personen ohne RA (NSAR-Exposition vs. Nicht-Exposition) signifikant höher (HR 1,22 vs. 1,51; p 

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