Arch. Oto-Rhino-Laryng., 213, 333--362 (1976)

Archives of Oto-Rhino-Laryngology 9 by Springer-Verlag 1976

Die Viruskrankheiten der M u n d s c h l e i m h a u t Theodor Nasemann Aus dem Zentrum der Dermatologie und Venerologie der J. W. Goethe-Universit/it Frankfurt am Main (Gesch~iftsffihrender Direktor: Prof. Dr. Th. Nasemann)

Viral Diseases of the Oral Mucosa Summary. In accordance with the system of viral species, viral disorders of the oral mucosa may be classified with regard to their intensity of affection. There are but few viral infections exclusively affecting the oral mucosa like e.g. 1. Glossitis papulosa of Michelson, representing a special form of vaccinia inoculata, 2. Gingivo-stomatitis herpetica and 3. warts of the mucosa or condyloma-like papillomas of the oral mucosa including oral papillomatosis, that, itself shows morphological and clinical similarities to laryngeal papilloma. A second group of disorders mainly affecting the oral mucosa includes the "Aphthoid of Pospischill and Feyrter', Zahorsky's herpangina and other viral infections by the Coxsackie group, like vesicular stomatitis. The 3 rd group represents viral infections of other organs in which affection of the oral mucosa is a prerogative, e.g. smallpox, varicella, foot-and-mouth disease and pharyngo-conjunctival fever. A 4 th group includes those viral infections of the organs in which co-affection of oral mucosa occurs frequently or once in a while (at occasions). Here, we find eczema vaccinatum, herpes zoster, herpes simplex of the oral mucosa mostly on the hard palate, eczema herpeticatum, post-herpetic Erythema exsudatirum multiforme, Mononucleosis infectiosa Pfeiffer, viral flu, German measles, parotitis epidemica, rubeola and ECHO-exanthema. A 5 th and last group is made up by viral infections of other organs, in which affection of the oral mucosa hardly occurs at all. This group contains paravaccinal Ecthyma contagiosum, poliomyelitis, viral infection of the city of Marburg and some Arbovirus infections.

Relatively few viral disorders never co-exist with lesions on the oral mucosa like e.g. Virus-hepatitis or some viral encephalitides. Groups 1 and 2, most important of all, are presented in detail regarding clinics, diagnostics, differentialdiagnosis and therapy. The disorders within the other 3 groups are discussed only regarding their importance in the field of ENT-related symptoms of the oral

334

Theodor Nasemann mucosa. A number of pictures and tables completes important clinical details and give further hints to their differentialdiagnosis.

Zusammenfassung. Die Viruskrankheiten der Mundschleimhaut k6nnen nach der Intensitfit des Befalls unter Einbezug der Systematik der Virusarten geordnet werden. Es gibt nur relativ wenige Virusinfektionen mit ausschlieBlichem Befall der Mundsehleimhaut wie die Glossitis papulosa acuta von Michelson, die eine Spezialform der Vaccinia inoculata darstellt, dann die Gingivostomatitis herpetica und die Schleimhautwarzen bzw. Condylom-/ihnlichen Papillome der Mundschleimhaut mit der Sonderform der oralen Papillomatose, die morphologisch und klinisch Ahnlichkeiten mit dem Larynxpapillom aufweist. Es lfil3t sich eine zweite Gruppe bilden von Virusinfektionen mit haupts~ichlichem Befall der Mundschleimhaut, in die das Aphthoid von Pospischill und Feyrter, die Herpangina Zahorsky und andere Coxsackie-Virusinfektionen wie die Stomatitis vesicularis geh6ren. In einer dritten Gruppe lassen sich die Virusinfektionen anderer Organe zusammenfassen, bei denen der Mitbefall der Mundschleimhaut obligat ist wie bei der Variola vera, den Varicellen, der Maul- und Klauenseuche und dem Pharyngoconj unctivalfieber. Eine vierte Gruppe faBt Virusinfektionen anderer Organe zusammen, bei denen der Mitbefall der Mundschleimhaut hfiufig oder gelegentlich vorkommt. Hier hinein geh6ren das Eczema vaccinatum, der Zoster, der Herpes simplex der Mundschleimhaut, meist am harten Gaumen, das Eczema herpeticatum, das postherpetische Erythema exsudativum multiforme, die Mononucleosis infectiosa, die Virusgrippe, Masern, Mumps, Rubeolen und die ECHO-Exantheme. In einer fiinften und letzten Gruppe rangieren die Virusinfektionen anderer Organe, bei denen Mitbefall der Mundschleimhaut relativ selten auffritt. Diese Gruppe umfaBt den paravaccinalen Melkerknoten, das Ecthyma contagiosum, die Poliomyelitis, die Marburg-Virusinfektion und einige Arbovirus-Infektionen. Verh/iltnism~iBig wenige Viruskrankheiten gehen niemal~ mit Mundschleimhautl/isionen einher wie z. B. die Virus-Hepatitis oder einige Virus-Encephalitiden. Die beiden wichtigsten Gruppen 1 und 2 werden ausfiihrlicher hinsichtlich Klinik, Diagnostik, Differentialdiagnose und Therapie dargestellt. Die Krankheitsbilder der anderen drei Gruppen werden nut anhand der ffir das Gebiet der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde relevanten Symptome der Mundschleimhaut er6rtert. Durch eine Anzahl von Abbildungen und Tabellen werden wichtige klinische und differentialdiagnostische Details ergfinzt. Die Viruskrankheiten der Mundschleimhaut sind zahlreich. Nur relativ wenige Virusinfektionen lassen sich nennen, bei denen/iberhaupt keine Symptome -- welcher Art auch immer -- im Mundschleimhautbereich auftreten k6nnen, wie etwa bei der Hepatitis oder einigen virusbedingten Encephalitiden. Will man das Gebiet der Mundschleimhaut-Virosen ordnen, so bieten sich zwei Prinzipien an: 1. die Systematik der Virusarten (s. Tabelle 1 : nach Peters, 1969) mit der klassischen Zweiteilung in DNS- und RNS-Virusarten und der Aufgliederung in morphologisch und serologisch einheitliche Gruppen und 2. die Aufschlfisselung nach Befallsintensit/it.

335

Die Viruskrankheiten der Mundschleimhaut

Tabelle 1 NukleinS~ure

Morphologie

g DNS

@ @

| | @ sphfirisch

Gr6ge in nm

Virusgruppe

Virus / / Krankheit Variola

300x250

Pocken

180-250

Herpet,

70-80

Adeno

40-55

Papova

Vakzinia Paravakzinia Molluscum cont. Herpes simplex Varizella/Zoster Adeno (Mensch u.Tier) Papillom 'Polyoma SV 40 Influenza Parainfluenza Mumps Masern

80-300

Myxo

70x230 u. I~nger

Rhabdo (Stomato)

Ves, $tomatitis Rabies Marburg

50-60

Toga

Rbteln

55-80

Diploma Picorna

Reo Entero (Polio) Rhino (MKS)

Arbo

Gelbfieber

18-30 20-60 heterogen

Ordnet man nun die virusbedingten Mundschleimhauterkrankungen nach beiden Gesichtspunkten, so ergibt sich die folgende Ubersicht:

Tabelle 2. Einteilung der Viruskrankheiten der Mundschleimhaut nach der Intensit/it des Befalles und unter Einbezug der Systemafik der Virusarten 1. Viruslnfektionen mit aussehliegliehem Befall der Mundschleimhaut Vaccinia inoculata (Glossitis papulosa acuta Michelson) Gingivostomatitis herpetica Schleimhautwarzen (vulg/ire Warzen) und Kondylom-/ihnliche Papillome Larynxpapillom 2. Virusinfektionen mit hauptsiichliehem Befall der Mundschleimhaut Aphthoid yon Pospischi11 und Feyrter Herpangina Zahorsky (und andere Coxsackie-Virusinfektionen) Stomatitis vesicularis

3. Virusinfektionen anderer Organe und obligatorischer Mitbefall der Mundsehleimhaut Variola vera Varicellen Maul und Klauenseuche Pharyngoconjunctivalfieber

336

Theodor Nasemann

4. Virusinfektionen anderer Organe und h~iufigerer oder gelegentlicher Mitbefall der Mundsehleimhaut

Eczema vaccinatum Zoster Herpes simplex (racist Typ 1) z. B. am harten Gaumen Eczema herpeticatum Postherpetisches Erythema exsudativum multiforme Mononucleosis i.nfectiosa Virusgrippe (Influenza) Masern, Mumps Rubeolen ECHO-Exantheme 5. Virusinfektionen anderer Organe unfl relatlv seltener Mitbefali der Mundsehleimhaut

Melkerknoten (Paravaccinia) Ecthyma contagiosum (Or0 Poliomyelitis Marburg-Virusinfektion Arbovirus-Infektionen Die folgende Besprechung der einzelnen Krankheitsbilder richtet sich nach der Reihenfolge, wie Tabelle 2 sie bringt.

1. V i r u s i n f e k t i o n e n mit a u s s c h l i e f l l i c h e m Befall der M u n d s c h l e i m h a u t

1.1. Vaccinia inoculata (und Glossitis papulosa acuta Michelson). Grunds~itzlieh kann die Vaccinia inoculata (sive secundaria) fiberall im Bereieh der Haut und der Schleimh/iute vorkommen, und zwar sowohl als Auto- als auch in Form einer Heteroinokulation. An den Lippen werden die schmerzhaften L/isionen h~iufiger als im Mund beobachtet, racist als Folge von Schmierinfektionen. Der Pustelinhalt frischer Impfreaktionen wird z. B. bei Kindern durch Kratzen und anschlietendes Fingerlutschen fibertragen. Bei fehlendem Impfschutz ktnnen massive entzfindliehe Eruptionen entstehen mit gedellten Pusteln, die haemorrhagisch werden und oft zentral nekrotisieren k6nnen. Fieber und regionale Lymphknotenschwellungen sind fast immer vorhanden (s. Abb. 2). Ebenfalls durch Schmierinfektionen entwickelt sich das Bild der akuten papultsen Vaecineglossitis, das Michelson zuerst beschrieb. Hier handelt es sich um papu16se, zentral eingedellte entzfindliche Infiltrate mit gelblich-weiBlicher Oberfl~iche, die sehr schmerzhaft sind und zur Salivation fiihren. Durch Uberimpfung auf die Zunge von Kaninchen kann ein identisches Krankheitsbild hervorgerufen werden (s. Abb. 3). Die Diagnose der inoeulierten Vaccinia im Schleimhautbereich ist meist nicht schwierig. Bei Autoinoculationen gibt die Vaccinel~ision des Impflings den ersten Hinweis. Die Zfichtung des Vaccinevirus aus Abstrichmaterial gelingt unschwer mit Hilfe von Ei- und Gewebekulturen. Differentialdiagnostisch kommen in erster Linie Abszesse und luische Prim/iraffekte in Betracht, bei der Glossitis +on Michelson auch eine sekund/ire Syphilis im Sinne einer Glossitis specifica mit sog.

Die Viruskrankheitender Mundschleimhaut

337

Abb. 1. Quadervirus-Elementark6rper,Elektronenopt.Aufn., Negativkontrasttechnik,Endvergr. 84000 x

Plaque opalines. Die K1/irung ist kulturell und serologisch m6glich bzw. bei Verdacht auf einen Prim/iraffekt durch den Spiroch/itennachweis im Dunkelfeldpr~iparat. Kommt es bei Eintritt von Komplikationen (sehr hohes Fieber, Meningismus oder Encephalitis) auf eine rasche Diagnose an, so kann ein elektronenoptisches Direktpr/iparat mit Hilfe der Negativkontrasttechnik angefertigt werden. Die Quaderviren im Falle einer Vaccinia sind auf Grund ihrer typischen Mikromorphologie gut zu erkennen (s. Abb. 1). Bei unkompliziertem Verlauf heilt die Vaccinia inoculata innerhalb von etwa 14 Tagen ab. Therapeutisch sind ganz zu Beginn Injektionen yon Gammaglobulinen (besser: spezifische Immunglobuline, falls von den Behringwerken beschaffbar) yon Nutzen. Man gibt zweckm/il3ig an drei aufeinander folgenden Tagen je 5 ml i.m., bei Kleinkindern je 2 ml. Bei stark pustul6ser oder haemorrhagischer Beschaffenheit der L/isionen empfiehlt sich Abschirmung mit breitspektralen Antibiotica. Antipyretica und Schmerzmittel verstehen sich von selbst. Lokal sind Pinselungen mit l%iger w/isseriger Gentianaviolettl6sung, Sp/ilungen mit Kamillosan und Auftupfen von Herviros symptomatisch wirksam. Die Patienten sollten isoliert werden, d. h. nicht mit frisch-operierten oder Kranken mit anderweitigen Hautleiden zusammenliegen.

1.2. Gingivostomatitis herpetica. Die Herpesstomatitis wird auch Stomatitis aphthosa oder Mundf/iule genannt. Sie darf nicht verwechselt werden mit den habituellen oder chronisch-rezidivierenden Aphthen, die meist bei Erwachsenen vorkommen, nicht infekti6s sind, einzeln oder in geringer Zahl auftreten, ungemein chronisch rekurrieren und Folge oberfl/ichlicher Vasculitiden darstellen. Die Gingivostomatitis herpetica (s. Abb. 4) ist hingegen in der Regel Ausdruck einer Herpes-Erstinfektion im frfihen Kindesalter, die akut verl/iuft und nur sehr selten im Erwachsenenalter vorkommt. Kleinere Endemien mit typischen Aphthen-Eruptionen in S~iuglingsheimen, Kinderg/irten und Kinderstationen in Krankenh/iusern werden beobachtet. Nach einer Inkubationszeit yon 2 - 7 Tagen setzt der Aphthenschub zum gr613ten Tell mit Allgemeinerscheinungen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Erbrechen und Krampfneigung ein. Zahnfleisch und Gau-

338

Theodor Nasemann

Abb. 2 Vaccinia inoculata an der Oberlippe

men schwellen schmerzhaft an. GroBe Teile der Mundschleimhaut bedecken sich mit zahlreichen kleinen B1/ischen, die sehr schnell erodieren. Es entwickeln sich dann schubweise fiber mehrere Tage hin disseminierte rundliche bis ovale, scharf begrenzte aphth6se L~isionen mit zentralen gelblichen Erosionen yon 2 - 4 mm Durchmesser, deren Belag fiber die Umgebung erhaben ist und die einen schmalen r6tlichen, entziindlichen Saum besitzen. Bakterielle Sekund/irinfektionen kommen vor. Die Erkrankung geht mit Foetor ex ore, Salivation, Schwellung der regionalen Lymphknoten, Temperaturanstieg und evtl. Durchf/illen sowie katarrhalischen Erscheinungen des Respirationstraktes einher. Die Gaumenmandeln bleiben in der Regel frei. Nach 1-2 Wochen heilen die Erscheinungen ab. Mitunter k6nnen Kinn, Oberlippe, Naseneingang und sogar die Extremit/iten (z. B. Fingerspitzen und Nagelw/ille: sog. herpetische Paronychien) mitbefallen werden. Rezidive treten nur sehr selten auf. Der Lieblingssitz der Aphthen ist das Vestibulum oris. Hier finden sich in der Regel 20-50 oder noch mehr aphthgse L/isionen. Nur iiuf3erst selten folgt der Herpesstomatitis eine Meningoencephalitis herpetica. Bei schwerem Verlauf ist antibiotisches Abschirmen und Gabe von Kreislauf-, evtl. Schmerzmitteln (z. B. Treupel-Tabletten) angezeigt. Bettruhe sollte verordnet werden. Bei Eintritt ernster Komplikationen (z. B. bakterielle Superinfekte) sollten die im Antibiotogramm herausgetesteten Antibiotica (z. B. Oracef, Eusaprim oder Neo-Erycin) gegeben werden. Lokal bew/ihren sich Pinselungen mit Pyoktanin, Mundspfilungen mit Wasserstoffsuperoxydl6sung (H202), Betupfen der L/isionen mit Bepanthenl6sung und Spfilen mit Kamillosan.

1.3. Schleimhautwarzen (vulgdre Warzen) und Kondylom-(ih~iIiche Papillome. Warzen sind infekti6se Akanthopapillome oder besser: durch karyotrope DNS-Virusarten der Papovagruppe induzierte Papillome. ViruspapiUome k6nnen fiberall im Haut- und Schleimhautbereich auftreten. Die morphologische Spielbreite ist betrfichtlich, ebenfalls die klinische Variation hinsichtlich Zahl der L/isionen, Verlauf und Rezidivneigung. Bis vor kurzem nahm man an, dab lediglich Lokalisation, Alter des Patienten und immunologische Kondition die Morphologie der Papillome pr~igen.

Die Viruskrankheitender Mundschleimhaut

339

Nach Untersuchungen von Zur Hausen (1975) gibt es bei den Papillomviren jedoch auch mikrobiologische Unterschiede. Rein klinisch lassen sich im Bereich der Schleimhfiute von Mund und oberen Luftwegen drei Papillomtypen unterscheiden: a) Isolierte Schleimhautwarzen vom Typ der Verruca vulgaris (fibromat6ser Typ, der nach Exstirpation selten rezidiviert). b) Multiple Schleimhautwarzen (im Sinne einer oralen Papillomatose, die schwer zu behandeln ist, und stark zu Rezidiven neigt). Ein analoges, virusbedingtes Krankheitsbild kommt bei Tieren, z. B. beim Kaninchen vor. Kondylom~ihnlicher Typ mit angiomat6ser Komponente. c) Larynxpapillome (Acanthoma laryngis infectiosum). Virus-Papillome mit kr~iftiger Stromaproliferation und Kapillarneubildung. Zu a) Isolierte Sehleimhautwarzen: Sie kommen im Lippenrot und in allen Schleimhautarealen der Mundh6hle vor, meist infolge von Schmierinfektionen bei gleichzeitigem Befall mit Warzen an den Fingern und H~inden (z. B. Ubertragen durch die Unsitte des N/igelkauens und Abbeigens von Fingerwarzen). Sie werden unterschiedlich grol3, von Stecknadelkopfgr/513e bis zur Gr613e eines Fingerendgliedes. Diese weif31ich-grauen isolierten Papillome machen subjektiv kaum Beschwerden, st6ren aber kosmetisch und bei zunehmender Gr613enausdehnung auch funktionelL Man kann sie unschwer operativ in toto exstirpieren. Vor dem Nahtverschluf3 empfiehlt sich grfindliche Desinfektion des Wundbettes mit Mercurochroml6sung. Histologisch findet man nur bei Sitz auf dem Lippenrot eine Bedeckung durch eine Parakeratoseschicht. Im Schleimhautbereich bildet sich ein Abschlul3 nach oben aus wabig-ballonierten Retezellen, die Pflanzenzell-fihnlich aussehen k6nnen und ein Analogon zur Parakeratose bilden. Darunter sind die Reteleisten verbreitert und lang ausgezogen. In den oberen Zell-Lagen sieht man oft in den st~irker ballonierten Epithelien basophile Kerneinschlfisse. Das bindegewebige Stroma ist fibromat6s umgewandelt und zeigt vor allem perivascul~ir gelegene Infiltrate aus Entzfindungszellen. Elektronenoptisch lassen sich vorwiegend in den Parakeratoseschichten und in den stark ballonierten, Einschlug-tragenden obersten Retezellen die intranuclefir gelegenen, zum Teil kristallin aggregierten Papillomviren nachweisen. Es handelt sich dabei um runde, etwa 4 6 - 5 2 nm grol3e Elementark6rper, die morphologisch nicht von den Erregern der Kaninchenpapillome, der menschlichen Kondylome oder Plantarwarzen zu unterscheiden sind (s. Abb. 12). Zu b) Multiple Sehleimhautwarzen (orale Papillomatose): Das klinische Bild kann hier stark nach Zahl und Gr613e der L~isionen variieren. Dissemination mit mehreren hundert Exemplaren fiber die gesamte Mundschleimhaut kommt vor (s. Abb. 6 und 7). Histologisch entspricht der Aufbau dieser Papillome im wesentlichen demjenigen der isolierten Schleimhautwarzen, vor allem was die Epithelstruktur angeht. Das bindegewebige Stroma ist hingegen lockerer, z. T. 6demat6s, reichlich mit teilweise neugebildeten Kapillaren durchsetzt, die fiberwiegend weit gestellt und prall mit Erythrocyten gef/illt sind. Nicht selten entsteht ein angiomat6ser bzw. teleangiektatiseher Eindruck. Auch hier zeigt das Corium entz/indliche Infiltration vorwiegend aus Lympho- und Histiocyten. Im Gegensatz zu den isolierten Formen machen die multiplen grau-r6tlichen bis gelblichen Schleimhautwarzen subjektive Beschwerden wie Ziehen und Brennen, nach mechanischen Verletzungen auch Blutungen und Schmerzen.

340

Theodor Nasemann

Abb. 3 Glossitis papulosa acuta Michelsonbeim Kaninchen

Prothesen k6nnen nicht mehr getragen werden und/iberhaupt k6nnen bei der Nahrungsaufnahme Schwierigkeiten entstehen. Therapeutisch kommt nur Abtragen der Papillome mit dem Elektrokauter in Betracht, evtl. in mehreren Sitzungen und mit nachtrfiglichem Touchieren. Hierzu eignet sich Podophyllinl6sung (10- bis 30%ig) besser als Argentum nitricum-L6sung (2-10%ig). Immer sollte eine Immunelektrophorese durchgeffihrt werden. Bei IgG-Mangel ist die Gabe yon Beriglobin, bei IgA- oder IgM-Mangel Zufuhr der entsprechenden Immunglobulinkonzentrate der Behringwerke indiziert. Wiederholte Injektionen bis zum Ausbleiben der oft hartnfickigen Rezidive sind notwendig, vor allem aber st/indige Kontrolluntersuchungen, um nachwachsende Papillome m6glichst frfihzeitig entweder kaustisch oder mit Podophyllin beseitigen zu k6nnen. Als Adjuvans kann lokal Herviros appliziert werden. R6ntgenstrahlen sind wirkungslos und aul3erdem durch Auftreten yon spiiteren Komplikationen belastet. Sie sollten aus dem Therapieplan hier verschwinden. Zu c) Das Larynxpapillom: Das Larynxpapillom geh/Srt zur Dom/ine des HalsNasen-Ohren-Arztes. Der Dermatologe sieht es so gut wie nie und verf/igt daher auf diesem Sektor auch nicht fiber eigene Erfahrungen. Ich kann daher nur vom Standpunkt des Dermatovirologen u n d Histologen einige Ausfiihrungen hierzu machen. Bereits Ullmann (1921-1923) trat den Beweis ffir die Virus~itiologie des Larynxpapilloms an. Er fibertrug u. a. Ultrafiltrate auf sich selbst, auf Versuchspersonen und auf die Vaginalschleimhaut von H/indinnen. Diese erfolgreichen Experimente erlaubten den Rfickschlul3 auf einen zur Virusgruppe gehSrenden Erreger. In letzter Zeit hat sich Arnold (1975/1976) erneut mit der Suche nach dem Virus des Larynxpapilloms, diesmal mit Hilfe des Elektronenmikroskops besch~iftigt. Er konnte typische Papillomvirus-Strukturen auftinden. Obrigens sind dem Kliniker sog. Impfmetastasen des Larynxpapilloms bekannt, die ffir die InfektiosiQit des Tumors sprechen. Histologisch sind vor allem in den oberfl~ichlichen ballonierten Epithelien wie bei anderen Schleimhautwarzen basophile Kerneinschlfisse nachweisbar. Zur Hausen (1975) h/ilt es f/ir m/Sglich, dab der Erreger des Larynxpapilloms eine mikrobiologisch eigenst~indige Variante des menschlichen Papillomvirus darstellt. Nach sekund~iren Entz/indungen und sehr langem Bestand kann das Larynxpapillom carcinomat6s entarten -- und ist dann auch so wie jedes andere Kehlkopfcarcinom zu behandeln.

Die Viruskrankheitender Mundschleimhaut

341

Differentialdiagnostisch miissen die Papillome der Mundschleimhaut und des Kehlkopfes vom Morbus Bowen, von papill/iren Carcinomen, v o n d e r Acanthosis nigricans, vom Pemphigus vegetans und von einer Lues II - (Serologie entscheidet hier!) - abgegrenzt werden. Dies geschieht histologisch nach Vornahme einer Biop sie. Carcinome lassen sich dann schon abtrennen, wenn ein geordneter Epithelaufbau imponiert, basophile Kerneinschliisse vorhanden sind und echtes infiltratives Wachstum mit Entdifferenzierung fehlt. Allerdings kann das Erkennen der beginnen den malignen Umwandlung schwierig sein. Findet man starke Parakeratose-/ihnliche Beschaffenheit der Deckschicht der Papillome, kann als Adjuvans Gabe von Vitamin A in hohen Dosen (300 000 E pro die) von Nutzen sein. Nicht verwechselt sollte die virusbedingte orale Papillomatose des Menschen werden mit naeviformen Epithelver/inderungen der Mundschleimhaut, z. B. mit der sog. ,,White folded Gingivostomatosis" (s. bei Schuermann, Greither und Hornstein, 1966) und angeborenen, benignen, nichtinfekti6sen Papillomatosen, die meist unilateral lokalisiert sind, wie der kiirzlich von Fellner (1975) beschriebene Prozel3.

2. Virusinfektionen mit haupts~ichlichem Befall der Mundschleimhaut

2.1. Aphthoid yon Pospischill und Feyrter. Das Aphthoid stellt lediglich eine besonders schwere Verlaufsform der Gingivostomatitis herpetica (s. oben!) dar, das vor allem bei stark abwehrgeschw/ichten Kindern und nur sehr selten bei Erwachsenen auftritt. Der Erreger ist in der Regel der gleiche, das Herpes simplex-Virus, Typ 1. Die Diagnose stfitzt sich auf drei Faktoren: 1. auf gleichzeitigen Befall von Haut, Genitale und Mundschleimhaut, 2. auf das randw~irts fortschreitende Wachstum der Effloreszenzen, 3. auf das Vorkommen als Zweitkrankheit (z. B. nach Masern, R6teln, Varizellen, Scharlach, Mumps oder Keuchhusten). Wie bei der gew6hnlichen Mundf/iule entstehen aphthoide L/isionen, doch k6nnen auf3er der Mundh6hle auch Pharynx und Oesophagus befallen werden. Die Tonsillen sind meist frei. Befallen werden Gesicht, Finger, Genitale. Kehlkopfgeschwfire k6nnen sich als Komplikation entwickeln. Selten treten Todesf/ille auf, z. B. bei schwerer Grundkrankheit wie Tuberkulose, Lues connata, Kwashiorkor. Die klinische Besonderheit des Aphthoides besteht darin, dab sich im Bereich der Mundschleimhaut auf ger6tetem Grund dickwandige Blasen entwickeln, die randw/irts auswachsen. Als Folge dieses peripheren, Wallartigen Fortsehreitens kommt es zu zirzin/iren und ringf6rmigen Bildungen mit zentralen Bel/igen, Eindellungen oder st/irkerem geschwfirigen Zerfall. Weite F1/ichen des Gesiehtes (Mundumgebung, Na seneingang), aber auch die Vulva und die Fingerendglieder (sog. vagantes Aphthoid) k6nnen befallen werden. Die regionalen Lymphknoten schwellen an. Bei schweren Formen entstehen haemorrhagische Nekrosen. Die Abheilung ben6tigt 2 - 3 Wochert. Die Therapie entspricht im wesentlichen derjenigen der gew6hnlichen HerpesStomatitis. Klinikeinweisung ist meist erforderlich.

342

Theodor Nasemann

2.2. Herpangina Zahorsky (und andere Coxsaekie-Virusinfektionen). Unter der Bezeichnung ,,Coxsackie-Virusarten" faBt man bis heute 30 antigendifferente Enteroviren zusammen, die unterschiedliche klinische Krankheitsbilder hervorrufen. Aus dieser Gruppe geh6ren - 24 Typen der Gruppe A und - 6 Typen der Gruppe B an. Die Differenzierung der Typen und St/imme gelingt am besten mit Hilfe der Serologie. Im Jahre 1920 wurde von Zahorsky ein neues Krankheitsbild beschrieben, das er zun~ichst ,,Herpetic Pharyngitis" nannte. Vier Jahre sp/iter pr~igte derselbe Autor daEir den Namen ,,Herpangina". Die Krankheit geriet wieder in Vergessenheit und erlangte wirkliche Bedeutung erst durch die /itiologische Aufkl/irung, durch den Nachweis also, dab mehrere Typen der Coxsackie-Virusgruppe A diese Erkrankung auszul6sen verm6gen. Vorwiegend werden Kinder befallen, Erwachsene seltener. Die Verlfiufe sind in der Regel kurz (4--10 Tage) und von guter Prognose.

Coxsackie-Viren sind ffir den Menschen sehr kontagi6s. Es ist aber nicht die Regel, dab z. B. eine Coxsackie-A-Infektion stets zur Ausbildung des vollst/indigen Krankheitsbildes der Herpangina ffihrt. Viel hiiufiger verlaufen solche Virusinfekte inapparent bzw. subklinisch. Aus klinischen und virologischen Untersuchungenist bekannt, dab die meisten F/ille eines Kontaktes mit den Typen 2, 4, 5, 6, 8 und 10 des Coxsackie-A-Virus nicht unter dem klassischen Bilde einer Herpangina, sondern lediglich unter dem Syndrom eines fieberhaften Racheninfektes verlaufen. Andererseits sind es diese Typen, die bevorzugt das Bild der Herpangina erzeugen. Die Diagnose jedoch sichert 1. ihr Nachweis im Rachensptilwasser und 2. der beweisende Titeranstieg der neutralisierenden Antik6rper gegen diese Typen im Blutserum der Herpangina-Patienten. Die Herpangina tritt sporadisch, endemisch oder epidemisch auf. Famili/ire Erkrankungen und Hausepidemien sind vielfach beobachtet worden. Es werden vorwiegend Sfiuglinge, Kinder und Jugendliche befallen. Die Krankheit besitzt einen H/iufigkeitsgipfel im Spfitsommer und Herbst. Die Inkubationszeit betr~igt durchschnittlich 4 (2-9) Tage. Das Hauptkontingent stellen Kinder im Alter zwischen 1 und 7 Jahren. Bei der Geburt weist das Neugeborene den Coxsackie-Virus-Antik6rperspiegel der Mutter auf, der w/ihrend der Stillperiode aufrechterhalten wird. Danach ffillt der Antik6rpertiter rasch ab, und die Anf/illigkeit ffir eine Herpangina-Infektion nimmt laufend zu. Im Alter von 1 - 7 Jahren oder sp/iter werden die Coxsackie-Antik6rper iiberwiegend durch inapparente Infektionen erworben (nur relativ wenige manifeste Erkrankungen). Oft entsteht v611ige Immunit/it allen Virustypen gegeniiber, die eine Herpangina hervorrufen k6nnen. Der bei Reihenuntersuchungen ermittelte durchschnittliche Antik6rperspiegel Erwachsener spricht fiir einen hohen Durchseuchungsgrad der Bev61kerung. Bei aufeinanderfolgenden Herpangina-Epidemien in ein und demselben Gebiet l~il3t sich in der Regel ein Typenwechsel des Erregers feststellen. Rezidive k6nnen nicht vom gleichen Coxsackie-Typ wie bei der Erstinfektion, sondern nur von einem immunologisch differenten Typ hervorgerufen werden. Es ist evtl. m6glich, dal3 nach einer Herpangina-Erkrankung das Virus im Organismus persistiert und durch sp/itere, andere akute Krankheiten ein Auffiackern

Die Viruskrankheiten der Mundschleimhaut

343

Abb. 4 Gingivostomatitis herpetica

der Lokalsymptome ausgel6st werden kann. Die Herpangina kommt in sog. ,,symptomatischer Form" als Begleitkrankheit bei Exanthema subitum, Masern, Scharlach, Typhus, Bronchopneumonie, Sepsis und bei Poliomyelitis vor. Die normale Rachenflora bleibt im Verlauf einer Herpangina unver~indert. Die Herpangina beginnt ganz pl6tzlich mit hohem Fieber (38,5 bis 40 ~ C, intermittierender Verlauf, zuweilen deutlich biphasisch, Dauer evtl. nur mehrere Stunden, aber auch 1-4 Tage). An Allgemeinsymptomen k6nnen vorhanden sein: Krfimpfe (besonders bei Kleinkindern), Mattigkeit, Kopf- und Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Appetitlosigkeit, Obelkeit und Erbrechen, auch Nacken- und Muskelschmerzen, Nackensteife, Leibschmerzen und Durchfall. H~iufiger besteht eine Begleitkonjunktitivis. Im Anschlul3 an die Prodrome bilden sich einzelne oder mehrere stecknadelkopf- bis linsengroge grauweil31iche, froschlaichartige (,,Sagokorn4ihnliche") Bl~ischen aus, die 2 - 3 mm groB, einer Perlenkette gleich aneinandergereiht oder auch gruppiert sind. Die Bl~ischen haben einen schmalen roten Hof (Areola). Im Verlauf yon 2-3 Tagen nimmt die R6tung der Areola zu, die Blfischen vergr613ern sich etwas, erodieren und bilden dann flache, graugelbliche Ulzera (Durchmesser 3--5 ram), die nach einigen Tagen verschwinden. Die Bl~ischen sind meist an den vorderen Gaumenb6gen, an Uvula und Tonsillen lokalisiert. Sie sitzen auf einer diffus ger6teten Unterlage und sind meist 2 bis 20 an der Zahl. Die oberflfichlichen Geschwfire bedecken sich mit wei131ich-grauem Fibrin (s. Abb. 13). Die Zunge und tier Larynx k6nnen mitbefallen sein. Meningeale Reizerscheinungen kommen vor.

Nach der Meinung mehrerer Autoren gibt es Ffille von Gingivitis und Stomatitis durch Coxsackie-A-Viren, und zwar sowohl mit als auch ohne gleichzeitige Herpangina (kein fibler Mundgeruch wie bei Stomatitis aphthosa). Nach fiberstandener

344

Theodor Nasemann

Herpangina t~il3t sich bei einigen F~illen noch l~ingere Zeit hindurch Follikelanschwellung der Schleimhaut beobachten. Differentialdiagnostisch mug bei einer Herpangina an eine Stomatitis aphthosa, an Enantheme bei Masern (Kopliksche Flecken) und Varizellen, an Metallintoxikationen, Angina mit Follikelschwellungen, Diphtherie und Soor gedacht werden. Wichtig ist, dal3 bei der Herpangina die Wangenschleimhaut nur extrem selten mitbefallen wird. Da es bei der Herpangina viele subklinische Krankheitsverl~iufe gibt, wird eine sehr grol3e Zahl der Erkrankungen der unterschwelligen Symptome wegen nicht diagnostiziert. Die Therapie der Herpangina ist rein symptomatisch durchzuffihren. Man verordnet Antipyretica, flfissige oder breiige Kost, Vitamine und Bettruhe. Ein Specificum gibt es noch nicht. Antibiotica schirmen nur bakterielle Superinfektionen ab. An weiteren Coxsackie-Virusinfektionen ist vor allem das Hand-Ful3-MundExanthem, die sog. falsche Maul- und Klauenseuche zu nennen, die eine Inkubationszeit von 3 - 4 Tagen hat. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine akut auftretende Coxsackie-Virus-Typ-A-Infektion, die mit einer vesikulfiren Stomatitis sowie einem bl~ischenf6rmigen Ausschlag an H~inden und Ffigen einhergeht. Als h/iufigster Erreger wurde der Coxsackie-Typ A16 isoliert, abet auch die Typen A 5 und A~o sind h/iufiger nachgewiesen worden. Kleinere En- und gr613ere Epidemien wurden in den USA, Kanada, England, Skandinavien und in Deutschland beobachtet. In Europa scheint die Krankheit langsam von Norden nach Sfiden vorzudringen, vor allem in den Sommermonaten und im Herbst. Nach der Inkubationsphase setzen Halsschmerzen ein, und es schiegen oberfl~ichliche, rasch erodierende Bl/ischen an Pharynx, weichem Gaumen, Zunge und Gingiva auf. Gleichzeitig kommt es an Hfinden und Fiigen zu einer B1/ischeneruption. Aberrierende B1/ischen k6nnen auch im Gesicht (z. B. im Lidbereich) vorhanden sein. Selten sind Disseminationen am Stamm. Die Umgebung der Bl~ischen ist in der Regel leicht ger6tet. Kurzfristig besteht etwas erhfhte Temperatur oder ein leichtes Fieber. Der Verlauf ist fast immer komplikationslos. Die Symptome klingen in 8 - 1 0 Tagen ohne Residuen ab. Die Abtrennung der beim Menschen nur sehr selten vorkommenden echten Maul- und Klauenseuche geschieht durch Erregernachweis (in Gewebekulturen), den Meerschweinchen-Schutzversuch und durch die Serologie. Die Therapie besteht in rein symptomatischen Mal3nahmen. Nicht immer liegen bei Coxsackie-Virus-Befall so definierte Krankheitsbilder vor wie bei der Herpangina und dem Hand-Ful3-Mund-Exanthem. Andererseits ist die Typenzuordnung nicht streng normiert. So k6nnen auch einmal andere Typen bei diesen Erkrankungen isoliert werden und sogar ECHO-Viren als Erreger vorkommen (s. Tabelle 3). 2.3. Stomatitis vesicularis.

Die Stomatitis vesicularis ist eine im allgemeinen gutartig verlaufende, durch ein filtrierbares Virus hervorgerufene, ansteckende, fieberhafte Krankheit meist yon Pferden und Rindern, die durch das Auftreten eines akuten, vesikul~ren Exanthems vor allem im Bereich der Schleimhaut yon Maul und Schlund (besonders in der Umgebung der Z~ihne) sowie auf der Haut der Klauen und der Zitzen gekennzeich-

Die Viruskrankheiten der Mundschleimhaut

345

TabeIle 3. Enantheme durch Coxsackie- und ECHO-Virusarten (nach Sabin,

Horstmann, Keuth, Hornstein und Seidl) Herpangina (oder Angina nodularis)

Coxsackie A Coxsackie B ECHO

2, 4, 5, 6, 8, 10 u. a. 4 3, 6, 17, 30

Lymphonodul~ire Pharyngitis

Coxsackie A ECHO

10 3, 4, 6, 9, 30

Gingivostomatitis

Coxsackie A

3, 5

Mischformen

Coxsackie A Coxsackie B ECHO

5, 9, 16 2, 3, 5 6, 9, 16

net ist. Diese Zoonose ist der Maul- und Klauenseuche klinisch recht fihnlich. Am h/iufigsten tritt sie im Sommer und Herbst auf. Die Stomatitis vesicularis beffillt Pferde, Maulesel, Rinder, seltener Schweine und nur ausnahmsweise den Menschen. Es gibt zwei Typen des Stomatitis-vesicularis-Virus (Indiana- und New-JerseyTypen), die keine gekreuzte Immunit/it hervorrufen, obwohl sie bei Pferden, Rindern und Meerschweinchen durchaus analoge L/isionen erzeugen. Beim Menschen dauert die Inkubationszeit der Stomatitis vesicularis 24-48 Std. Die Krankheit setzt pl6tzlich mit Fieber (evtl. auch mit Schfittelfrost) ein und mit z. T. starken Muskelschmerzen. Es entwickeln sich eine leichte Stomatitis, Tonsillitis und Schwellungen der zervikalen Lymphknoten. Das Fieber kann eine Woche anhalten, die Mattigkeit oft noch einige Tage 1/inger. Auch Blasenbildung an den Fingern kommt vor. Die Abheilung (meist ohne Schuppung) erfolgt innerhalb von 10-12 Tagen. Komplikationen seitens innerer Organe fehlten bisher. Die Krankheit verl/iuft in etwa wie eine milde Maul- und Klauenseuche-Infektion. Eine spezifische Therapie gibt es nicht. Symptomatische Mal3nahmen verstehen sich von selbst.

3. Virusinfektionen anderer Organe und obligatorischer Mitbefall der Mundsehleimhaut Bei allen Virusinfektionen anderer Organe, die nur Mitbefall - gleich welcher Intensit/it - der Mundschleimhaut zeigen, k6nnen nur die hier relevanten Symptome er6rtert werden.

3.1. Variola vera (Pocken).

Die Inkubationszeit der Pocken betr/igt 12 (10--14) Tage. Noch vor dem typischen Pockenexanthem kann am Ende der Inkubationszeit eine sehr infekti6se Pharyngitis auftreten. Mit dem pustul6sen Ausschlag zusammen schiel3en erodierte, schmerzhafte L/isionen im Bereich der Mundschleimhaut auf, die Salivation und Schluckbeschwerden verursachen. Hinzutreten k6nnen Glottis6dem, Heiserkeit, Schwellung der Lippen und Otitis media. Neben symptomatischen Mal3nahmen kann die antibiotische Beseitigung bakterieller Sekund/irinfektionen durchgeffihrt werden.

346

Theodor Nasemann

Abb. 5 Elektronenopt. Aufn. von Herpes simplex-Viruselementark6rpern, Ultraschnitt durch infizierte Zelle. Endvergr. 51400 x

3.2. Varieellen (Windpocken). Die Varizellen sind eine akut auftretende hochkontagi6se Viruskrankheit vor allem im Kindesalter, deren vesikul/ires Exanthem in Schfiben abl/iuft, daher ein polymorphes Bild verursacht und meist ohne Komplikationen und Narbenbildung abheilt. Sie k6nnen als Erstinfektion nichtimmuner Personen mit dem ,,Varizellen-ZosterVirus" aufgefal3t werden. Varizellen sind kontagi6ser als der Zoster. Beim Zoster sind weniger L/isionen im Bereich der oberen Luftwege vorhanden, deshalb ist die Tr6pfcheninfektion eingeschr~inkt. Sonst aber entsprechen Varizellen und Zoster zwei unterschiedlichen Aktivit/itsphasen eines einzigen infekti6sen Agens. Die Inkubationszeit betr/igt 14 bis 17 Tage (Grenzen: 12-21 Tage). Dem eigentlichen Varizellenausschlag geht meist ein lebhaft rotes, diffuses Enanthem voraus. Mit dem Exanthem zusammen entwickeln sich bei den meisten Patienten auch Bl~ischen auf der Mundschleimhaut, seltener im Larynx, die rasch erodieren (s. Abb. 14) und eine sorgf/iltige Mundpflege erforderlich machen. 3.3. Maul- und Klauenseuehe. Die Maul- und Klauenseuche (MKS) besitzt grol3e volkswirtschaftliche Bedeutung, spielt aber in der Humanmedizin nur eine geringe Rolle. Durch manche Seuchenztige kann der Rinderbestand betr~ichtlich gelichtet werden und der Schaden Millionenbetr~ige ausmachen. Menschliche MKS-Infektionen kommen jedoch nur sehr selten vor.

Die Viruskrankheitender Mundschleimhaut

347

Das Virus der MKS geh6rt zu den kleinsten der bisher bekannten Virusarten. Es hat einen Durchmesser von 10-20 nm. Die Inkubationszeit dauert beim Menschen gew6hnlich 3 - 8 Tage (Grenzen: 2 - 1 8 Tage). Prodromalerscheinungen sind Fieber, Kopf- und Kreuzschmerzen, Mattigkeit, Trockenheit und Brennen im Mund sowie Ubelkeit und Brechreiz. Dem eigentlichen Krankheitsbild k6nnen eine Angina lacunaris, ein Schnupfen (Halsschmerzen, R6tung des Rachens), evtl. auch ein Herpes simplex vorausgehen. Auch die Mundschleimhaut kann anfangs diffus ger6tet sein. Bei einem Teil der Patienten kommt es zur Ausbildung eines morbilliformen Rash. Die erste Krankheitsphase besteht in der Entwicklung einer Prim~irblase an der Eintrittspforte des Erregers. In der zweiten, vir~imischen Phase kommt es zur Generalisation (Prim~ir- und Sekundfiraphthen). Die Krankheit beginnt oft mit hohem Fieber, doch werden vielfach beim Menschen auch subfebrile Verl~iufe gesehen. Die Pr~idilektionsstellen ffir das Auftreten des vesikul6sen Exanthems sind die Mundschleimhaut, Handfl~ichen, Finger, FuBsohlen und Zehen. Die Hautver~inderungen k6nnen stark jucken. Die Mundschleimhaut zeigt zun~ichst diffuse entzfindliche R6tung, dann entwikkeln sich kleine, schmerzhafte, etwa erbsgroBe Bl~ischen mit erst klarem, ser6sem, dann milchig getrfibtem Inhalt und lebhaft totem Saum auf der Zunge, im Rachen, an Lippen und Wangen. Die Bl~ischen wandeln sich bald in Aphthen urn, k6nnen konfluieren und neigen besonders an den Lippenfiindern und am Naseneingang zu geschwfiriger Umwandlung. Bakterielle Sekund~irinfektion kann eintreten. Die schmerzhaften L/isionen ffihren zu SpeichelfluB und evtl. zu allgemeiner Schwellung der Zunge und Lippen. Die Krankheit bef~illt gelegentlich ausschlieBlich die Mundschleimhaut. Die Schleimhautl~isionen fiberMuten sich nach 10-14 Tagen, gelegentlich eher - und heilen narbenlos ab. Am Mufigsten werden mit der Maul- und Klauenseuche atypische Ffille von Erythema exsudativum multiforme verwechselt. Hier kl~irt der Tierversuch, der stets bei Verdacht auf MKS durchgeffihrt werden sollte. Eine spezifische Therapie gibt es noch nicht.

3.4. Pharyngoeonjunctiva~eber. Diese Krankheit beginnt sehr akut, hochfieberhaft, mit Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit. Die Zunge ist stark belegt. Katarrhalische Erscheinungen finden sich an den Konjunktiven und der Nasen-Rachen-Schleimhaut. Vereinzelt k6nnen eigenartige, Soor-fihnliche, leicht abwischbare Belfige an den Tonsillen und der Rachenwand beobachtet werden. Oft bildet sich eine (zuweilen einseitige) nur wenig druckempfindliche Schwellung der regionalen Nacken- und Halslymphknoten aus. Gsell (1956) erw~ihnt die starke R6tung des weichen und harten Gaumens, sah aber auf den Tonsillen keine Bel~ige (die Blutsenkungsgeschwindigkeit ist h~iufig beschleunigt, Leukopenien). Kinder werden viel Mufiger als Erwachsene befallen. Differentialdiagnostisch mfissen in erster Linie Herpangina und Influenza abgegrenzt werden. Die Prognose ist gfinstig. Das Pharyngoconjunctivalfieber wird fiberwiegend durch die Adenovirus-Typen 1, 2, 3, 4, 7, 14 und 21 hervorgerufen. Das Virus kann mit Hilfe der Gewebekultur aus Gurgelwasser und aus dem Conjunctivalsekret isoliert werden (Nachweis auch in Stuhlfiltraten). Eine spezifische Therapie gibt es noch nicht, Antibiotika verm6gen lediglich bakterielle Sekundfirinfektionen abzuschirmen.

348

Theodor Nasemann

4. Virusinfektionen anderer Organe und h~iufigerer oder gelegenflieher MitbefaU der Mundsehleimhaut

4.1. Eczema vaccinatum. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine Sekund/irbesiedelung ekzemat6ser Hautpartien durch das Impfpockenvirus. Am h~iufigsten erkranken durch Schmierinfektion Neurodermitiker. Es kommen sowohl Auto- als auch Heteroinokulationen vor. Lippenrot und Lippenschleimhaut k/bnnen mitbefallen werden, jedoch nicht obligat wie bei echten Pocken. Die Mundschleimhaut zeigt selten spezifische L~isionen, h/iufig aber sekund/ire Ver/inderungen wie Trockenheit der Zunge oder Soorbel~ige. Sorgf/iltige Mundpflege ist daher stets notwendig. 4.2. Zoster (Giirtelrose). Der Zoster ist eine neurodermale Krankheit sui generis, die ausnahmslos einen zyklischen Verlauf nimmt. Des weiteren ist sie eine akut auf gerSteter Haut meist in Form gruppierter B1/ischen in den Innervationsbezirken eines oder mehrerer Spinalganglien (oder deren Homologen im Kopfbereich), in der Regel halbseitig auftretende Viruskrankheit des Menschen, die weniger infektiSs als Varizellen ist und nur bei Patienten mit partieller Immunit~it auftritt und daher lokalisiert bleibt. Die sporadisch in erster Linie bei Erwachsenen vorkommenden Erscheinungen k/inden sich durch zum Teil sehr schmerzhafte Entz/indungen yon Nervenwurzeln oder extramedull/iren Ganglien von Hirnnerven an (Ganglionitis acuta posterior). Bricht die Abwehrfunktion des Organismus zusammen, so erfolgt h/imatogen eine Generalisation im Haut- und Schleimhautbereich. Die Inkubationszeit des Zoster betr/igt 7 - 1 8 Tage. Die Viruselemente haben Durchmesser von 130-200 nm. Der Befall wird durch Segmentirritationen gesteuert, die als Lokalisationsfaktoren dienen. Der Nervenbefall erfolgt also sekund~ir. Mundschleimhautl/isionen treten beim Zoster vor allem bei Befall des 2. und 3. Trigeminusastes auf, meist im Bereich des harten Gaumens (s. Abb. 16) und der

Abb. 6 Schleimhautwarzen bei /ilterer Frau

Die Viruskrankheiten der Mundschleimhaut

349

Abb. 7 Zungenwarzen (gleicher Fall wie Abb. 6) Unterseite der Zungenspitze

Zunge (s. Abb. 15), aber auch auf der Wangenschleimhaut. Die gruppierten, rasch erodierenden Bl~ischen sind fiberwiegend halbseitig angeordnet. Doppelseitiger Befall (z. B. Zoster duplex der Zunge) ist relativ selten. Dadurch wird die Diagnose sehr erleichtert. Seltener noch ist der Zoster im Bereich anderer kranialer Nerven zu finden. Hierfiber orientiert die Tabelle 4. Eine kausale Zostertherapie gibt es noch nicht. Die bisher bekannten Virustatika waren nicht fiberzeugend wirksam. Man ist daher auf symptomatische Mal3nahmen angewiesen, die sich der Schwere des Krankheitsbildes anpassen mfissen. Die Krankheitsdauer und das Auftreten postzosterischer Neuralgien sind in erster Linie vom Alter des Patienten und der Intensit/it der klinischen Erscheinungen abh~ingig.

4.3. Herpes simplex (meist Typ 1), z.B. am harten Gaumen. Der Herpes simplex in seiner lokalisierten, rezidivierenden Form - wie er im Bereich der Haut, des Genitales oder des Lippenrots so ungemein h/iufig gesehen wird - tritt nur relativ selten auf der Mundschleimhaut in Erscheinung. Dann jedoch hat er ein zosteriformes Gepr~ige und kann differentialdiagnostische Schwierigkeiten machen. Im Bereich der Mundschleimhaut tritt er bevorzugt am harten Gaumen auf (s. Abb. ! 7) und kann dort klinisch-morphologisch kaum von einem Zoster (auch halbseitig!) unterschieden werden. Der Zoster rezidiviert jedoeh nicht -- oder nur in seltensten Ausnahmen. Der zosteriforme Herpes simplex kann jedoch genauso chronisch rekurrierend Verlaufen wie ein Herpes simplex anderer Spielart. Die Anamnese ffihrt daher in der Regel schon zur richtigen Diagnose. Mikrobiologisch kann diese dann durch Zfichtung des Erregers (meist Herpes simplex-Virus vom Typ 1) in Eiund Gewebekulturen gesichert werden.

350

Theodor Nasemann

Tabelle 4. Zoster der kranialen Nerven (nach Blank u. Rake, 1955).

Zosterform

Befallene Ganglien

Befallene Organe, Schleimhautund Hautareale

Begleitsymptome

1. Fazialer Typ

Ganglion Gasseri, vor allem der N. ophthalmicus

Gesicht, Augen, Mund

Schmerzen, Abgeschlagenheit, reduzierter Visus bei Befall der Cornea, Schw/iche des Levator palpebrae, Pupillenph/inomenvon ArgyU-Robertson

2. Zoster octicus Ganglion (Ramsaygeniculi HuntSyndrom)

Konkavitfit des Ohres und Geh6rgang, vordere Zweidrittel der Zunge ~

Homolaterale Fazialisparese (Bellsche Liihmung), Ohrensausen, Taubheit, aber auch Hyperakusis, Schwindel (Befall der kochlearen und vestibularen Ganglien), Geschmackst6rungen und St6rung der Tr~inensekretion, meningitische und enzephalitische Zeichen

3. Pharyngeale Form

G!ossopharyngeale Ganglien

Zentrum der Aurikula, Schmerzen im Ohr und im Schleimhaut des Pharynx weichen Gaumens, Uvula, Tonsillen, Pharynx und hinterer lateraler Tell der Zungenschleimhaut

4. Laryngeale Form

Vagus

Zentrum der Aurikula, Zungenbasis, Epiglottis, Arytaenoid, Aryepiglottische Falten

Larynx- und Pharynxparese, Dysphonie, Dysphagie, Bradykardie, Tachykardie, Magenst6rungen (Nausea, Erbrechen)

5. Okzipitokollare Form

Zervicale Ganglien

Hautl~isionenim Bereich von Hinterhaupt und Nacken

Schmerzen im Bereich von Nacken und Hinterhaupt

Therapeutisch empfiehlt sich bei frequentem rekurrierendem Verlauf die Gabe einer abget6teten Herpes-Vaccine vom Typ 1 (im Handel als Lupidon H(m). Lokal ist Mundpflege mit Kamillosan und Betupfen der L/isionen mit Herviros (R) indiziert.

~4. Eczema herpetieatum. Beim Eczema herpeticatum handelt es sich urn den sekund~iren Befall einer prim/it verfinderten H a u t mit dem Herpes simplex-Virus. Besonders h/iufig siedelt es sich

Die Viruskrankheiten der Mundschleimhaut

35 l

Abb. 80rale Papillomatose des Kaninchens

Abb. 9 Histologie yon oraler Papillomatose (Fall von Abb. 6 und 7)

auf dem Boden einer Neurodermitis constitutionalis an. D e m Virus wird das Haften d u t c h die fl~ichenhaften Defekte im Epithel erleichtert. Die Virusausbreitung kann per continuitatem, lymphogen und h/imatogen erfolgen. Kinder erkranken viel h/iufiger (75%) als Erwachsene. Herpes-Tr/iger dfirfen keine Ekzematiker betreuen!

352

Theodor Nasemann

Abb. 10 Schematische Darstellung der Warzenhistologie

Abb. 11 Histologie von solit~irerSchleimhautwarze Als Infektionsquellen kommen Herpes simplex oder Stomatitis aphthosa-F~ille in der Umgebung in Betracht. Prodromi treten nicht oder nur in geringem MaBe auf. Die Effioreszenzen sind vorwiegend im Gesicht, am Hals, an der Brust und den Armen lokalisiert. Es handelt sich um grol3e, einkammerige, gedellte Bl~ischen (sp~iter Pusteln) von etwa LinsengrSl3e, die in einem Zeitraum von 2 - 3 Wochen schubweise aufschieBen und daher ein polymorphes Erscheinungsbild verursachen. Im Munde kSnnen, vor allem bei Kindern und wenn es sich um eine herpetische Erstinfektion handelt, zahlreiche aphthoide L/isionen entsteheri. Es kann auch gelegentlich das Vollbild einer Gingivostomatitis herpetica vorliegen und von dort aus die Besiedelung eines gleichzeitig bestehenden Ekzems (bzw. Dermatitis atopica) im Sinne einer Autoinoculation erfolgen. Die Therapie unterliegt in allen F~illen den gleichen Bedingungen wie die der prim/iren Herpes-Stomatitis (s. oben!).

4.5. Postherpetisches Erythema exsudativum multiforme. Nicht selten kann 5--8 Tage nach einer Herpeseruption ein disseminiertes Exanthem vom Typ des Erythema exsudativum multiforme auftreten. In den L/isionen des

Die Viruskrankheiten der Mundschleimhaut

353

Abb. 12 Elektronenopt. Aufn. des Virus der Condylomata acuminata, Endvergr. 98000 x (Ultraschnitt)

Abb. 13 Herpangina Zahorsky multiformen Erythems konnte verschiedentlich Herpesvirus nachgewiesen werden, obwohl es sich um eine hyperergische Reaktion im Sinne eines Virusides handelt. Parallel mit der Dissemination des Virus mul3 die Sensibilisierung ablaufen. Dies geschieht wahrscheinlich in der folgenden Weise:

354

Theodor Nasemann

Abb. 14 Varicellen-L~isionender Mundschleimhaut

Abb. 15 Zoster linguae

1. Epidermiszellen und Herpes simplex-Virus: ~ autoantigenes Material, 2. Autoantigen und retikulohistiozyt~ires System: ~ Antik6rper, 3. Autoantigen und A u t o a n t i k 6 r p e r : ~ R e a k t i o n in F o r m des multiformen Erythems.

Die Viruskrankheiten der Mundschleimhaut

355

Abb. 16 Zoster palatinae

Abb. 17 Herpes simplex zosteriformis des Gaumens Im Munde treten aphthoide L~isionen auf, die mitunter Kokarden-/ihnlich beschaffen sind und dann setir an die charakteristischen Hautl~isionen erinnern. Im Lippenbereich sind oft noch Reste des meist schon weitgehend abgeklungenen Herpes simplex zu erkennen (s. Abb. 18). Ist die Sensibilisierung gegen das Herpesantigen bereits weit fortgeschritten, k6nnen sehr massive Eruptionen entstehen, oft 4--6--8-mal im Jahr, die den Patienten sehr bel/istigen und schwfichen k6nnen. Therapeutisch hat sich am besten eine vorsichtige Desensibilisierung mit einer hitzedenaturierten Herpesvaccine vom Typ 1 (Lupidon H) bew/ihrt. Man beginnt mit kleinen Dosen (0,1 ml) und steigert langsam bis auf 1 ml oder sogar 2 ml. Ist ein voller

356

Theodor Nasemann

Abb. 18 Postherpetisches Erythema exsudativummultiformemit Schleimhautbeteiligungund typischen Kokardenl~isionen der Haut (vorangegangen war ein Lippenherpes)

Abb. 19 Histologisches Schemader intraepithelialen L~isionbei allen Erkrankungen der Herpesgruppe

Erfolg eingetreten, mfissen in Abst/inden von 3 Monaten Auffrischungsinjektionen (Booster-Effekt) gegeben werden. Vergessen die Patienten die Termine einzuhalten und bekommen nach 1/ingerer Zeit, z. B. nach einer Grippe einen neuen Lippenherpes, dann folgt prompt wieder ein Erythema exsudativum multiforme. Die gewissenhafte Nachbehandlung fiber lange Zeit ist daher Voraussetzung f/Jr einen Dauererfolg.

4.6. Mononucleosis infectiosa. Die Mononucleosis infectiosa (oder: Pfeiffersches Driisenfieber) ist eine Infektionskrankheit, v o n d e r vorwiegend Kinder und jugendliche Erwachsene befallen werden. Sie ist charakterisiert durch die Ausbildung einer Angina, durch Fieber, vergr613erte Lymphknoten, mitunter durch Milzschwellung und vor allem durch ein ausgeprfigtes monozytfires Blutbild sowie durch das Auftreten heterophiler Antik6rper im Blutserum (Paul-Bunnel-Reaktion). Schleimhautverfinderungen treten etwa bei 17% der Patienten auf, ganz fiberwiegend im Mundbereich. Aufgeschlfisselt nach Art und Lokalisation ergibt sich folgende (Jbersicht:

Die Viruskrankheiten der Mundschleimhaut

357

Abb. 20 Histologie von Herpes simplex-Bl/ischen

Petechien bei 8% der Patienten, Stomatitiden bei 3% der Patienten, Gingivitiden bei 2,9% der Patienten, Kleinfleckige Enantheme bei 2% der Patienten, Odematfse Schwellungen der Mund- und Rachenschleimhaut bei 2% der Patienten. Abgesehen von den ulzerfsen und ulzeromembran6sen Ver~inderungen der Tonsillen bilden sich geschwfirige Prozesse im Cavum oris nur sehr selten aus, etwa bei 0,1% der Patienten. Die Stomatitiden k6nnen der Stomatitis aphthosa morphologisch recht ~ihnlich sein. Die r6tlich-br~iunlichen fleckf6rmigen Enantheme sind h/iutiger polsterartig eleviert. Glottis6deme kommen nur sehr selten zur Beobachtung, weit eher peritonsill~ire 0deme und 6demat6se Schwellungen der Uvula. In letzter Zeit wurde beobachtet, dab vorher seronegative Personen, wenn sie an infekti6ser Mononukleose erkrankten, Antik6rper gegen das Epstein-Barr-Virus entwickelten, und zwar mit Anstieg zu relativ hohen Titerwerten. Immer mehr Untersuchungsresultate sprechen daffir, dab dieses in die Herpesgruppe geh6rige Virus der Erreger der Mononucleosis infectiosa ist.Dieser dringt fiber die Rachenschleimhaut in den Organismus ein, meist wohl nach oralem Kontakt. Auf der Hfhe der Erkrankung entwickelt sich eine generalisierte Zellreaktion des gesamten lymphoretikul/iren Apparates. Die Inkubationszeit betr/igt im Durchschnitt 7-8 Tage. Ein Speciticum gegen die Mononukleose gibt es nocht nicht. Antibiotische Abschirmung und Symptomatica sowie gr/indliche Mundpflege sind immer indiziert.

4.7. Virusgrippe (Influenza). Die durch Influenzaviren bedingte ,,Grippe" ist eine akute Infektionskrankheit, die mit Fieber und meist wenig charakteristischen Allgemeinsymptomen verl~iuft, vorwiegend die Luftwege, seltener Haut- und sichtbare Schleimh~ute bef'~illt und zu

358

Theodor Nasemann

bakteriellen Sekund/irbesiedlungen neigt. In gr6Beren Zeitabst/inden kann sie pandemisch auftreten, sonst epi- und endemisch. Als Regel gilt: Hervorgerufen werden: -- Pandernien: durch A-Typen (Untertypen), - Epidernien: durch A- und B-Typen sowie -- Endemien: durch B- und C-Typen. Die Inkubationszeit betr~gt 1-2, maximal 4 Tage. Bei der Virusgrippe ist die Zunge meist grau-weiB gef'~rbt, ihre R/inder sind ger6tet und die Papillen oft angeschwollen. Pharynx und Gaumensegel sind ger6tet, vor allem aber finden sich scharf begrenzte Erytheme am Rande der Gaumensegel, zuweilen auch an der Uvula. Weiterhin kann ein bandf'6rmiger, an~imischer Streifen vorhanden sein, der sich v o n d e r einen zur anderen Tonsille zieht (,,Grippeleiste"). Ein B1/ischenenanthem bei der Grippe kommt vor. Bei einer Epidernie in Hamburg (Mitte M/irz bis Mitte April 1955) fanden sich etwa bei der H/ilfte der Erkrankten arn vorderen Gaumenbogen und/ibergreifend auf weichen Gaumen, Uvula und Tonsillen mehrere, auch zahlreiche stecknadelkopf-, seltener bis linsengro6e B1/ischen mit farblosem, mitunter leicht gelblichem Inhalt. Diese L/isionen blieben zwischen 1--3 Wochen bestehen. Sie verschwanden langsam, ohne zu platzen. Gelegentlich verlief das Enanthern schubweise, undes traten irn befallenen Schleimhautareal petechiale Blutungen auf. Oft besaBen die kleinen Blfischen einen zarten roten Rand. Flohstichartige Petechien entwickeln sich vorwiegend auf der Wangenschleimhaut, aber auch im gesamten Rachenring und auf der Schleirnhaut der Trachea. Sie treten als Folge von Kapillarschfidigungen auf und sind nicht als spezifisch anzusehen. ,~hnliche Petechien komrnen bei R6teln, Masern, Herpangina und Varizellen vor. Auch bei der Influenza kann nur eine symptomatische Behandlung mit Bettruhe, Antipyretica, Schwitzpackungen, Darnpfinhalationen, Mundpflege und evtl. Gabe von Kreislaufmitteln durchgef/ihrt werden.

4.8. Masern (MorbillO. In diesem Zusammenhang interessieren nur die Koplikschen Flecken, die ein wichtiges diagnostisches Zeichen darsteUen -- und die im Mundschleirnhautbereich auftretenden Komplikationen. Nach einer Inkubationszeit von 11-14 Tagen schiel3t das typische Exanthem auf. Im Prodromalstadium der Masern, in der Regel mit katarrhalischen Erscheinungen wie Conjunctivitis und Nasenbluten kann ,,der Eingang der verstopften Nase sowie die angrenzende Oberlippe durch die mazerierenden Exsudate erodiert und gegebenenfaUs ulzeriert werden" (Schuermann, 1958). Man beobachtet zuweilen r/isself6rmige Schwellungen der Lippen, die den Verdacht auf Lippenfurunkel erwecken, jedoch in 2 - 3 Tagen wieder abklingen (,,Masernlippe"). Augerdem stellen sich bei Masern gern diffuse, hellrote Enantheme im Bereich der Rachen- und Wangenschleimhaut ein. Differentialdiagnostisch wichtig (z. B. f/ir die Abgrenzung gegen Rubeolen und Scharlach) sind die am 2. oder 3. Tag (seltener etwas sp~iter) des Prodromalstadiums sich entwickelnden Koplikschen Flecke. Sie siedeln sich meist bilateral um die M/indung des Ductus parotidicus, gegen/iber den Pr~imolaren und auch an der Unterlip-

Die Viruskrankheiten der Mundschleimhaut

359

penschleimhaut -- oft gruppiert -- an (bei etwa 90% der F/ille). Es handelt sich um 1 - 3 mm grol3e, gelblich-weigliche (zuweilen mit einem Stich ins B1/iuliche), leicht erhabene Stippchen mit rotem Rand, denen 6 Std bis zu 4 Tage sp&iter die Eruption des Exanthems folgt. Ebenfalls meist kurz vor dem Exanthem schief3en dunkelrote Flecke im Bereich von weichem und hartem Gaumen, von Vulva und Tonsillen auf. Dieses fleckf6rmige Enanthem ist zusammen mit den Koplikschen Flecken fiir die Erkennung der Masern bedeutungsvoll. Neben einer harmlosen katarrhalischen Stomatitis kommt seltener eine fibrin6sulzer6se Form vor mit Geschwfiren an Gaumenb6gen und Tonsillen. Mitunter werden auch Zunge, Zahnfleisch und Lippenschleimhaut befallen. Lokal wird dann am besten mit Pyoktaninpinselungen (1%ig), Mundisal-Gel, Herviros und KamillosanSpfilungen behandelt. Auch ein Soot kann als Sekund/irinfektion auftreten. Sehr selten wird eine Noma als Komplikation beobachtet, und zwar ausschlief3lich bei exzessiver Abwehrschw/iche, z. B. Masern bei Kindern, die an Malaria leiden und stark an/imisch sind. Hier sind sofortige Bluttransfusionen, Injektionen von Gammaglobulin und Antibiotikagaben notwendig (intern und extern). Die Prognose, die frfiher infaust war, hat sich hierdurch wesentlich verbessert.

4.9. Mumps (Parotit& epidemica). Der Mumps ist eine epidemisch auftretende, akute Infektionskrankheit durch eine Virusart, die der Paramyxovirus-Gruppe angeh6rt. Das Hauptsymptom besteht in einer entzfindlichen, nichteitrigen Schwellung der Parotis, aber auch der anderen Speicheldriisen. Die Inkubationszeit betr/igt im Mittel 18 Tage. Im Bereich der Mundschleimhaut treten nur relativ uncharakteristische Ver/inderungen auf. Bekannt ist das sog. ,,Speichelgangzeichen": R6tung und Schwellung der Mfindung des Ductus parotidieus (nicht streng spezifisch!). Mund und Rachenh6hle k6nnen auBerdem leicht ger6tet und die Speichelabsonderung vermindert sein.

4.10. Rubeolen (R6teln). R6teln sind eine akut verlaufende Infektionskrankheit durch ein Virus der TogaGruppe. Von Masern unterscheiden sich die R6teln vor allem durch Fehlen der Koplikschen Flecke. Bei R6teln besteht das Enanthem aus kleinen roten Flecken am weichen Gaumen, die nur wenige Tage zu sehen sind. Die katarrhalischen Ver/inderungen wie Rhinitis, Pharyngitis, Bronchitis und Conjunctivitis sind bei R6teln im allgemeinen viel flfichtiger als bei Masern. Sie k6nnen wie das Fieber g/inzlieh fehlen.

4.11. ECHO-Exantheme. ECHO-Viren k6nnen epidemisch auftretende Krankheiten verursachen, die nach rein klinischen Gesichtspunkten in vier Gruppen unterteilt werden k6nnen: 1. Aseptische Meningitiden mit oder ohne morbilliforme oder rubeoliforme Exantheme, 2. febrile morbilliforme oder rubeoliforme Exantheme ohne Meningitis, 3. Sommmerdiarrh6 kleiner Kinder und 4. febrile Katarrhe der oberen Luftwege.

360

Theodor Nasemann

Beim Bostoner Exanthem (ECHO 16) treten h~iufiger Schleimhautver~inderungen auf, meist in Form kleiner, scharf begrenzter Ulcerationen am weichen Gaumen und/oder an den Tonsillen. Beim ECHO 9-Virus-Exanthem sieht man vorwiegend m/i/3ig-starke diffuse R6tung der Rachenschleimhaut, aber keine aphthoiden L/isionen. Beim ECHO 6-Virus-Exanthem kommt es im Bereich der Mundschleimhaut zu L/isionen, die morphologisch denen der Herpangina entsprechen, jedoch massiver in Erscheinung treten (Hornstein und Seidl, 1973). Aul3erdem k6nnen bei ECHO 4-Virusinfektionen weitgehend unspezifische Pharyngitiden entstehen. Da iiberhaupt Haut- und Schleimhautver/inderungen bei den ECHO-Infektionen weder typ- noch artspezifisch sind, ist fiir den Praktiker die Ubersicht sehr schwierig. Als Richtlinien k6nnen folgende klinische Hinweise dienen (s. bei Nasemann, 1974): 1. Nicht nur die Haut, auch die Schleimh/iute genau ansehen! 2. Kultur aus Rachensp/ilfl/issigkeit und Stuhl veranlassen. 3. Zwei Blutproben in zeitlichem Intervall zur serologischen Untersuchung auf ECHO- und Coxsackie-Viren einschicken. 4. Bei vesikul6sen Hautl/isionen auch direkte Virusisolierung aus der Bl~ischenfl/issigkeit versuchen -- (Patient in das Labor schicken). 5. Auf analoge Infektionen in der Umgebung des Patienten achten! Bei allen ECHO-Infektionen ist nur rein symptomatische Therapie m6glich (s. oben!). Bei schwerem Verlauf ist die Gabe von Gammaglobulinen indiziert, evtl. auch antibiotische Abschirmung.

5. Virusinfektionen anderer Organe und relativ seitener Mitbefall der Mundsehleimhaut.

5.1. Melkerknoten (Paravaccinia). Der Erreger der Melkerknoten geh6rt in die Pockengruppe und verursacht beim Rind die meist harmlosen Euterpocken, die auf Personen, die in der Landwirtschaft t/itig sind,/ibertragen werden k6nnen, jedoch nur sehr selten auf die Lippenschleimhaut. Hier k6nnen bis kirschgro6e blau-r6tliche Knoten entstehen, die zentral erodieren und in der Regel mit Abszessen verwechselt werden. Die Diagnose 1/iBt sich jedoch durch ein elektronenoptisches Direktpr~iparat und Anwendung der Negativkontrasttechnik rasch stellen. Bei antibiotischer Abschirmung und sorgf'~iltiger Mundpflege heilen die Knoten innerhalb yon etwa 14 Tagen komplikationslos ab, hinterlassen jedoch nur relativ kurzdauernde Immunit/it.

5.2. Ecthyma contagiosum (Ori). Das Ecthyma contagiosum (Syn.: Lippengrind der Schafe) steht der Paravaecinia sehr nahe. Es kann von Schafen und Ziegen aus auf den Menschen iibertragen werden. Bei diesem entstehen knotig-pustul6se L/isionen, die dem Melkerknoten /ihnlich sind. Das gilt auch ffir gelegentlich im Schleimhautbereich der Lippen vorkommende Ver/inderungen, die fast nur bei Landwirten und Tier/irzten beobachtet werden.

Die Viruskrankheitender Mundschleimhaut

361

5.3. Poliomyelitis. Im Frfihstadium der Poliomyelitis k6nnen Enantheme beobachtet werden, die grof3e Bedeutung besitzen. Werden sie in Epidemiezeiten diagnostiziert, so sind sie ein ,,Signal zur Dispositionsprophylaxe" (Einhalten von Bettruhe). Es handelt sich hierbei um wei/31ich-graue Flecken (,,lymphozyt~ire Proliferationen"), die in der Ubergangszone vom weichen zum harten Gaumen lokalisiert sind. Schuermann (1958) erw~ihnt auJ3erdem das in Dreiecksform am harten Gaumen auftretende Enanthem von Thiele. Oft finden sich als Prodrome bei der Poliomyelitis katarrhalische Erscheinungen (Rhinitis, Pharyngitis, Tonsillitis) und sp~iter die sog. ,,Facies poliomyelitica", die durch das kongestionierte Aussehen mit leichter Zyanose der Wangen und Lippen sowie dutch das blasse Munddreieck zustande kommt.

5.4. Marburg- Virusinfektion. Die durch das Marburg-Virus hervorgerufene akute Infektionskrankheit gehSrt zu den exanthematischen h~imorrhagischen Fiebern. Der Erreger z~ihlt mit grol3er Wahrscheinlichkeit zu den Rhabdoviren. Alle von dieser Krankheit befallenen Personen hatten direkten oder indirekten Kontakt mit Affen gehabt. Zum dramatisch verlaufenden Krankheitsbild geh6ren auch Schleimhautver~inderungen, vor allem ein Enanthem des harten und weichen Gaumens. Nur am harten Gaumen bilden sich kleine sagokornartige Bl~ischen, die denen /ihneln, die bei der Herpangina beobachtet werden. Sp~iter kann es zu Zahnfleisch- und Nasenbluten kommen. Die Behandlung ist rein symptomatisch.

5.5. Arbovirus-Infektionen. Die Bezeichnung ,,Arbo" stammt von den Worten ,,Arthropod-borne" ab. Das soll besagen, dab es solche Virusarten sind, die durch Insekten fibertragen werden. Ganz fiberwiegend handelt es sich bei den dutch sie ausgel6sten Erkrankungen um solche, die in den Tropen, Subtropen bzw. warmen Klimazonen (Mittelmeerl~inder) heimisch sind. Aus unserem Blickwinkel heraus interessieren nur das Pappataci- und das Gelbfieber. Beim Pappatacifieber k6nnen gelegentlich Halsschmerzen mit starker RachenrStung auftreten, die jedoch hie im Vordergrund des klinischen Gesamtbildes stehen, das immer einen gutartigen Verlauf nimmt. Symptomatische MaBnahmen genfigen hier vollauf. Das Gelbfieber hat eine Inkubationszeit von 3 - 6 Tagen und wird durch Stechmficken iibertragen. Die Krankheit nimmt einen Verlauf, der in drei Phasen eingeteilt werden kann: 1. Initiales Fieber (Infektionsperiode), 2. kurzes, nicht stets vorhandenes Stadium der Remission - und 3. Periode der Reaktion und der Organsch~idigungen. Die beim Gelbfieber auftretenden Schleimhautver~inderungen sind wenig charakteristisch. Die Zunge kann anfangs etwas ger6tet sein, sp~iter wird sie trocken, belegt, klein und spitz (ira Gegensatz zu der geschwollenen, weichen Malaria-Zunge). Gaumen und Zahnfleisch r6ten sich, schwellen 5demat6s an und zeigen Blutungstendenz. Auch in der Behandlung des Gelbfiebers gibt es keine kausal angreifenden Medikamente, so dal3 bier ebenfalls nur Symptomatica zur Verffigung stehen.

362

Theodor Nasemann

Diese U b e r s i c h t sollte zeigen, dab eine grol3e Z a h l v o n Virusinfektionen mit E r s c h e i n u n g e n im Bereich der M u n d s c h l e i m h a u t einhergehen, die hinsichtlich ihrer klinischen B e d e u t u n g unterschiedlich g e w i c h t e t w e r d e n mfissen, deren K e n n t n i s oft v o n grol3er differentialdiagnostischer B e d e u t u n g ist ( N a s e m a n n , 1968, 1970; O e h m e , 1975), f/ir deren B e h a n d l u n g fast n u r s y m p t o m a t i s c h e M a l 3 n a h m e n zur Verf/igung stehen und d e r e n L a b o r a t o r i u m s d i a g n o s e in den letzten J a h r e n g r o g e F o r t s c h r i t t e g e m a c h t hat.

Literatur Arnold, W.: Pers6nliche Mitteilung, 1975/76 Blank, H., Rake, G.: Viral und rickettsial diseases of the skin, eye and mucous membranes of man. Boston: Little, Brown and Comp. 1955 Fellner, M. J.: Congenital unilateral benign papillomatosis of the mouth. Arch. Derm. 111, 769--770 (1975) Gsell, O.: Febris pharyngo-conjunctivalis epidemica. Schweiz. reed. Wschr. 86, 1050 (1956) Hornstein, O.: Entzfindliche und systemische Erkrankungen der Mundschleimhaut. Referate der 103. Tagung der Siidwestdeutschen Dermatologen-Vereinigung in Erlangen, Mal 1973. Stuttgart: Thieme 1974 Hornstein, O., Seidl, V.: Zur Klinik und Histologie des ECHO-6-Virusexanthems. Hautarzt 24, 6-11 (1973) Nasemann, Th.: Virusinfektionen der Mundschleimhaut und aphth6se Erkrankungen mit noch unbekannter Atiologie. M/inch. reed. Wschr. 110, 2559-2566 (1968) Nasemann, Th.: Krankheiten der Mundschleimhaut. Bayer. Zahn/irztebl. 1970, 103--112 Nasemann, Th.: Viruskrankheiten der Haut, der Schleimh~iute und des Genitales. Stuttgart: Thieme 1974 Oehme, J.: Schleimhautver~inderungen der Mundh6hle bei Kindern. Dtsch. Arztebl. 72, 2460-2462 (1975) , Peters, D.: Morphologie menschen- und tierpathogener Viren. Zbl. Bakt. I Abt. Orig. 176, 259 (1959) Schuermann, H.: Krankheiten der Mundschleimhaut und der Lippen. 2. Aufl. M/inchen-Berlin: Urban und Schwarzenberg 1958 Schuermann, H., Greither, A., Hornstein, O.: Krankheiten der Mundschleimhaut und der Lippen. 3. Aufl. Miinchen-Berlin-Wien: Urban und Schwarzenberg 1966 Ullmann, E. V.: Versuche, Kehlkopfpapillome auf Haut und Schleimhaut von Mensch und Tier zu /ibertragen. Wien. klin. Wschr. 1921, 599 Ullmann, E. V.: On the aetiology of the laryngeal papilloma. Acta oto-laryng. (Stockh.) 5, 317 (1923) Zur Hausen, H.: Pers6nliche Mitteilung, 1975 Zur Hausen, H., Giessmann, L.: Human papilloma viruses: physical mapping and genetic heterogeneity. Proc. nat. Aead. Sci. (1976) (in Vorbereitung)

Eingegangen am 27. November 1975

Prof. Dr. Th. Nasemann Univ.-Hautklinik Theodor-Stern-Kal 7 D-6000 Frankfurt a. M. Bundesrepublik Deutschland

[Virus diseases of the mouth mucosa].

Arch. Oto-Rhino-Laryng., 213, 333--362 (1976) Archives of Oto-Rhino-Laryngology 9 by Springer-Verlag 1976 Die Viruskrankheiten der M u n d s c h l e...
5MB Sizes 0 Downloads 0 Views