Operative KorrekturmOglichkeiten der Trichter- und Kielbrust

~. ~ ~ ~ A r e h h t Langenbecks Arch. Chir. 345 (KongreSbericht 1977) © by Springer-Verlag1977

29. Operative Korrekturmiiglichkeiten der Trichter- und Kielbrust G. H. Willital, H. Meier und R. Schwandner Kinderchirurgische Abteilung (Priv.-Doz. Dr. G. H. Willital) der Chirurgischen Universit~itsklinik (Prof. Dr. G. Hegemann), Maxirniliansplatz, D-8520 Erlangen

Funnel Chest Deformities: Operative Treatment Summary. The frequency of chest deformities is 1:100; operative treatment, however, is necessary in only 1:1000 patients with such a deformity. The most frequent deformity - in 91% - is the funnel chest. Chicken breast, combined types, and fissures of the sternum are seldom seen. Indications for operative treatment are: deformity of more than 25% of the normal sagittal diameter of the chest; heart failure and the degree of pathologic signs on the EKG; alterations of the vertebral column; psychologic aspects. Our operative procedure consists of a double cartilage incision and stabilization of the chest with a metal strut.

Key words: Chest deformities, frequency - Chest deformities, indicationsChest deformities, operative technique.

Zusammenfassung. Thoraxdeformit~iten sind bei jedem 100. Bundesbiirger zu finden, aber nur bei jedem 1000. ist eine operative K o r r e k ~ r indiziert. Die Trichterbrust ist mit 91% die h~iufigste Thoraxdeformit~it. Kielbriiste, Kombinationsformen und Spaltbildungen im Bereich des Sternums sind selten. Eine Operationsindikation liegt vor, wenn die Einziehung mehr als 25 % der normalen Thoraxtiefe betr~igt, pathologische EKG-Ver~inderungen und Wirbels~iulenver~inderungen bestehen, die Thoraxdeformit~it psychisch den Patienten belastet. Die operative Korrektur erfolgt mit Hilfe eines Metallbiigels, nach Mobilisation und Elevation des Thoraxtrichters durch doppeltsegmentf6rmige Chondrotomie der Rippen. Schliisselwiirter: Thoraxdeformit~iten - H~iufigkeit - Indikation - Operation.

Thoraxdeformit~iten sind bei jedem 100. Bundesb/irger zu finden, aber nur bei jedem 1000. ist eine operative Korrektur indiziert. Aufgrund der unterschiedlichen ~iul3eren Erscheinungsformen haben wir folgende Einteilungen getroffen:

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1. Trichterbriiste, sie betragen 91% aller Fehlbildungen der vorderen Thoraxwand; 2. Kielbriiste; 3. Kombinationsformen; 4. Spaltbildungen im Bereich des Sternums. Bei den Trichterbrfisten unterscheiden wir wiederum 4 morphologisch unterschiedliche Typen: Typ Ia: Symmetrisch gebaute Trichterbrust, bei sonst normal konfiguriertem Thorax. Sie war bei unseren 725 operierten Trichterbriisten mit 77,2 % am h~ufigsten vertreten. Typ Ib: Asymmetrisch konfigurierte Trichterbrust, bei sonst normal konfiguriertem Thorax. Typ IIa: Symmetrisch gebaute Trichterbrust, bei allgemein flachem Thorax. Typ IIb: Asymmetrisch konfigurierte Trichterbrust, bei Platythorax. Bei genauer Befragung konnten wir feststellen, dab bei 85 % unserer Trichterbrustpatienten eine famili~ire Disposition vorlag, wobei mitunter jedoch 1 oder 2 Generationen keine derartigen Fehlbildungen zeigten, bis erneut eine Thoraxdeformit~t manifest wurde. Assoziierte Fehlbildungen kommen vor, an erster Stelle stehen Vorhofseptumdefekte und das Marfan Syndrom. Zur Beurteilung einer Trichterbrust fiihren wir immer zwei Untersuchungen durch: a) ThoraxmeBaufnahme in 2 Ebenen; b) EKG-Untersuchungen. Eine Operationsindikation liegt immer dann vor, wenn die Einziehung mehr als 25 % der normalen Thoraxtiefe betr~igt. Von diesem Stadium an weist die Wirbels~iule immer eine erhebliche Skoliose auf, es kommt zu h~imodynamisch ungiinstigen Auswirkungen auf das Herz, und nahezu alle Kinder und Jugendliche leiden erheblich psychisch unter dieser Thoraxdeformierung, was h~iufig iibersehen wird. Dies trifft auch insbesondere bei Kielbrustdeformit~iten zu. Liegen derartige Ver~inderungen vor, halten wir eine Operationsindikation f~r gegeben. Bei der Operationsindikation spielen kosmetische Erw~igungen auch eine Rolle, weil heute durch verschiedene Medien ein besonderer Wert auf einen schtnen Ktrper gelegt wird. Zur Beurteilung der Trichtertiefe wird der ~iuBere sternovertebrale Durchmesser mit Hilfe eines Beckenzirkels bestimmt. Diese Messungen sind sehr zuverl~issig bei Trichterbrustdeformit~iten vom Typ I. Bei der Beurteilung der restlichen Thoraxdeformit/iten, die 19% ausmachen, insbesondere beim Platythorax kann man sich nach diesen Angaben nicht richten, weil der Thorax insgesamt deformiert ist. Hier sind die Verdr~ingung des Herzens, die Ver~inderungen im EKG, die Skoliosebildung der Wirbels~iule und der innere sternovertebrale Abstand wichtige Kriterien ffir eine Operationsindikation. Ein Vergleich von pr/ioperativen EKG-Befunden mit EKG-Ergebnissen ca. 3,3 Jahre postoperativ ergab, dab die pathologisehen EKG-Ver~inderungen von 78% auf 20% abnahmen. Besonders eindrucksvoll ist der diastolische Dip, wie wir ihn bei einer Pericarditis constrictiva linden.

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Bei der operativen Korrektur von Thoraxdeformit/iten kommt es auf folgende operativen Schritte an: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Hautschnitt; Freiprfiparation der Thoraxdeformit~it; Mobilisation der Thoraxdeformitfit; Rekonstruktion der unteren Thoraxapertur; Stabilisierung des mobilisierten Thoraxabschnittes; WundverschluB.

Schritt 1: Hautschnitt Bei Jungen legen wir einen sagittalen, bei Mfidchen einen submammiiren Hautschnitt an.

Schritt 2: Freipriiparation der Thoraxdeformitiit En bloc Abl6sen von Haut, Subcutangewebe und Muskulatur von den Rippen mit der Diathermie (Abb. 1).

Schritt 3: Mobilisation der Thoraxdeformitiit Doppelt segmentf6rmige Chondrotornie parasternal und am Kulminationspunkt des Trichters (Abb. 2) beginnend an der Rippe, an der das Sternum nach ventral oder

Abb. 1

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Abb. 2

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"

Abb. 3

dorsal deformiert ist. Die Rippendurchtrennung erfolgt unter Schonung des Perichondriums; Gef~iBen, Nerven, Herz und Lunge bleiben davon unberiihrt (Abb. 3). Retrosternale Mobilisation und Durchtrennung der vorderen Corticalis des Sternums in H6he der ersten Chondrotomiestelle.

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Schritt 4: Rekonstruktion der unteren Thoraxapertur

Ausgleich der Auskrempelung der unteren Thoraxapertur durch multiple Excisionen im Rippenbogenbereich (Abb. 4).

Abb. 4

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A D D . (~

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"~

Schritt 5: Stabilisierung des mobilisierten Thoraxabschnittes Einbringen eines Metallbiigels zwischen innerer und ~iul3erer Sternumcorticalis im distalen Sternumabschnitt (Abb. 5). Dadurch wird der eingesunkene bzw. prominente Thoraxabschnitt in anatomisch gerechte Position gebracht. Anpassen der Enden des Metallbiigels an die normale Brustkorbw61bung durch Schr~inken und Fixation des Biigels an Rippen und Sternum. Diese interne Stabilisation mit Hilfe eines MetallbiJgels fanden wir insbesondere bei Resektionen im kn6chernen Bereich der Rippen, also bei ~ilteren Patienten oder ausgedehnter Trichtertiefe und bei Rezidiveingriffen als besonders sicher. Besonders wichtig ist es, dab aUe Rippen wieder axial reanastomosiert werden (Abb. 6).

Schritt 6: Wundverschlufl Rekonstruktion der hinteren Rectusscheide durch Naht zur Vermeidung einer epigastrischen Hernie und erneutem Auseinanderweichen der Rippenb6gen. Zur Entlastung des Wundareals werden eine substernale Saugung und 2 subcutane Drains eingelegt. Hautversehlul3 durch eine intracutane Naht. Dieses Operationsveffahren ist teehnisch relativ einfach durchzufiJhren, die Operationsdauer betr~igt bei Kleinkindern ca. 60 rain, bei ~ilteren Patienten ca. 1i/2h. Die Patienten diJffen am 3. postoperativen Tag aufstehen und k6nnen am 7. postoperativen Tag nach Entfernung des Intracutanfadens die Klinik verlassen. Kinder vers~iumen dabei wenig Sehule bzw. Freizeit, nach 6 Wochen dfiffen sie wieder sehwimmen und nach 3 Monaten am Turnunterricht voll teilnehmen.

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Ein Vergleichmit anderen Operationsmethoden zeigt, dab auch die interne Fixation, wie sie von Ravitch und in abge~inderter Form von Hecker empfohlen wird, ~ihnlich gute Resultate zeigt. Dabei wird auf eine stabilisierende Form mit Hilfe eines Metallbiigels verzichtet und das Sternum, auf den Enden der Rippen reitend, mit diesen vern~iht. Der gfinstigste Operationspunkt ist vor Eintritt der Kinder in die Schule. Dies hat verschiedene Grfinde: 1. Der Eingriff ist einfacher, nicht so ausgedehnt und zeitlich kfirzer. 2. Sekund~ire Ver~inderungen von Seiten des Herzens und der Wirbels~iule sind reversibel. 3. Die Spfitergebnisse sind kosmetisch besser. Die Rezidivquote dagegen ist unabh~ingig vom Alter. 4. Im Kleinkinderalter bzw. Vorschulalter ist die psychische Beeintr~ichtigung nicht so ausgepr~igt wie sp~iter. Dennoch kommen Patienten zur Beurteilung und Operation der Trichterbrust auch im sp~iteren Alter, wir haben vereinzelt auch im 4. Dezenium operiert. Komplikationen intraoperativ und postoperativ k6nnen bei diesen groBfl~ichigen Eingriffen folgenschwer verlaufen. Deshalb sollen derartige Eingriffe nur an Kliniken mit thoraxchirurgischer Erfahrung durchgefiihrt werden. Man unterscheidet zwischen: a) intraoperativen Komplikationen; b) postoperativen Komplikationen; c) Sp~itkomplikationen. Bei den intraoperativen Komplikationen steht die Blutungsgefahr aus der mammaria interna an erster Stelle. Die Rippenresektion im sternalen Bereich mul3 daher exakt auf dem Rippenheber durchgefiihrt werden. Der MetallbiJgel mul3 von links nach rechts eingeschoben werden, um das Herz und Gefiil3e nicht zu perforieren. Bei den postoperativen Komplikationen steht der nicht erkannte Pneumothorax und die Infektion bei den groBen Wundarealen an erster Stelle. Lebensgeffihrlich kann dabei eine Mediastinitis sein. Die freie Drainage des Substernalraumes und der Wundfl~iche oberhalb der Rippen w~ihrend eines Zeitraumes von 3 Tagen halten wir hier fiir besonders wichtig. Bei Spiitkomplikationen handelt es sich meist um lokale Entzfindungsprozesse und Wundheilungsst6rungen der Haut bzw. um Perforationen im Bereich der Metallbiigelenden. Vermeidbar sind solche Komplikationen, wenn der BiJgel an Sternum und Rippen durch Naht fixiert wird, die Enden der normalen Thoraxw61bung durch Schr~inkung angepal3t und unter die Muskulatur versenkt werden. Bei infizierten, perforierten Wundverh~iltnissen fiber den Metallbiigelenden sollte der BiJgel enffernt werden. Bei Vorbuckelung der Haut durch das darunterliegende stabilisierende Metall erfolgt eine Nachkorrektur des Biigels. Die Ergebnisse bei 725 Trichterbrustoperationen zeigen, dab unmittelbar postoperativ 98,1% anatomisch voll rekonstruiert waren. Nach 1 Jahr zum Zeitpunkt der Metallbfigelenffernungwaren es 94,3 %. Sp~itergebnisse im Durchschnitt 10 Jahre postoperativ zeigten 4,4% Teilrezidive und 1,5% Totalrezidive.

[Funnel chest deformities: operative treatment (author's transl)].

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